Thomas M Hoffmann

Blutgefährtin 1


Скачать книгу

das Mittagessen. Wie ich mir gedacht hatte, ist der Braten von Catherine so hervorragend, dass ich mich zusammenreißen muss, damit ich nicht mehr esse als gut für mich ist. Zumal sich die Crêpes schon bemerkbar machen.

      Insofern bin ich ganz dankbar, nach dem Essen ein wenig Bewegung zu bekommen. Die Strecke ins Dorf ist zwar mit dem Fahrrad nicht so weit, aber ein paar Kalorien werde ich dadurch wohl loswerden. Als ich bei dem Café ankomme, sitzen Chloé und Inès schon da. Die beiden verstummen und blicken mir erwartungsvoll entgegen. Also bin ich vermutlich der Gegenstand ihres Gesprächs gewesen. Oder Pierre. Aber ich tue so, als sei alles normal, indem ich ihre Blicke einfach erwidere.

      «Was ist los?»

      Chloé verdreht die Augen.

      «Nun erzähl schon. Was ist gestern Abend noch passiert?»

      Inzwischen habe ich mich dazu entschlossen, die Sache mit dem Kuss erst einmal für mich zu behalten. Ich weiß noch nicht, ob er mehr war eine Konsequenz des wunderbaren Abends und auch wenn ich definitiv mehr will, muss ich erst noch herausfinden, wie Pierre darüber denkt. Chloé würde dabei erheblich stören.

      «Nachdem du weg warst? Nicht mehr als vorher. Wir haben getanzt und in den Pausen hat mich Pierre mit Getränken versorgt. Als die Band Feierabend gemacht hat, hat er mich nach Hause gebracht.»

      Chloé schaute mich einen Moment durchdringend an.

      «Er hat den Eindruck gemacht, als wollte er sich ernsthaft an dich ranschmeißen. So alleine tief in der Nacht wäre da die ideale Gelegenheit gewesen.»

      «Und wie war das mit Frank? Hat er auch all die günstigen Gelegenheiten ausgenutzt?»

      Ich weiß genau, dass dem nicht so war. Wochenlang hat uns Chloé vorgejammert, welche tollen Gelegenheiten sie ihm wieder geboten hatte, ohne dass Frank diese in seiner Schüchternheit ergriffen hatte. Chloé hat richtig energisch werden müssen, bevor Frank begriffen hat, dass er jetzt befreundet zu sein hat. Wir haben damals gemeinsam in unserer Meinung übereingestimmt, dass Männer einfach blind für die Wünsche von Frauen sind. Meine Erwiderung lässt Chloé kleinlaut werden.

      «Ja, ich weiß. Aber dein Pierre scheint mir erwachsener zu sein.»

      «Vielleicht ist das keine Frage des Alters, vielleicht können Männer prinzipiell nicht richtig sehen, was Frau so möchte.»

      Damit habe ich den richtigen Ton angeschlagen. Ich ernte Zustimmung und bin der Situation entkommen, meine Freundinnen anlügen zu müssen. Aber Chloé hat noch andere Pfeile im Köcher.

      «Hast du seine Handynummer?»

      «Nein, warum?»

      Wieder stöhnt Chloé auf.

      «Na Regel Nummer eins bei interessanten Männern. Immer die Kontaktmöglichkeiten sichern. Wenn du seine Handynummer hast, dann kannst du dich im Notfall auch mal verwählen, um ihn an die Strippe zu bekommen und ein Date aus ihm herauszuholen. Trish, du verhältst dich wie eine Anfängerin.»

      Ich bin eine Anfängerin, aber dazu sage ich lieber nichts. Chloé beginnt jetzt erst, richtig aufzudrehen.

      «Also gut, dann müssen wir anders vorgehen. Inès du wohnst vor Ort, du musst herausbekommen, wo Monsieur Polignac so alles verkehrt, wann er aufsteht, was er frühstückt, einfach alles. Wir brauchen die Informationen, damit wir ‚zufällige‘ Begegnungen arrangieren können. Trish, es liegt dann an dir, aus diesen Begegnungen etwas zu machen. Manchmal müssen Männer mit dem Holzhammer auf ihr Glück aufmerksam gemacht werden»

      Eine halbe Stunde später habe ich so viele Tipps in der Tasche, dass ich Brad Pitt hätte abfangen, in eine dunkle Ecke drängen und überwältigen können. Ich lasse Chloé reden, sie meint es ja gut. Und ganz Unrecht hat sie auch nicht. Pierre hat mich zwar geküsst, aber wir haben nichts verabredet und ich habe keine Ahnung, wann und wie ich ihn wieder treffen werde.

