Nadja Christin

Natascha


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Also brauche ich keine Angst zu haben.« Ich schloss meine Augen wieder und drehte den Kopf zur Seite. Mein Hals lag vor ihm, nackt und ungeschützt.

      »Mach weiter, das war schön«, murmelte ich.

      Zuerst passierte gar nichts, ich wollte gerade meine Augen öffnen, um zu sehen, ob er überhaupt noch da war, da spürte ich ihn wieder. Seine Nase strich über meine Wange, über mein Ohr, er atmete leicht aus. Das kitzelte und ein weiterer Schauer lief mir den Rücken runter. Ein sanftes Stöhnen kam aus meinem Mund, ich fühlte die Lust in mir hochsteigen, mein ganzer Körper kribbelte, mein Blut schoss durch meine Adern. Seine eisigen Lippen berührten meinen Hals, strichen hoch und wieder runter, küssten meine kalte Haut, mein Blut rauschte noch schneller.

      Seine Hand strich über meine Schulter, über meine andere Halsseite, den Nacken hoch und vergrub sich in meinen Haaren. Er gab mit der Hand ein bisschen Druck, als wenn er mich hin zu seinen Zähnen drücken wollte, damit ich nicht mehr weg konnte. Als wenn ich flüchten wollte, ich erwartete doch seine Zähne, ich wollte, dass er mich biss, wollte, dass er mir meine Erinnerungen nahm.

      Ich spürte plötzlich, wie seine Zähne wuchsen, ich kniff meine Augen fester zusammen und erwartete den Schmerz. Er stöhnte an meinem Hals, atmete schneller, aber er biss nicht zu.

      Dann lehnte er seine Stirn gegen meine Schläfe, ich hörte und spürte seine Erregung, seinen Atem und sein Blut, das in ihm kochte und viel zu schnell durch seinen toten Körper rauschte.

      »Ich werde dir nicht deine … Erinnerungen nehmen«, flüsterte er in mein Ohr, seine Stimme klang zornig.

      Abrupt stand er auf und ging auf meine Küche zu. Wortlos nahm er sich noch eine Konserve aus dem Kühlschrank, goss es in ein Glas und erwärmte es in der Mikrowelle.

      Ich beobachtete seine Bewegungen und sah in sein Gesicht, es war verkniffen und grimmig, die Brauen düster über den glühenden Lava-Augen zusammengezogen. Als das Blut erwärmt war, trank er gierig ein paar Schlucke, stellte das Glas weg und stützte sich mit beiden Händen an der Arbeitsplatte ab. Er murmelte irgendetwas in sich hinein, ich konnte ihn nicht verstehen. Wie benommen saß ich weiterhin in meinem Sessel und beobachtete ihn. Ich wollte ihn fragen, was los ist, wollte zu ihm gehen, aber ich war wie gelähmt, ich konnte noch nicht einmal meinen Finger heben.

      Trotzdem zuckte ich vor Schreck zusammen, als er die Hände zu Fäusten ballte und auf die Arbeitsplatte krachen ließ, sodass die ganze Küche bebte und die Gläser in den Schränken klirrten. Er blickte mich an, seine Augen glühten kurz, dann war der begrenzende Rand wieder da, der die Lava zurückhielt.

      »Weiß irgendjemand, wo die Beiden zu finden sind?«

      Ich konnte ihn nur verständnislos anschauen, für ein paar Sekunden wusste ich wirklich nicht, von wem die Rede war. Dann dämmerte es mir, Justin und Dennis, ich zwinkerte einmal und da war sie wieder, meine Erinnerung, alle Bilder waren zurück, ich schloss gequält meine Augen.

      Verdammter Vampir, dachte ich, du hättest mir ruhig ein paar Stunden ohne die verdammten Bilder gönnen können.

      »Josh könnte vielleicht etwas wissen, er weiß eigentlich immer, was sich so bei uns tut.« Ich öffnete die Augen wieder und sah seine Hand vor mir. Er war so lautlos, so schnell, erneut fragte ich mich, wie so etwas möglich war.

      Ich ergriff seine Hand und er zog mich aus dem Sessel hoch.

      »Josh? Den aus dem Buchladen?«

      Ich nickte kurz.

      »Den kenne ich, der ist in Ordnung. Komm, wir gehen zu ihm.« Er zog mich einfach mit, ich hatte keine Chance.

      Er löschte im Vorbeigehen das Licht im Wohnzimmer und zog mich mit zur Eingangstür. Fast schubste er mich in das dunkle Treppenhaus und zog die Tür hinter sich zu. Da fiel mir etwas ein.

