Thomas M Hoffmann

Blutgefährtin 1


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Partei?»

      Jetzt bin ich erstaunt. Die FN ist eigentlich beständiges Thema in der Gegend und es gibt hitzige Diskussionen zwischen den zahlreichen Befürwortern und den Gegnern.

      «Ja, die sind doch ständig präsent in den Medien. In Lorgues haben sie häufig einen Stand und bei den letzten Wahlen sind sie hier auf fast 20 Prozent gekommen.»

      «Na ja, ich interessiere mich nicht sehr für diese Politik. Was wollte er denn?»

      Diese Politik? Ein merkwürdiger Ausdruck, was meint er damit?

      «Keine Ahnung, was er genau wollte. Ich glaube er war sauer wegen des afrikanischen Mädchens gestern.»

      «Afrikanisches Mädchen?»

      Ich gebe ihm kurz eine Zusammenfassung der Ereignisse von gestern. Monsieur Polignac hört mir konzentriert zu, wobei er ein paar Mal den Kopf schüttelt.

      «Sie haben vollkommen richtig gehandelt. Diesen Leuten muss man unbedingt Paroli bieten. Aber seien sie auf der Hut. Vielleicht hegt der Bursche tatsächlich irgendwelche finsteren Gedanken. Sie sollten ihm aus dem Weg gehen.»

      «An mir soll es nicht liegen.»

      Für einen Moment herrscht Schweigen zwischen uns, eigentlich wäre es jetzt der richtige Augenblick, sich zu verabschieden. Aber ich will eigentlich noch gar nicht gehen. Was für ein Zufall, dass ich ihm hier begegnet bin.

      «Waren sie auf einem Spaziergang, Monsieur Polignac?»

      Er wirft mir einen Blick zu, den ich aber nicht deuten kann.

      «Ja, ich gehe gerne durch diese Gegend. Sie gibt einem das Gefühl der Zeitlosigkeit. So ganz anders als die Rastlosigkeit der Menschen.»

      Einen Moment weiß ich nicht, was ich antworten soll. Er hört sich an wie ein alter Mann.

      «Darüber habe ich noch nie nachgedacht. Aber das Gefühl kenne ich, ich hatte es, als ich vor zwei Jahren meine Tante im Monument Valley besucht habe. Dort sind es aber die Jahrtausende der Unveränderlichkeit, die mich so beeindruckt haben. Hier in der Provence ändert sich doch die Natur andauernd.»

      «Das schon, aber man stellt schnell fest, dass in diesem Kreislauf der Jahre eine tiefe Unveränderlichkeit steckt. Wohnt ihre Tante im Monument Valley?»

      «Ja, über Teile des Jahres, den Rest der Zeit arbeitet sie in San Diego. Aber mein Cousin John-John ist ihr Stiefsohn und stammt von den Navajos ab. Weil er die Beziehung zu seinen Wurzeln nicht verlieren soll, verbringen sie so viel Zeit wie möglich im Monument Valley.»

      «Sie haben so einen besonderen Tonfall, wenn sie von ihrer Tante reden. Sie scheinen sie sehr zu mögen.»

      «Außer Großvater und Onkel Daniel gibt es keinen Menschen auf der Welt, der mir wichtiger wäre.»

      Monsieur Polignac wirft mir einen Blick zu, in dem ich Neugierde lese. Er hat wohl gemerkt, dass hinter meiner Bemerkung eine lange Geschichte steckt. Aber ich bin nicht bereit, diese Geschichte einem Fremden zu erzählen und er fragt nicht weiter.

      Jetzt ist es aber Zeit, dass ich zurückreite. Ich werfe die Zügel über Morelle, um wieder aufzusteigen.

      «Vielen Dank für das Gespräch, Monsieur Polignac. Ich glaube, ich mache mich jetzt auf den Rückweg.»

      «Darf ich sie begleiten?»

      «Danke nein, ich komme schon zurecht. Und ich will Morelle noch ein wenig traben lassen, da würden sie doch sowieso nicht mithalten können.»

      Monsieur Polignac schaut mich schief an.

      «Nun gut, ich lasse sie reiten. Aber nur, wenn sie mir einen Gefallen tun.»

      «Welchen denn?»

      «Nennen sie mich nicht Monsieur Polignac. Das hört sich so alt an. Nennen sie mich Pierre.»

      Jetzt schaue ich ihn schief an, mein Herz klopft schon wieder schneller. Ist es klug, mit diesem Mann vertraulicher umzugehen? Klug vielleicht nicht, aber es ist das, was ich mir von Herzen wünsche.

