Mira Micheilis

Meraviglia und der verrückte Erfinder


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Lächeln auf den Lippen, die Wirtschaft betrat.

      An Füßen, Händen und sogar am Hals trug er bunte Schleifchen mit dazu passenden, bunten Holzknöpfen. Kunstvoll holte er aus seiner verzierten Weste ein weißes Tuch hervor, schwenkte es vor ihnen und verneigte sich dabei so tief, man wollte meinen, er beabsichtigte den Boden zu wischen.

      „Aber was sehen meine Augen hier? Ein neues, hübsches Gesicht. Etwa ein Gast? Von weit, weit her, müsst Ihr Fräulein gekommen sein?“

      Meraviglia wusste zwar nicht, welches Rädchen in seinem Kopf nicht richtig saß, aber die Verrückten waren ihr immer die liebsten gewesen.

      „Das ist kein Fräulein, sondern eine Seemannsbraut“, keifte Potata genervt.

      Poporano zuckte, wie vor einer Kakerlake, zurück und betrachtete Meraviglia aus einer Entfernung, die er für sicher hielt. Nach einem kurzen Moment strahlte er jedoch wieder.

      „Eine Seemannsmaid! Wie aufregend! Was für Geschichten Ihr kennt. Kommt. Ihr müsst mir alles…“ Bevor er fortfahren konnte, hatte Potata ihn an einem seiner Schleifchen gepackt und schleifte ihn unsanft zur Tür.

      „Du elende Tratschtante bist schlimmer als jedes Waschweib. Wie oft soll ich dir noch sagen, dass ich dich hier nicht sehen will!”

      Poporano ruderte heftig mit den Armen, aber es gelang ihm nicht, sich aus dem Griff der stämmigen Wirtin zu befreien.

      „Wie kannst du es wagen, Weib, so mit einem Pagen des Hofes umzugehen!“

      „Ein Hofpage?!“, rief Meraviglia begeistert. In einem günstigen Moment gelang es Poporano, sich aus Potatas Griff zu befreien und zwischen ihr und sich eine sichere Ent-fernung aufzubauen. Ermutigt durch Meraviglias staunenden Blick, setzte er in seiner Rede von Neuem an.

      „Ach, entschuldigt, holde Meeresmaid. Ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Mein Name ist Umberto Trafulgo Poporano. Die Betonung liegt auf –rano! Sprich mir nach, Fräulein: Popo-rano.“

      „Dein Popo gibt auch so schon genug Töne von sich und braucht keine Betonung mehr“, meinte Potata schnippisch und lachte über ihren eigenen Witz.

      Ohne Potata zu beachten, fuhr der Neuankömmling fort: „Ich bin Hof- und Hauspage am fürstlichen Hof Unseres Erlauchten Herrschers, des Fürsten Césare aus dem Geschlecht der Leobruno. Stets zu ihren Diensten.“

      Wieder verbeugte er sich tief vor Meraviglia.

      „Ein Türenaufhalter und Papierchenbringer bist du. Nichts weiter. Und du!“

      Auf einmal sah Potata Meraviglia ärgerlich an.

      „Ich habe dir gesagt, was passiert, wenn du mein Gasthaus in einen Zirkus verwandelst. Fliegen tust du dann.“

      Poporano wartete einen Moment ab. Er wollte gerne sehen, wer hier die Oberhand behielt.

      „Potti, sei nicht so. Wenn du alle Gäste rausschmeißt, dann kann das wohl kaum ein Gasthaus sein“, schlug Meraviglia einen versöhnlichen Ton an. Verärgere niemals einen Wirt, hatte Barbanero ihr immer gesagt.

      „Nenn mich nicht Potti!“, fuhr Potata sie aufbrausend an. „Der Lump hier ist kein Gast, sondern eine Plage.“

      „Aber ich bin neu in der Stadt. Ich würde gerne die Geschich-ten hören, die es hier so gibt. Und wer hätte mehr zu erzählen als ein Klatschwei… als ein Hofpage.“

      Poporano lief plötzlich zu ungeahnter Höchstform an.

      „In der Tat, meine Liebe, gibt es niemanden in der Stadt, der besser informiert wäre, als der gute und treue Poporano.“

      Potata stemmte kapitulierend die Arme in die dicken Hüften.

      „Dann bestell wenigstens etwas, du eitler Pfau!“

      Nachdem der Hofpage mit Brot und Käse versorgt war, über dessen Minderwertigkeit, er die Nase rümpfte, fuhr er fort.