      »Ich habe meinen Helm vergessen, den brauche ich.« Ansgar hielt mich zurück.

      »Nein, du fährst mit mir. Mein Wagen steht unten.«

      Er steuerte auf den Aufzug zu, und drückte den Knopf. Aufzug fahren, dachte ich, das bin ich auch schon seit Jahren nicht mehr, nur gut, dass er nach nichts riecht, so ist es besser auszuhalten.

      Als sich die Türen öffneten, zog er mich grob mit in die kleine Kabine.

      »Du kannst mich loslassen, ich komme auch freiwillig mit.« Ich versuchte mich von seiner stählernen Hand zu befreien.

      »Nicht«, sagte er leise, »bitte lass es so, ich muss mich irgendwo festhalten.«

      »Warum? Kippst du sonst um?«

      Ich verstand ganz und gar nicht was er meinte.

      »Nein!«, schon klebte ich wieder an der Wand und fühlte seinen Körper an meinen gepresst.

      »Weil ich sonst über dich herfalle«, flüsterte er, gab mich aber sofort wieder frei.

      »Also lass es bitte so.«

      »In Ordnung«, antwortete ich langsam.

      Er schloss seine Augen. »Es ist gleich wieder vorbei, nur noch einen Moment.«

      »Tja, Aufzüge sind der Teufel für unsere Art. Ich weiß schon, warum ich immer die Treppe gehe.« Ich lächelte ein bisschen, er blickte mich fragend an, dann grinste auch er.

      »Das nächste Mal weiß ich Bescheid.«

      Wir kamen endlich in der Tiefgarage an und wie ich es vermutet hatte, steuerte er auf den schicken Bentley zu. Kurz vor dem Auto ließ er meinen Arm los.

      »Er ist offen«, sagte er knapp, ich stieg ein.

      Gelbes Leder erwartete mich, herrlich weich waren die Sitze, ich versank nahezu in ihnen. Der ganze Wagen strömte einen köstlichen Geruch aus, ich fühlte mich schlagartig geborgen und wohl. Genüsslich schloss ich die Augen. Meine Nasenflügel bebten leicht, schon spürte ich Ansgars Lippen abermals an meinem Hals.

      »Du riechst besser, viel besser«, hauchte er.

      Ich blickte ihn erstaunt an, aber er ließ per Knopfdruck den Motor anspringen und ich fragte mich schon, ob ich das alles nur geträumt hatte.

      Ansgar drehte sich in seinem Sitz halb um, damit er rückwärts ausparken konnte. Dabei warf er mir einen gierigen, hungrigen Blick zu. Er ließ seine Augenbrauen zweimal in die Höhe schnellen, ich senkte meine Augen, musste aber trotzdem grinsen.

      Sanft wie ein Kätzchen schnurrte der Bentley, als Ansgar ihn aus der Garage fuhr, in Richtung Innenstadt, zu Joshs Hexenladen.

      Genüsslich seufzte ich auf, schmiegte mich an die Lederpolster und zog den mich umgebenden Geruch ein. Wenn ich noch besser roch, dann wunderte es mich, dass Ansgar mich nicht auffraß. Das war ja kaum auszuhalten.

      Er starrte auf die immer noch dunklen Straßen, dann warf er mir einen schnellen Seitenblick zu.

      »Was ist?«, fragte er neugierig.

      Ich schmiegte mich wiederum in die Polster, saugte den Geruch ein und schloss die Augen.

      »Danke, Ansgar. Für alles … bisher«, sagte ich leise.

      Ich meinte es auch genauso, ich war ihm dankbar für ein paar Minuten ohne meine schmerzhaften Erinnerungen.

      Ich war mir nicht sicher, aber hatte er gerade meine Hand berührt, sie ganz leicht wie eine Feder gestreichelt? Ich wollte meine Augen nicht öffnen, so lächelte ich nur.

      Leise summte der Wagen vor sich hin.

      Viel zu schnell kamen wir bei Joshs Laden an, ich konnte stundenlang in den Polstern verbringen und diesen köstlichen Duft einatmen.

      Als das Schnurren des Wagens plötzlich aufhörte, blickte ich auf und seufzte. Nur ungern stieg ich aus, den Türgriff schon in der Hand, sah ich wie Ansgar mich anlächelte. Ich fühlte mich ertappt und schob meine Augenbrauen zusammen.

      »Was ist?«, fragte ich ihn etwas gereizt.

      »Vielleicht kannst du mich jetzt