Nadja Christin

Natascha


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nach. Wenn er um so vieles besser als dieser Wagen riechen würde, und ich natürlich auch noch zehnmal stärker wäre als er, also ich hätte ihn aufgefressen. Somit konnte ich es nur seiner Beherrschung verdanken, dass ich überhaupt noch existierte.

      Ich grinste ihn an und spielte mit dem Gedanken, ihn ein bisschen zu reizen. Aber kaum war der Gedanke in meinem Kopf geformt, da war Ansgar auch schon weg. Ich sah noch seine Tür zufallen, im selben Augenblick öffnete sich meine Seite. Wie konnte man nur so schnell sein.

      Er stand ungeduldig auf dem Gehweg und hielt mir die Tür auf. Ich stieg aus und lächelte immer noch frech. Da packte er grob meinen Arm und hielt mich fest.

      »Fordere mich niemals heraus. Fordere niemals meine Beherrschung heraus. Es könnte dein letzter Gedanke gewesen sein.«

      Seine Stimme war schneidend, ich hatte ihn verstanden und nickte kurz.

      Er ließ meinen Arm wieder los.

      »Gut. Komm, wir gehen rein, er weiß, dass wir kommen.«

      Ich überlegte, und kam zu der Erkenntnis, dass mein Begleiter wohl meine Gedanken lesen konnte. Das war ja fürchterlich, von nun an musste ich besser auf mich aufpassen.

      Das helle, zarte Glöckchen ertönte und wir tauchten ein, in eine andere Welt.

      Josh stand, wie immer, hinter seinem Tresen und grinste uns an. Ich war nach wie vor befangen, von meiner neuen Erkenntnis, grinste aber tapfer zurück.

      Josh kam hinter seinem Tresen hervor und ich wollte ihm gerade Ansgar vorstellen, da kam er mir zuvor.

      »Ansgar, wie schön, Euch hier zu sehen.« Josh ergriff seine hingestreckte Hand und umfasste mit der anderen seinen Unterarm. Ansgar machte es ihm gleich.

      Ich war erstaunt, noch mehr, als ich bemerkte, wie Josh seine Augen niederschlug. Mein alter Freund zeigte Ehrfurcht vor dem Anzugträger, am liebsten mochte ich laut auflachen, ich konnte mich gerade noch zurückhalten.

      Ansgar blickte sich in dem Hexenladen um.

      »Ihr habt eine hübsche Sammlung zusammengetragen«, er lächelte leicht. Josh quittierte das Kompliment mit einem leichten Kopfnicken. Es fehlte nur noch, das Josh jetzt einen Knicks machte. Ich musste mich abwenden, um nicht lauthals loszulachen.

      Plötzlich fiel mir ein, dass ich eben noch die Erkenntnis hatte, dass mein Begleiter vielleicht meine Gedanken lesen konnte. Schnell vertrieb ich die Gefühle aus meinem Kopf und sah Ansgar prüfend an.

      Der hatte gerade seinen Kopf weit in den Nacken gelegt und betrachtete einen Traumfänger, der über ihm hing.

      Er warf mir einen Seitenblick zu, zwinkerte mit einem Auge und lächelte mich wissend an.

      Ich hatte genug und drehte mich um. So ein Mistkerl, dachte ich, ja, das kannst du ruhig hören, rief ich in Gedanken, du bist ein Mistkerl.

      Aber nicht doch, junge Dame, säuselte eine Stimme in meinem Kopf, wer wird denn solche Ausdrücke benutzen.

      Ich erstarrte in der Bewegung, war das wirklich in meinem Kopf, oder hatte da einer laut mit mir gesprochen?

      Natürlich bin ich in deinem Kopf, du Dummerchen. Ich drehte mich schnell um und starrte Ansgar an, es war seine Stimme, dessen war ich mir ganz sicher.

      Er aber unterhielt sich leise mit Josh und beachtete mich gar nicht. Aber die Stimme war immer noch da.

      Ich kann weit mehr, als du für möglich hältst, ich kann nicht nur deine Gedanken lesen, ich kann mich auch in deinen Kopf einklinken und mit dir reden. Immerhin habe ich dein Blut getrunken, solange es in meinem Körper kreist, kenne ich alle deine Gedanken und Gefühle. Auch kann ich mit dir reden und brauche dich noch nicht einmal dabei anzuschauen. So wie jetzt. Mein hübsches Püppchen. Es folgte ein leises Lachen. Ich war entsetzt, dann versuchte ich schnell an nichts zu denken, an gar nichts.