      Vielleicht war es für ihn ja nur so eine Schwärmerei für einen Abend.

      Inès verspricht, nach dem Lebenswandel von Pierre Ausschau zu halten und ich verspreche, die nächste Gelegenheit zu nutzen, seine Handynummer zu bekommen. Chloé muss weg, weil sie noch mit Frank verabredet ist. Aber sie verschwindet nicht, ohne mich noch mit zwei weiteren Tipps zu versorgen, wie man die Aufmerksamkeit von Männern auf sich ziehen kann.

      Inès und ich bleiben noch sitzen, um unser jeweiliges Getränk zu Ende zu trinken.

      «Ich glaube, Chloé übertreibt ein wenig.»

      Ich muss lachen, wie so oft hat Inès in ihrer stillen Art die Situation viel besser durchschaut als Chloé oder ich.

      «Da hast du nicht ganz unrecht. Aber sie will mir ja nur helfen.»

      Inès fixiert mich.

      «Willst du dir denn helfen lassen?»

      Ich zucke mit den Schultern.

      «Ehrlich gesagt weiß ich nicht recht, was ich genau will. Pierre ist mir stärker unter die Haut gegangen, als ich erwartet hatte.»

      Inès nickt bloß und sagt nichts weiter. Sie merkt wohl, dass ich darüber nicht unbedingt reden möchte. Ich bezahle meinen Kaffee, winke Inès zu und mache mich auf den Heimweg. Es gibt genug, worüber ich nachdenken muss. Ich habe die Außenbezirke des Dorfes gerade verlassen, da sehe ich eine Gestalt am Straßenrand an einem Zaun lehnen. Plötzlich fängt mein Herz an zu rasen, die Erinnerung an einen wahnsinnigen Kuss ist auf meinen Lippen wieder zu spüren. Es ist Pierre und er schaut mir erwartungsvoll entgegen als hätte er erwartet, dass ich vorbeikomme. Bei ihm angekommen, steige ich vom Fahrrad.

      «Hey.»

      Plötzlich fühle ich mich schüchtern.

      «Hallo Trish»,

      Pierre lächelt mir zu, ich versinke in seinen grünen Augen. Ich fühle mich schwach und leer, die Gegenwart von Pierre hat wieder alle Gedanken aus meinem Kopf verdrängt. Vergeblich versuche ich, mir einen der Tipps von Chloé ins Gedächtnis zu rufen, aber das hat seine Funktion offensichtlich eingestellt. Verdammt, warum muss er mich immer so aus der Fassung bringen.

      «Was machst du denn hier?»

      «Ich warte auf dich.»

      «Auf mich? Woher wusstest du denn, dass ich vorbeikomme?»

      «Ich habe dich gesehen, wie du mit deinen Freundinnen im Café saßest. Ich wollte nicht stören, also habe ich beschlossen, hier zu warten, bis du vorbei kommst.»

      «Das wäre doch nicht nötig gewesen, Pierre. Du wusstest doch gar nicht, wie lange wir uns unterhalten werden.»

      «Wäre es dir lieber gewesen, ich hätte mich zu euch gesetzt?»

      Jetzt spüre ich, wie mir die Hitze in die Ohren steigt. Nein, wenn er zu uns gekommen wäre, wäre das eine echte Katastrophe gewesen. Chloé war so sehr in Fahrt, dass sie unbedingt gewollt hätte, dass ich ihre Tipps gleich in die Praxis umsetze. Ich wäre mir so etwas von nackt vorgekommen, nicht auszudenken.

      «Na ja..»

      Auf mein Herumdrucksen hin muss Pierre lachen.

      «Siehst du, deshalb warte ich hier. Habt ihr wenigstens über mich geredet?»

      «Und wenn?»

      «Dann würde ich natürlich liebend gerne erfahren, was das war.»

      «Chloé hat mir Vorwürfe gemacht» platze ich heraus, bevor ich meine Zunge im Zaum halten kann. Trish, du bist schon ein selten dämliches Kamel.

      «Echt? Weshalb denn?»

      Jetzt sitze ich in der Falle. Also Augen zu und durch.

      «Weil ich nicht nach deiner Handynummer gefragt habe.»

      Jetzt muss Pierre wieder lachen. Er sieht sogar etwas entspannter aus als vorher, obwohl man das nur durch eine subtile Veränderung erkennen kann, wie er seinen Körper hält.

      «Na, das kann ich ja nicht auf dir sitzen