Mira Micheilis

Meraviglia und der verrückte Erfinder


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wie es sein muss, diesen Narr Tag ein Tag aus ertragen zu müssen.“

      Dabei warf er Gorgonzola einen warnenden Blick zu.

      Maltrice, die die Geste nicht bemerkte, ließ ein helles Lachen ertönen, das einem in den Ohren klingelte.

      Ihr Vater, von der Beleidigung weniger berührt, als von dem Blick, blieb ruhig in seinem Sessel sitzen und ließ die Hetze stumm über sich ergehen. Er kannte dieses Spiel und war weise genug, es zu ignorieren.

      „Es tut mir Leid, dass ich nicht länger bleiben kann. Aber die elfte Stunde ist angebrochen und ich will mich nach Mitternacht nicht außerhalb des Schlosses erwischen lassen.“

      Maltrice blickte ihn mit gespielter Beleidigtkeit und echter Enttäuschung an.

      „Aber Prinz. Immer wenn ich komme, müsst Ihr so schnell fort. Ich glaube Euch Eure Angst vor dem Nebel nicht. Ihr weicht mir ja nur aus.“

      Der Prinz lachte sie schelmisch an, erwiderte aber nichts. Ohne weitere Zeit zu verlieren, verabschiedete er sich und verließ das Haus des Bürgermeisters in Begleitung seiner Wachen. Maltrice wartete, bis die königliche Hoheit aus der Tür war und ließ sich dann sehr unzeremoniell in den Sessel fallen, in dem er gerade noch gesessen hatte.

      „Ich möchte nur mal wissen, was ihr immer zu bereden habt!“, keifte Maltrice ihren Vater an.

      „Was geht dich das an? Du verstehst sowieso nichts von diesen Dingen“, antwortete Gorgonzola nicht minder erregt. Doch dann übermannte ihn die Müdigkeit des Tages. Er war der Aufregung für heute Leid.

      „Mir wäre es auch sehr lieb, wenn du aufhören könntest, so um ihn herum zu tänzeln. Er ist zwar ein Prinz, aber so einer bringt dir kein Glück. Eher noch stürzt er dich und das ganze Land in den Ruin. Er und seine Gier nach Ruhm!“

      Maltrice wusste keine andere Antwort, als ihrem Vater die Zunge herauszustrecken. Sie hatte es sich nun einmal in den Kopf gesetzt Fürstin zu werden. Ob das Land nun arm war oder nicht.

      Nicht weiter auf seine Tochter achtend, erhob sich Gorgonzola schwerfällig aus dem Sessel und begab sich zu Bett. Er hatte Maltrice seit ihrer Geburt nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt, wie es sich für einen reichen Vater gehörte. Manchmal dachte er jedoch – wenn sie wieder Dummheiten von sich gab – er hätte sie öfter züchtigen müssen.

      Doch nun war sie sechszehn und alle Mühe wäre verschwendet. Sie hatte den eigensinnigen Kopf ihrer Mutter. Starr auf die eigenen Ziele gerichtet, mit Selbstbewusstsein, das sich für ein Mädchen nicht ziemte und einer Rücksichtslosigkeit, auf die er stolz war.

      Doch mehr als nur einmal wünschte er sich, einen Sohn, der ihn verstand. Aber wenn er der Welt schon keine gescheiten Kinder hinterließ, so würde er trotzdem in der Geschichte unvergessen bleiben. Dafür würde er sorgen.

      Langsam wankte er den Weg, den Fabrizio ihm durch marmorne Flure, teppichbelegte Zimmer und wandverzierte Kammern, leuchtete.

      Er war kein armer Mann. Doch das Vermögen war ihm nicht zugeflogen, wie viele dachten. Mühevolle Jahre in einer stinkenden Käserei hatte er geschuftet. Seine Brüder waren davongelaufen. Aber er hatte durchgehalten. Und jetzt wohnte er in einem Haus, das eines Fürsten würdig war und seine Brüder trieben sich irgendwo in der Lombardei herum.

      Und Massimo? Was wusste der von Arbeit? Sein Vater hatte alle erarbeitet. Hatte Mauern gebaut. Den Hafen. Hat die anderen Fürsten befriedet und Wohlstand gebracht. Massimo konnte das nicht. Der war so nützlich wie ein Ochse im Haus. Seine Maltrice würde er ihm jedenfalls nicht überlassen.

      Draußen hörte er das verklingende Läuten des Nachtwächters.

      „Ob er wohl vor Mitternacht sicher nach Hause kommt?“, fragte sein treuer Fabrizio, mehr in die allwissende Nacht hinein, als zu irgendjemandem sonst.

      Gorgonzola antwortete nicht. Er lauschte den Geräuschen, der sich zu Bett begebenden Stadt. Ja. Mitternacht war keine glückliche Stunde für Prinzen. War sie nie gewesen.

