Thomas M Hoffmann

Blutgefährtin 1


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Französisch ist ja ganz ok, aber für die Feinheiten eines Vertrages reicht das nicht unbedingt aus. Daher habe ich solche Dinge übernommen, aber wir sind klug genug, bei wichtigen Verträgen sowieso unseren Hausjuristen mit einzubeziehen.

      Während Großvater erklärt, dass ein Großteil unserer Produktion des kommenden Jahres bereits vertraglich gebunden ist, schaue ich kurz über die Paragraphen. Sieht mehr oder weniger so aus, wie andere Verträge dieser Art. Es gibt nur einen besonderen Absatz mit den Abnahmegarantien, den ich versuche, etwas besser zu verstehen. Ich kann keine nachteiligen Formulierungen entdecken. Aber nur weil ich den Kerl heiß finde, heißt das noch lange nicht, dass ich einen Vertrag von ihm unterzeichnen möchte. Schließlich bin ich eine knallharte Geschäftsfrau und so. Also schiebe ich den Vertrag zurück zu Großvater

      «Sieht in Ordnung aus, aber wir müssen das natürlich prüfen lassen.»

      Monsieur Polignac lächelt mir wieder zu.

      «Selbstverständlich, ich lasse ihnen gerne alle Zeit, die sie brauchen. Bitte sagen sie mir Bescheid, wenn sie an einem Geschäft interessiert sind.»

      Das ist wohl das Zeichen, dass der Besuch beendet ist. Großvater steht auf und bedankt sich bei Monsieur Polignac. Die beiden tauschen noch ein paar Höflichkeiten aus, danach begleite ich diesen beeindruckenden Mann zur Tür. Ich habe mich etwas gefangen, immerhin schaffe ich den Weg, ohne in Ohnmacht zu fallen. Ein gewaltiger Fortschritt, wie ich finde. Bevor er geht, nimmt er nochmals meine Hand und küsst sie geradezu sanft. Plötzlich ist mir schwindelig, die Option mit der Ohnmacht liegt wieder im Bereich des Möglichen.

      «Es war wirklich eine Freude, sie getroffen zu haben, Mademoiselle Strong. Ich freue mich sehr auf ein Wiedersehen.»

      Mann oh Mann, dieser elektrische Schlag, der durch meinen Körper geht, bringt bestimmt meine Haare zum Leuchten. Schon wieder nach Luft ringend, starre ich starre in seine grünen Augen und weiß nicht, was ich sagen soll. Mein Blick gleitet zu seinen Lippen, der unbändige Drang, sie zu küssen, überfällt mich. Ich habe mich schon beinahe in Bewegung gesetzt, als ich mich gerade noch abfangen kann. Schnell schlage ich meine Augen nieder, hoffentlich hat er nichts gemerkt.

      «Vielleicht wollen sie ja zum Frühlingsfest morgen kommen. Das ist hier im Dorf eine große Tradition.»

      Krächze ich? Oh, Gott, bestimmt habe ich gekrächzt. Da begegnet man mal einem richtigen Mann und was macht die dumme Trish? Sie krächzt.

      «Wenn sie dort sein werden, wird nichts in der Welt mich davon abhalten können, zu kommen», sagt Monsieur Polignac, wendet sich um und geht geschmeidig zu seinem Auto.

      Ich nehme mir ein paar Minuten, um mich zu sammeln und diesem Mann hinterher zu schauen. Na, das kann ja heiter werden. Wenn ich mich auf dem Fest auch so zum Affen mache, sobald ich unseren Monsieur dort sehe, werde ich die nächsten Jahrzehnte von Chloé und Inès verspottet werden. Mein Gott, was ist bloß los mit mir? Aber eines ist ganz sicher, ich will diesen Mann wiedersehen. Ich möchte herausbekommen, warum er mich so dermaßen aus der Fassung bringt.

      Langsam gehe ich zurück ins Wohnzimmer, wo Großvater nachdenklich an seinem Wein nippt. Die Präsenz von Monsieur Polignac hängt immer noch in der Luft.

      «Ich kenne solche Menschen von früher, Trish. Sie sind jung, dynamisch, haben immer ein Lächeln auf den Lippen, sind freundlich und hilfsbereit. Aber wenn du das Gefühl hast, du könntest ihnen bedingungslos vertrauen, dann sollten alle Alarmglocken klingeln. Dann ist etwas faul. Die Frage ist also, was ist faul an diesem Monsieur Polignac?»

      Großvater hat ja manchmal eine so optimistische Art.

      «Wenn ich es herausfinde, dann sage ich es dir, Großvater», meine ich, schenke mir noch etwas Wein ein und proste Großvater zu.