      Na, sagte ich in Gedanken, wie gefällt dir das? Dieses nette Nichts. Meine Stimme in Gedanken wurde flehend. Bleib bitte aus meinem Kopf, ich bin es nicht gewohnt, meine Gefühle mit jemanden zu teilen, ich möchte, dass sie weiterhin mir gehören, mir alleine. Hörst du? …Hallo?

       Hm, du riechst so gut. Würdest du es mir sehr übel nehmen, wenn ich jetzt und hier, vor allen Augen über dich herfalle?

      Ja, erwiderte ich brüsk in Gedanken, du sollst aus meinem Kopf verschwinden. Raus da!

       Keine Chance, Natascha. Aber ich könnte dir deine Erinnerungen nehmen, du wärst für eine kurze Zeit wieder frei. Ich bin auch sehr vorsichtig, versuche dir nicht weh zu tun, jedenfalls nicht so sehr. Ich würde erst mit meinen Lippen deinen Hals hoch streichen, dich dann aufs Ohr küssen, mein kalter Atem würde dich kitzeln. Langsam streicheln meine Lippen deinen Hals herunter …

      »Hör sofort auf damit, Verdammt noch mal.« Es hallte laut in Joshs Laden, als ich die Worte herausschrie. Ansgar und Josh blickten mich erstaunt an, aber die Stimme in meinem Kopf war ruhig, zum Glück.

      »Natascha, was ist los?« Josh warf mir einen Blick zu, als zweifelte er an meinem Geisteszustand. Ansgar, neben ihm hob nur eine Augenbraue. Am liebsten würde ich ihn schlagen, aber ich würde mir nur weh tun, man schlägt nicht auf Steine ein, das bringt nichts.

      Tz, tz, tz, machte die Stimme wieder.

      Du kannst mich mal, dachte ich, drehte mich um und ging zu Joshs Konservenvorrat.

      Gerne! Hier, oder lieber später wieder bei dir? Die Stimme, Ansgars Stimme, klang verführerisch und lockend. Aber ich war so wütend, dass ich widerstand.

      Gar nicht, rief ich in Gedanken, Mistkerl, setzte ich hinzu. Ich schnappte mir eine Dose Konservenblut und ging wutschnaubend nach draußen in den Hinterhof.

      Hier standen noch die Stühle um den Tisch herum. Ich setzte mich und riss die Dose auf.

      Nicht mal warm gemacht hatte ich mir das Blut, ich wollte nur raus, nur weg von Ansgar mit seiner Stimme in meinem Kopf und Josh, der scheinbar an meiner geistigen Verfassung zweifelte.

      Genervt schloss ich meine Augen und atmete tief durch. Dann setzte ich die Dose an und trank sie in langen Schlucken leer.

      Brr, kaltes Blut war einfach entsetzlich. Da konnte man sich auch in einem Leichenschauhaus über die Toten hermachen. Trotzdem breitete sich Wärme in mir aus, wenn auch nicht so tröstlich wie sonst.

      Ich zerdrückte mit der Hand die Dose und legte sie auf den Tisch.

      Welche Schandtaten habe ich nur in diesem und im letzten Leben begannen, überlegte ich. Erst verliebe ich mich in ein Monster, das mich anschließend lieber tot als lebendig sehen würde, dann kommt dieser Anzugträger aus irgendeinem der vorherigen Jahrhunderte daher, beißt mich einfach ungefragt und geht dann nicht mehr aus meinem Kopf raus. Es ist zum aus der Haut fahren.

      Halb erwartete ich, dass die Stimme in meinem Kopf mir entweder recht gab, oder mir widersprach, aber es blieb still. Wie angenehm. Vielleicht ist mein Blut ja schon raus aus seinem Körper, dachte ich fröhlich.

       Aber keineswegs, mein Püppchen, ich muss dich nur sehen können und die Entfernung darf nicht so groß sein, das ist alles.

      Ich zuckte kurz zusammen und sah zur Tür, die in Joshs Laden führte. Durch den Glasausschnitt konnte ich Ansgar sehen, der mich anlächelte.

      Josh machte gerade die Tür auf und sagte.

      »Kommt, wir setzen uns, es ist noch eine schöne Nacht. Wollt ihr etwas trinken?«

      »Nein, danke für das Angebot, aber ich muss noch kurz weg.« Zu mir gewandt sagte er: »Ich hoffe, es macht dir nichts aus, ich komme dich auch in einer Stunde wieder abholen.« Dabei sah Ansgar mich fragend an.

      »Nein, geh nur, ich komme schon zurecht.« Mistkerl, fügte ich in Gedanken hinzu.

      Ego sum, qui sum, erklang seine Stimme erneut in meinem Kopf.

      Häh? fragte ich