      4. Die Gilde der Erfinder

      Als Meraviglia am Morgen erwachte, brauchte sie einen Moment, um sich zu erinnern, wo sie überhaupt war. Geschäftige Geräusche drangen von der Straße ins Zimmer und warmes Sonnenlicht spielte mit den Staubkörnchen in der Luft. Ach ja! Sie war in Braccio. Sie wollte Erfinderin werden.

      Rajab protestierte gegen das frühe Aufstehen, aber Meraviglia wollte sich nicht zurückhalten lassen.

      „Nicht trödeln! Heute ist unser großer Tag!“

      Sie wusch sich in der Wasserschale, die auf der Kommode stand, die Müdigkeit aus dem Gesicht und hechte aufgeregt in den Wirtsraum. Als sie auf dem Flur an dem Zimmer des Fremden vorbei ging, beschleunigte sie ihren Schritt.

      Die Tür sah selbst bei Tag unheimlich aus. Das dunkle Holz, das schwere Schloss – es hätte genauso gut eine Zellentür sein können. Und Meraviglia hätte es nicht überrascht, wenn der Fremde genau gewusst hätte, wie so eine Zellentür aussieht.

      Meraviglia war ganz erstaunt, als sie den Schankraum des Gasthauses betrat. Er sah bei Tageslicht ganz anders aus, als sie ihn vom vorigen Abend in Erinnerung hatte. Durch die schmutzigen Fenster fiel bunter Sonnenschein auf zerkratze Dielen und ließ den Raum größer wirken.

      Links vom Eingang war ein Kamin mit zwei Sesseln und rechts davon ein Dutzend lange Tische in säuberlichen Schlangenlinien angeordnet.

      Manche standen direkt am Fenster, für jene Gäste, die gerne vorbeilaufende Menschen beobachteten. Einige in der Mitte des Raumes, für Unentschlossene. Und die meisten nah bei der Wand, wo nur wenig Licht hinfiel und wo zwielichtige Gäste vor den Blicken Neugieriger geschützt waren. Selbst bei Tag waren die Ecken so dunkel, dass sich jemand leicht darin verstecken konnte.

      Meraviglia schauderte wieder bei dem Gedanken an den geheimnisvollen Fremden. Doch an diesem Morgen war die Wirtschaft, bis auf Potata, die fröhlich in der Küche ihre Messer schwang, vollkommen leer.

      „Was?! Die lachen dich doch nur aus!“, rief Potata überrascht, als Meraviglia ihr bei einer Schüssel Hirsebrei mit Honig von ihren Plänen erzählte.

      „Die lachen schon nicht“, entgegnete Meraviglia zuversichtlich, wurde aber ein wenig nervös. „Die brauchen doch gute Leute. Das ist eine große Stadt.“ Potata war fassungslos. Sie hatte gehofft, dass diese seltsame Person gestern Abend nur vor Müdigkeit verrücktes Zeug geredet hatte. Aber das ging ja munter so weiter!

      „Jetzt mal ernsthaft! Du bist kein Mann. Du hast keine Empfehlung. Niemanden, der für dich spricht. Wieso sollten die dich nur zur Tür herein lassen? Für einen normalen Burschen ist es schon schwer, eine gute Lehre zu bekommen und du willst einfach so in die Erfinderzunft spazieren und sagen: Hier bin ich, nehmt mich? Die lachen dich aus!“

      Meraviglia sank das Herz, aber nicht sehr weit. Natürlich war kein Mann. Aber dafür war sie die Ziehtochter von Kapitän Barbanero, dem Piraten, der es allein gegen fünf Kriegsschiffe des Kaisers aufgenommen hatte. Und sie sollte vor ein paar Zunftmeistern kneifen? Niemals! Sie würde einfach hart-näckig bleiben. Von ihrer Zeit auf der Levanta wusste sie, dass man, fast alles bekam, wenn man nicht locker ließ, nur damit man endlich die Klappe hielt.

      „Dir ist nicht mehr zu helfen!“, rief Potata und warf theatralisch die Arme in die Luft. „Na gut. Geh eben hin. Blamier dich bis auf die Knochen. Aber zieh dir etwas Anständiges an! Du kannst da nicht in deinem Piratenkram auftauchen. Die kriegen ja alle Bammel.“

      Meraviglia grinste sie an. „Gerade deswegen behalte ich sie an. So eine Aufmachung macht Eindruck.“

      Potata seufzte. Was war nur aus der Welt geworden?!

      „Guten Morgen! Guten Morgen! Und was für ein ausgesprochen guter Morgen das ist. Fürstlich, will ich fast meinen! Fürstlich!“

      Als wollte