Mira Micheilis

Meraviglia und der verrückte Erfinder


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stehen die Dinge in der Erfindergilde?“, fragte der Prinz versöhnlicher. „Irgendwelche Veränderungen?“

      Gorgonzola wählte seine Worte nun mit mehr Bedacht.

      „Nein. Es ist wie wir es erwartet haben. Sein Verschwinden ist zwar niemandem entgangen, aber sie denken sich nichts dabei. Sie machen weiter wie bisher.“

      „Hervorragend. Je weniger sie ahnen, umso besser. Ich bin zufrieden mit dir, Gorgonzola.“

      Der Prinz sah den Bürgermeister wohlwollend an, als hätte er ein Kind vor sich.

      „Diese Aufgabe erforderte sehr viel Spitzengefühl und ich muss sagen, du hast sie gut gemeistert.“

      Gorgonzola überhörte den arroganten Tonfall und zeigte sich kein Stück beleidigt, dass er wie ein Hund behandelt wurde, der ein Kunststück vollführt hatte. Er kannte den Wert seiner Arbeit. Niemand hätte es so elegant hinbekommen wie er. Alles war ins kleinste Detail geplant gewesen. Nichts war dem Zufall überlassen worden. Natürlich war am Ende nicht das rausgekommen, was er sich gewünscht hatte, doch es würde sich noch alles mit der Zeit regeln. Dieser Verrückte konnte sich nicht für immer verstecken.

      „Und der Kontakt mit unseren Freunden aus Zypern ist auch hergestellt?“

      Der Bürgermeister nickte.

      „Sie zeigten sich sehr interessiert. Es kommt selten vor, dass sie so ausgezeichnete Ware in solchen Mengen bekommen.“

      „Ausgezeichnete Ware! Dass ich nicht lache! Alles Dreck!“

      „Nun, Eure Hoheit. Italienische Produktion ist im Ausland sehr gefragt. Allein der Name kann die schlechteste Qualität wett machen. Ich habe so ein Geschäft schon vor einigen Jahren getätigt. Es ist erstaunlich, welche Preise man erzielen kann, wenn man nur sagt, die Ware käme aus Braccio.“

      Prinz Massimo legte die Stirn in Furchen. Was interessierten ihn Geld oder Profit? Er war der reichste Mann in Braccio und im ganzen Gebiet der Collina (so dachte er wenigstens).

      Nur endlich weg mit dem ganzen unnötigen Ballast. Endlich weg und Platz für Neues.

      „Und du bist sicher, dass niemand einen Verdacht schöpfen wird?“, fragte der Prinz misstrauisch.

      „Gewiss nicht. Es ist ja auch schon ein ganzer Trupp Wachen verschwunden und niemand…“

      Der Prinz funkelte ihn böse an. Gorgonzola biss sich auf die Lippen. Was war das nur für ein vermaledeiter Abend, an dem er kein rechtes Wort zu finden schien.

      „Verzeiht, Durchlaucht. Ich wollte nicht…“

      Anders als Gorgonzola es erwartet hatte, winkte der Prinz seine Worte mit einer Handbewegung ab.

      „Ja. Das ist auch noch ein Problem, um welches wir uns kümmern müssen. Es geht nicht, dass ganze Trupps spurlos verschwinden. Die Leute könnten auf Gedanken kommen.“

      Gorgonzola verfolgte mit Sorge die Gemütsumschwünge seines Gastes. Umso unangenehmer war ihm das Thema, das er nun anschneiden musste. Ein Wutausbrauch war unver-meidbar, aber es war besser, es jetzt anzusprechen, wenn der Prinz noch halbwegs bei guter Laune war.

      Er räusperte sich verlegen.

      „Es geht da übrigens ein Gerücht um, Durchlaucht.“

      Hochwohlgeboren hob eine Braue. Die kritische Braue.

      „Es heißt, dass der Mann aus Modena in der Stadt weilt.“

      „So? Heißt es das?“

      „Er dürfte aber keine großen Probleme darstellen. Wie man hört, ist er allein.“

      Der Prinz antwortete mit einem Blick, der höchste Unzufriedenheit verriet, doch der befürchtete Wutausbruch blieb aus. Massimo war bei Weitem nicht das ungehaltene Kind für da Gorgonzola ihn hielt. Natürlich, er hatte erst sein 21. Lebensjahr vollendet. Aber er war, seit sein Vater sich aus den Amtsgeschäften zurückgezogen hatte, herangereift und wusste sich durchaus zu beherrschen. Ob dies nun zum Guten oder Schlechten des Landes war, würde sich noch zeigen.

