Thomas M Hoffmann

Blutgefährtin 1


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ich.

      Ich will mehr über diesen beeindruckenden Mann erfahren, eigentlich will ich alles erfahren. Wie alt er ist, ob er eine Freundin hat, ob er mich nett findet, ob – nein, daran sollte ich jetzt nicht denken. Adonis lächelt mich an, ein Lächeln, das mein Herz schon wieder zum rasen bringt. Himmel, ruhig bleiben, Trish.

      «Sie sind gut informiert, Mademoiselle Strong. In der Tat habe ich dieses Anwesen erworben und möchte es zu meiner Zentrale ausbauen.»

      Großvater reicht mir mein Glas und ich benutze die Gelegenheit, um mich von meinen höchst unangebrachten Ideen abzubringen. Das ist ein geschäftliches Treffen. Außerdem sitzt Großvater neben mir, was soll er denn von mir denken? Ich nehme das Glas entgegen, proste Adonis zu und nehme einen Schluck. Der Geschmack des Weines füllt meinen Mund, mit voller Absicht konzentriere ich mich auf das Bouquet. Die Normalität dieser Sinneseindrücke beruhigt mich. Adonis macht es mir nach und trinkt ebenfalls einen Schluck. Ich muss unbedingt anfangen, von ihm als Monsieur Polignac zu denken, sonst verplappere ich mich noch. Das wäre eine Katastrophe.

      Wo waren wir? Ach ja, das Chateau, das er gekauft hat.

      «Das muss ja eine Stange Geld gekostet haben.»

      Monsieur Polignac lacht.

      «Ja, ich hatte ein paar kleine Rücklagen, die ich dafür verwenden konnte.»

      Kleine Rücklagen, soso. Das Anwesen ist sicherlich mehrere Millionen Euro wert.

      «Polignac ist alter französischer Adel, nicht wahr?»

      «Alter verarmter Adel, wie ich betonen möchte. Aber woher wissen sie das? Die meisten Franzosen sind sich dessen nicht mehr bewusst.»

      «Unser Geschichtslehrer hat ziemlich auf den typischen Adelsnamen herumgeritten, als wir die Revolution durchgenommen haben.»

      «Sehr gut. Einer meiner Vorfahren stammt sogar aus der Gegend hier, aber die meisten Aufzeichnungen sind im Verlauf der Jahre verloren gegangen. Doch wie kommen Amerikaner wie sie dazu, hier in der Provence Wein anzubauen?»

      Ich bedeute Großvater, diesen Part zu übernehmen. Nicht dass ich die Geschichte nicht auch erzählen könnte, aber ich fühle mich besser, Monsieur Polignac im Stillen zu bewundern. Ich muss nur aufpassen, nicht wieder in absurde Träumereien zu verfallen. Ich hätte wirklich nie gedacht, dass mich ein Mann dermaßen aus der Bahn werfen könnte.

      «Wir haben dieses Weingut vor ein paar Jahren geerbt», erzählt Großvater, «wir wussten gar nicht, dass wir hier Verwandte hatten. Aber dann kam die plötzliche Nachricht, dass der Vorbesitzer verstorben und wir die nächsten Verwandten sind. Ich war eigentlich in der Bankbranche tätig, habe die Gelegenheit dann aber genutzt, um zusammen mit meiner Frau und Trish hier ein neues Leben aufzubauen.»

      Monsieur Polignac hebt sein Glas.

      «Und sehr erfolgreich, wie ich denke. Es ist gut, wenn diese alteingesessenen Regionen immer mal wieder jemanden abbekommen, der neuen Schwung in den Weinanbau bringt.»

      Großvater hebt die Hände.

      «Sie schmeicheln mir, Monsieur Polignac. Wir stehen noch ziemlich am Anfang.»

      «Ein guter Anfang.»

      «Aber sie sind wohl auch einer von denen, die neuen Schwung in die Gegend hinein bringen wollen. Ich vermute, dass das etwas mit ihrem Besuch zu tun hat.»

      Wieder lächelt Monsieur Polignac, Junge hat der Charme. Ob Großvater das auch merkt?

      «Das ist tatsächlich so. Ich möchte allen Weinbauern der Gegend einen Handelsvertrag anbieten, der ihnen fünf Prozent mehr Einkünfte garantiert, als sie über ihre bisherigen Händler erzielen können.»

      Großvater zieht die Augenbrauen in die Höhe. Auch ich merke auf, wie will er das denn erreichen?

      «Sie wissen doch sicher, dass der Markt mit Wein ziemlich gesättigt ist. Inzwischen tummeln sich ja auch die Amerikaner, Südafrikaner und Australier mit großen Mengen in Europa, was die Margen auch gerade der französischen Produktion ziemlich unter Druck gesetzt hat. Wie wollen sie diese Garantie erfüllen?»