      «Einverstanden, M ... Pierre. Ich heiße Trish.»

      «Trish ist ein schöner Name.»

      Jetzt lächelt er schon wieder, dass ich ganz verlegen werde. Ich überspiele den Schwall an Gefühlen, die mich überfallen, indem ich auf mein Pferd steige. Nachdem ich mich zurecht gesetzt habe, wende ich Morelle in die Richtung, aus der ich gekommen war und blicke noch einmal zurück zu Monsi – Pierre.

      «Sehen wir uns heute Abend, Pierre?»

      «Ich werde da sein. Achte auf diesen Mathéo.»

      Ich nicke, lächle ihn zum Abschied an und gebe Morelle das Zeichen, sich in Bewegung zu setzen. Als sie im Schritttempo dem Weg aus dem Wald heraus folgt, fühle ich, wie sich Pierres Blick in meinen Rücken brennt. Aber ich schaue mich nicht um, Pierre soll nicht denken, ich sei einfach zu beeindrucken.

      Selbst wenn es stimmt.

      3 Das Frühlingsfest

      Am Nachmittag habe ich ein wenig Freizeit, eigentlich ideal, um noch ein bisschen zu lesen. Aber meine Gedanken drehen sich fast nur um Pierre. Pierre! Es erscheint mir immer noch falsch, von ihm mit seinem Vornamen zu denken. Aber auf der anderen Seite ist es genau das, was ich mir gewünscht habe. Er scheint ja doch ein wenig Interesse an mir zu entwickeln.

      Kurz kommt mir der Gedanke, ob dieses Interesse vielleicht eher an dem Vertrag liegt, den er uns gegeben hat. Großvater hat sich noch nicht dazu geäußert und wir wollten den Vertrag sowieso erst von unserem Anwalt prüfen lassen. Aber irgendwie kann ich nicht glauben, dass Pierres Interesse rein geschäftlicher Natur sein soll. Es fühlt sich einfach nicht danach an. Nein Pierre scheint an mir persönlich Interesse zu haben.

      Hoffe ich.

      Das Fest beginnt offiziell gegen 19 Uhr und ich fange schon einige Zeit vorher an, mich fertig zu machen. Ich will ja Eindruck schinden, also brauche ich Zeit. Wie mit Chloé und Inès besprochen, gehe ich diesmal nicht in Jeans. Ich ziehe den Rock an, den ich mir letzten Herbst gekauft habe. Das ist kein Minirock, wie das wohl einige meiner Klassenkameradinnen anziehen werden. Ich hasse es, die Blicke der Jungs auf mich zu ziehen, nur weil die hoffen, meine Unterhose sehen zu können. Der Rock geht bis zu den Knien und betont die Figur. Im Vergleich zu Inès habe ich immerhin Hüften, die ich betonen kann. Aber Inès ist ja sowieso zu dünn und Chloé hat sich von ihrem Schlankheitswahn anstecken lassen. Nun ja, bei Beauty Queen würde ich vermutlich als Fettwanst schon in der Vorrunde ausscheiden. Aber was interessiert mich diese Propagandasendung für Magermodels?

      Es ist gegen halb sieben als Großvater bereits von unten fragt, wann ich denn fertig wäre. Ich lege gerade Farbe auf und so muss sich Großvater noch etwas gedulden. Er hat die südfranzösische Eigenart, die Dinge etwas gemächlicher angehen zu lassen, noch längst nicht verinnerlicht. Als ich nach unten gehe, hat er bereits einen etwas ungeduldigen Gesichtsausdruck, der sich aber aufhellt als er mich sieht.

      «Du siehst gut aus, Trish.»

      Großvater selbst ist recht rustikal angezogen. Nicht echte Tracht, aber in derselben Stilrichtung, wie es sich für einen alten Winzer gehört. Ich kann mich noch an die Zeit erinnern, wo er als Banker in San Diego gearbeitet hat, da ist er täglich im Anzug herumgelaufen. Aber seitdem wir hier nach Frankreich gekommen sind, hat er sich von dieser Bekleidung fern gehalten. Außer bei der Hochzeit von Tante Anna, aber das war ja etwas Besonderes.

      Er sieht in dieser Kleidung aber noch sehr rüstig aus, außer dass seine Jacke schief gezogen ist, also zupfe ich sie gerade.

      «Es kann losgehen, Großvater.»

      Plötzlich ist sein Gesichtsausdruck so voller Schmerz, dass ich inne halte.

      «Was ist los?»

      Er lächelt mich traurig an.

      «Ach nichts Trish. Nur früher hat Anita