      „Was gedenkst du in dieser Sache zu unternehmen?“, fragte er mit so viel Selbstbeherrschung wie er aufbringen konnte. Der Bürgermeister wusste, wenn er jetzt die Wahrheit sprach und einfach ‘Nichts, ich werde nichts unternehmen‘ sagte, dann verlöre er seinen Kopf schneller als er gucken konnte.

      „Wir wissen, dass er in Blancapella abgestiegen ist und ich habe Anweisungen gegeben, nach ihm Ausschau zu…“

      „Das ist nicht genug!“, unterbrach ihn der Prinz aufbrausend und warf die Selbstbeherrschung über Bord. „Er ist ein mieser Gauner. Ich will, dass er gefunden und gefasst wird und in den Turm kommt, wo er hingehört.“

      „Ihr habt natürlich recht, Durchlaucht, aber…“

      Der Prinz holte tief Luft, um Gorgonzola sein „aber“ bereuen zu lassen, doch der Besonnenere der beiden kam ihm zuvor.

      „… es muss einen Grund geben, warum er hier ist. Es wäre besser, ihn auszuspionieren, bevor wir ihn wegsperren.“

      „Und wenn ihn jemand sieht, du Narr! Wenn er sich zu erkennen gibt! Was dann?“

      Gorgonzola versuchte etwas Verstand in die Diskussion zu bringen, was bei dem rot angelaufenen Prinzen eine Herausforderung darstellte.

      „Das ist sehr unwahrscheinlich. Er weiß, dass ihm der Galgen droht, wenn er es tut. Und wenn er doch diese selbstmörderische Idee hätte, dann hätte er seinen Plan schon vor Jahren in die Tat umsetzen können. Nein. Er muss etwas im Schilde führen, wenn er es riskiert, einfach zurückzukehren.“

      „Meine Pläne durchkreuzen, will dieser Verräter! Sein einziges Ziel ist es doch, dem Land zu schaden. Er muss sofort gefasst werden. Und dann prügeln wir alles, was er weiß, aus ihm heraus.“

      „Doch so eine Verhaftung könnte Aufmerksamkeit erregen. Und die können wir so kurz vor dem Michaelisfest nicht brauchen. Auch Euer Vater könnte davon erfahren. Es ist besser, wenn wir ihn erst einmal beschatten lassen und dann weiter sehen.“

      Der Prinz, der die ganze Zeit über die Luft angehalten hatte, um wieder losbrüllen zu können, ließ wie ein Kessel einen langen, zischenden Luftzug aus.

      „Sieh zu, dass du das Problem in den Griff bekommst, Gorgo. Ich will keine Störungen. Nicht die Geringsten. Nicht die Kleinsten. Sonst bist du die längste Zeit Bürgermeister gewesen“, fauchte Massimo wie eine gehässige, alte Katze.

      „Höre ich da etwa unseren erlauchten Prinzen?“

      Eine Stimme so süß wie Honig säuselte durch einen Türspalt und ein aufwendig frisierter Kopf lugte in die Bibliothek.

      „Aha! Ich habe doch gewusst, dass ich diese wunderschöne Stimme kenne.“

      Maltrice wartete nicht auf eine Bitte, die nicht kommen würde, sondern trat selbstbewusst ein.

      „Ich war gerade dabei zu Bett zu gehen, als ich Euch hörte“, wandte sie sich an den Prinzen und zupfte verspielt an ihrem seidenen Abendkleid. Sie sah hinreißend aus, vielleicht zu hinreißend für einen Abend zu Hause vor dem Kamin.

      In ihrem Haar funkelten weiße Perlen und das Gesicht war in allen Farben des Regenbogens bemalt. Maltrice war wie eine Sonne, die zwar schön war, aber deren Anblick man nicht lange ertragen konnte. Der krampfhafte Versuch, mit ihren gerade mal sechszehn Jahren erwachsen zu wirken, führte dazu, dass sie über das Ziel hinausschoss und große Ähnlichkeit mit einer Sechzigjährigen hatte, die ihre jungen Jahre zurück wollte.

      „Ich will gar nicht wissen, mit welchem langweiligen Geschwafel mein lieber Herr Papa Euch wieder in Beschlag nimmt.“

      Der Prinz erhob sich, verbeugte sich vor der eingetretenen Dame, küsste sie auf die Hand und grinste ihr dabei schelmisch zu. Gekonnt wie ein Schauspieler, hatte er die letzten Spuren seiner Wut aus seinem Gesicht verbannt und tief in sein Innerstes verbannt, wo sie sich um sein Herz schloss.