      «Indem ich die Kundenbasis vergrößere und Direktmarketing mache. Statt über die normalen Vertriebswege mit bis zu fünf Zwischenhändlern, möchte ich über das Internet gehen. Dadurch kann man dann auch Kunden außerhalb Europas erreichen.»

      Wieder zieht Großvater die Augenbrauen hoch und blickt zu mir. Er ist diesem Medium gegenüber recht skeptisch eingestellt, obwohl er sich aus seiner Bankerzeit ganz gut damit auskennt. Ich bin da eigentlich aufgeschlossen, aber diese Idee des Monsieur Polignac halte ich für etwas zu wenig durchdacht.

      «Die Leute bevorzugen aber die klassischen Vertriebswege», schalte ich mich ein, «normalerweise möchte man eine Flasche Wein in der Hand halten, seine Farbe und das Etikett kontrollieren, bevor man sich für einen Kauf entscheidet.»

      «Durchaus richtig, Mademoiselle Strong. Aber ich denke, dass das geändert werden kann, wenn man über ein Internetportal besondere Vorteile anbietet. Meine Ideen reichen von dem kostenlosen Versand von Probefläschchen über eine großzügige Rückgabe-Regelung ungeöffneter Flaschen, bis hin zu einem Bewertungsforum, in dem Weine beurteilt werden können. Der entscheidende Punkt ist es, sich einen guten Ruf zu erarbeiten.»

      Er erzählt in einer Art und Weise von seiner Idee, dass ich merke, dass er vollkommen überzeugt davon ist, dass es klappen wird. Seine grünen Augen leuchten regelrecht und er unterstreicht seine Ausführungen mit knappen Handbewegungen. Dabei strahlt er einen Optimismus aus, der mich beeindruckt. Na ja, noch mehr beeindruckt. Mir läuft schon wieder ein Schauder über den Rücken, weil Monsieur Polignac so charmant lächelt. Ich brauche einen Moment, um mich von diesen grünen Augen loszureißen.

      «Und in welcher Zeit hoffen sie, diesen guten Ruf zu erreichen?»

      «Nun, ein paar Jahre wird es schon dauern. Aber ich möchte die Risiken nicht auf meine Lieferanten abwälzen. Sie erhalten garantierte Abnahmen zu garantiertem Preis, ich kümmere mich um den Rest.»

      Mit der Schulter zuckend schaue ich zu Großvater. Unter solchen Bedingungen kann es uns sogar egal sein, wenn er all den Wein selbst trinkt, solange ihm das Geld nicht ausgeht. Großvater übernimmt die Unterhaltung wieder und fragt nach Details der Geschäftsidee. Das gibt mir Gelegenheit, die Art und Weise zu bewundern, wie Monsieur Polignac die Unterhaltung führt. Sein Gesichtsausdruck ist freundlich, seine Mimik lebhaft. Ich muss schon wieder ein Seufzen unterdrücken.

      Irgendwie kenne ich mich selber nicht mehr. Klar habe ich mal für den einen oder anderen Popstar geschwärmt, aber eigentlich dachte ich, ich wäre aus dem Alter raus. Das hier ist ein realer Mann, jemand, mit dem man persönlich reden kann. Vielleicht ist er ja gar nicht so nett, wie er aussieht.

      Ich versuche, mir Monsieur Polignac als reißendes Tier vorzustellen, das Furcht verbreitet, Frauen zum Kreischen bringt und in der Presse mit riesigen Lettern als Gefahr dargestellt wird. Beinahe muss ich kichern. Hastig unterdrücke ich diesen Drang. So etwas geht ja gar nicht, Trish die knallharte Geschäftsfrau kichert wie eine Zwölfjährige. Aber sich Monsieur Polignac als Tier vorzustellen, ist gar nicht so schwer. Wenn ich ihn mir so ansehe, dann kommt mir ein Bild in den Sinn, eine sanfte Katze. Ein schnurrender Kater, der sich an einen schmiegt, einem die Beine streichelt, der ein seidiges Fell hat und den man streicheln und an seinen Körper pressen … Trish!!

      Verdammt, Monsieur Polignac schaut mich so durchdringend an. Ich hoffe sehnlichst, er kann keine Gedanken lesen.

      Großvaters Fragen scheint er jedenfalls alle beantwortet zu haben, auch wenn ich das nicht mitbekommen habe, weil ich irgendwie, na ja, irgendwie mit etwas anderem beschäftigt war. Ich darf mich wirklich nicht so ablenken lassen. Monsieur Polignac schaut wieder auf Großvater und zieht ein Papier aus seiner Tasche, das verdächtig nach einem Vertrag aussieht.

      «Ich habe hier einen Vertrag vorbereitet, den ich gerne ab Herbst in Kraft treten lassen würde, wenn die neue Produktion auf den Markt kommt. Ich würde mich freuen, wenn wir miteinander ins Geschäft