      Ich stehe vor einem Mann, der mir vage bekannt vorkommt, kenne ich ihn? Aber irgendwie ist das egal, dieser Mann sieht einfach nur toll aus. Er sieht mich an, in seinem Blick liegt etwas, ich bin mir nicht sicher, was es ist. Er hat eine Präsenz, die mir den Atem verschlägt. Ich sehe volle Lippen und als ich sie mit meinen eigenen Lippen berühre, sind sie genauso weich, wie ich mir das vorgestellt habe. Der Kuss wird immer inniger und heißer. Feuer fließt durch meinen Körper. Ich liege in den Armen des Mannes, er hat nichts an, aber eine weiße, ebenmäßige Haut, die mich berührt und sich wunderbar anfühlt. Er umfängt mich, streichelt mich. Plötzlich wird mir klar, dass ich nackt bin. Die Hände des Mannes streicheln meinen Rücken entlang. Etwas durchströmt mich, das mich verkrampfen lässt. Mein Atem stockt als sich die Hände auf meine Brüste legen, voll Verlangen biege ich meinen Rücken durch.

      In diesem Augenblick wache ich auf. Verwirrt schaue ich mich nach dem Mann um, aber das Bild von Monsieur Polignac verschwindet schnell. Mein Bett ist so zerwühlt, als hätte ich die Bewegungen in meinem Traum sehr real durchgeführt. Seufzend sinke ich zurück und versuche, das Bild festzuhalten. Aber vergeblich, ich bin wach geworden, bevor es richtig interessant werden konnte. Davon will ich Chloé und Inès aber lieber nichts erzählen, schließlich sind das meine Träume und da kann ich machen, was ich will.

      Ein Blick auf die Uhr zeigt mir, dass der Tag schon angebrochen ist. Es ist Wochenende und zudem auch noch der Tag vor dem Frühlingsfest. Das Frühlingsfest ist eigentlich noch schöner als das Weinfest ein paar Monate später, denn auf dem Weinfest sind wir als Produzenten gezwungen, einen Stand aufzubauen und unseren Wein anzubieten. Das ist für die anderen eine angenehme Abwechslung, aber für uns ist es eigentlich hauptsächlich Arbeit.

      Natürlich ist das Frühlingsfest auch nicht ganz ohne Bezug zu unserem Weingut, es ist praktisch Pflicht, sich dort sehen zu lassen und sich mit den anderen Leuten aus der Gegend auszutauschen, seien es nun Bauern oder Weinhändler oder eben Winzer. Aber dieser offizielle Teil geht nur bis etwa zehn Uhr abends und danach ist Spiel und Tanz angesagt, was natürlich nichts für die Honoratioren ist. Dann treffen sich die jungen Leute und ich liebe diesen Teil.

      Vor drei Jahren habe ich einen Tanzkurs besucht, wo ich meine Begeisterung entdeckt habe, mich zu Musik zu bewegen. Wenn da bloß nicht die Jungs wären. Mein Tanzpartner auf dem Abschlussball war so schrecklich ungeschickt, dass ich ihm danach die kalte Schulter gezeigt habe. Seitdem bin ich auf der Suche nach jemanden, der sich halbwegs gut bewegen kann, ich bin aber noch nicht fündig geworden. Nun, vielleicht ergibt sich ja dieses Jahr etwas, aber viel Hoffnung habe ich nicht. Die guten Tänzer, die ich kenne, sind mittlerweile in festen Händen.

      Doch am Vormittag steht erst einmal Morelle auf dem Programm. Ich komme so selten dazu auszureiten, dass ich mich richtig auf die paar Gelegenheiten freue. Deshalb stehe ich schnell auf und gehe ins Bad, um danach zu schauen, ob Catherine das Frühstück schon fertig hat. Ich bin recht früh dran, also helfe ich ihr einfach, alles zurecht zu machen und den Tisch zu decken, bevor Großvater herunterkommt. Nach dem Frühstück plaudere ich noch ein wenig mit ihm, räume dann mein Zimmer auf und mache mich anschließend auf den Weg zu unseren Nachbarn.

      Zuerst mache ich die Box von Morelle sauber, miste aus und striegle sie. Morelle ist ein sehr ruhiges Tier mit viel Geduld, aber man merkt ihr an, dass sie die Zuwendung von mir sichtlich genießt. Wie es nicht anders sein kann, ist sie auch eine Naschkatze. Sie weiß genau, dass ich immer eine Leckerei für sie dabei habe und auch diesmal enttäusche ich sie nicht. Während ich mich um sie kümmere kommt die Nachbarin in den Stall und wir geraten ins Plaudern. Sie betreibt nicht nur die Pferdezucht und bietet Stellplätze für Pferde an, sondern ist auch noch als Pferdepädagogin ausgebildet und betreut ein paar behinderte Kinder, die durch den Umgang mit den Tieren in ihrer Entwicklung unterstützt werden sollen. Auf diese Weise ist sie ununterbrochen beschäftigt, was aber ganz gut zu ihrem rastlosen Naturell passt.

      Weil eine Unterhaltung mit unserer Nachbarin immer sehr spannend ist, ist es etwas später als ich geplant hatte, bis ich dazu komme, Morelle zu satteln und ein wenig auszureiten. Es gab mal eine Zeit, in der ich überlegt hatte, ob ich Reiten als Sport betreiben soll, aber das habe ich schnell aufgegeben. Dressur ist mir zu langweilig und für Rennen oder Springreiten ist mir Morelle zu schade. Um ein Pferd für so etwas auszubilden, fehlt mir das Temperament und meine Statur ist auch nicht geeignet.

      Also ist reiten nur zu einem geliebten