      „Nun, wo soll ich nur beginnen? So vieles ist seit gestern passiert. So vieles! Die Preise für Weizen sind wieder gestiegen. Die fürstlichen Ställe haben ein neues Pferd – eine prächtige Stute aus Umbrien. Und dann war da noch dieser Vorfall bei der Meereshochzeit. Die Leute sagen, eine Verwirrte hätte den Bürgermeister angefallen.“

      Meraviglia lief rot an und sank auf ihrem Platz zusammen.

      „Mit Schaum vor dem Mund und wilden Augen ist sie auf die Bühne gesprungen und hat sich schreiend auf Signore Gorgonzola geworfen. Nur durch das beherzte Eingreifen seiner Leibgarde konnte es gelingen, die Verrückte in den Fluss zu treiben, wo sie wahrscheinlich ertrunken ist.“

      Meraviglia atmete auf. Es war ihr nur Recht, wenn man sie für tot hielt.

      „Ich selbst war nicht dabei. Aber ich habe das aus erster Quelle. Von Signorina Maltrice Gorgonzola persönlich.“

      Hierbei schaute er Meraviglia erwartungsvoll an und diese beeilte sich, sogleich ein ehrfürchtiges Oooh zu äußern.

      „Signorina Maltrice ist wahrlich ein Sinnbild von Tugend und Schönheit. Verglichen mit ihr, wirken alle anderen Töchter des Landes wie Bäuerinnen.“

      „Alle anderen Töchter des Landes sind auch Bäuerinnen, wenn ihnen das Geld fehlt, Seide und Schmuck zu kaufen“, unterbrach ihn Potata, doch Poporano beachtete sie nicht.

      „Außerdem ist sie sehr gebildet. Sie wurde in allen Dingen unterrichtet, die die Tochter einer edlen Familie wissen muss.“

      „Lesen, Schreiben und Rechnen?“, riet Meraviglia.

      „Bei Gott! Nein! So etwas gehört sich nicht für eine Dame! Das ist die Arbeit von Händlerfrauen und Wechselweibern. Nein! Sie lernt viel wichtigere Dinge: Tanzen, Musizieren, Nähen und was weiß ich nicht noch alles!“

      Meraviglia musste sich wundern. Wieso sollte man gerade diese Dinge lernen? Natürlich machte das Tanzbein zu schwingen Spaß und niemand war schneller für ein Liedchen am Schifferklavier zu begeistern als sie. Und auch Wunden zusammenzunähen gehörte zu Meraviglias Repertoire. Aber daraus konnte doch niemand einen Beruf machen.

      „Achso! Fast hätte ich die wichtigste Neuigkeit vergessen!“, strahlte Poporano und zwinkerte Meraviglia verschmitzt zu. Diese wusste, was man von ihr erwartete und setzte eine besonders interessierte Miene auf.

      „Gestern, ich wag‘ es kaum, davon zu sprechen.“

      Poporano rutschte wie ein aufgeregtes Kind auf seinem Stuhl hin und her, als versetzte ihn allein der Gedanke in unendliche Verzückung.

      „Also, gestern, da brachte ich dem Fürsten das Nachtmahl ins Studierzimmer – er ist nämlich immer sehr beschäftigt, müsst ihr wissen – da sagte er: Poporano, du leistest hervorragende Arbeit, hat er gesagt. Und das sagt er wahrlich nicht jedem. Hervorragende Arbeit!“

      Potata rümpfte die Nase.

      „Es ist auch schwer beim Türen aufhalten etwas falsch zu machen. So ein Dummkopf bist nicht einmal du.“

      Poporano ignorierte den Einwand mit dem Blick, mit dem er Ratten bedachte, wenn sie es wagten, seinen Weg zu kreuzen.

      „Wahrlich“, sprach Poporano, mehr in den Raum hinein, als zu irgendjemandem sonst, „kann nicht jeder Bediensteter am fürstlichen Hof werden. Dafür braucht es elegantes Auftreten und perfekte Umgangsformen – etwas, das nur jene besitzen, die in den höchsten Kreisen der Stadt verkehren. Es wundert mich nicht, dass du nichts davon weißt, Potti.“

      Potata ballte die Faust und hätte zum Schlag ausgeholt, wenn Meraviglia nicht dazwischen gegangen wäre.

      „Sagt, Signore Poporano, wie ist der Fürst so?“

      Der Höfling prüfte sie ktitisch. Machte sie sich über ihn lustig? Es hatte ihn noch nie jemand mit Signore angesprochen. Umberto Poporano war kein überheblicher Mann. Im Gegenteil! Er war niemandem gegenüber so kritisch, wie sich selbst. Überall sah er Flecken und Falten. Ungeknöpfte Jacken ließen ihm