Alexander-René Grahovac

Zip und Zap auf großer Fahrt


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sein müssen, aber das schaffe ich ja nun nicht mehr.“

      „Aber du wolltest mir doch vom Nordatlantik und vom Südpol erzählen“, Zap war ganz entsetzt, daß Südhalbkugel schon wieder weg wollte. „Jau, hätte ich fast vergessen, aber das ist schnell erzählt.“ Er nahm den kleinen Zap in seinen riesigen Flügel und hielt ihn sich vors Gesicht: „Hör gut zu, kleiner Zap, den großen Teich zu überqueren ist kein Kunststück, ich mache locker mal 1000, 1500, 1900 Kilometer am Tag, je nach Windlage und man muß kein großer Albatros sein, um das zu schaffen.“

      Er schüttelte sich ein dicke Stallspinne vom Flügel. „Rückenwind ist die halbe Miete, sagen wir, du machst in stiller Luft maximal 40 km/h, schnapp dir einen Rückenwind mit 100 km/h und wieviel sind das dann??????“

      Zap rechnete schnell: „40 plus 100, hej, das sind ja Hundertfünfzig.“ „Na gut“, sagte Südhalbkugel, „Hundertfünfzig und ich denke, das wird für dich kein Problem sein, flieg einfach los!!“

      Zap hing förmlich an seinem Schnabel: „Und, uuund, wie kann ich das schaffen?“ „Zack“, sagte der riesige Vogel, ... „Ich heiße Zap!“ „Okay, Zap, entschuldige, also einfach nach Westen und so hoch wie möglich, da hast du immer die Chance, einen Schiebewind zu erwischen.“

      Zap hörte aufmerksam zu, ja, er sah die Bilder vor sich, Schiebewind, die Wellen des Atlantiks, die Inseln mitten im Meer. „Tja und dann kommst du irgendwann zu den Azoren, schöne grüne Inseln, aber wenig Futter für Spatzen, schätze ich.“ Südhalbkugel griff nach seiner Ledertasche. „Laß die Sonne immer im Süden und flieg immer nach Westen, dann kann dir nichts passieren!“ „Wie machst du das?“ fragte Zap. „Gott, wie mache ich das, ich bin ein Wander-Albatros, ich kann tagelang, ja wochenlang in der Luft bleiben, meistens segele ich, das kannst du natürlich mit deinen kleinen Flügeln kaum. Ich kann meine Flügel sozusagen einrasten und muß nur alle ein, zwei Stunden mal einen Flügelschlag tun, und so kann ich wirklich ganz lange in der Luft bleiben und auf dem Sturm reiten. Wenn ich wirklich müde werde, dann gehe ich runter aufs Wasser und lasse mich treiben, schlafe ein wenig. Eine Fischmahlzeit gibt es immer irgendwo. Manchmal schmeißen die Seeleute ja auch etwas außenbords, das reicht dann für ein paar Tage. Hauptsache ist, unterwegs zu sein!!“ „Wie ist das auf dem Atlantik?“ fragte Zap. „Schön, einfach schön - am schönsten ist es natürlich im Südatlantik, in den Brüllenden Vierzigern.“ In Südhalbkugels Augen spiegelte sich förmlich die unendliche Weite des Ozeans. Die brüllenden Vierziger, damit sind die Südbreiten um die 40 Grad bis 50 Grad Süd im Südatlantik gemeint. Schon gefürchtet bei den Kap-Hoorn-Seglern auf ihrem Weg nach Chile, an die Salpeterküste. Dort unten, in den rouring fourties türmen sich manchmal die Wellen bis auf 25 Meter auf „Manchmal stürmt es ganz ordentlich und der Wind bläst so stark, daß man kaum vom Fleck kommt.“ „Was machst du dann?“ Zap sah ihn gespannt an. „Na ja, wenn es zu arg wird, setzte ich mich aufs Wasser und lasse mich treiben, oder ich fliege einfach MIT dem Wind einmal um die Erde!“ „Und hast du keine Angst vor den hohen Wellen?“ „Ein Wander-Albatros hat niemals Angst, und du kleiner Spatz sollest auch niemals Angst haben!“ „Ich habe keine Angst, aber ein paar mehr Einzelheiten könntest du mir schon sagen …, zum Beispiel, wo lande ich, wenn ich müde bin? Ich bin ein Spatz, ich schaffe keine 900 Kilometer am Tag!“ Südhalbkugel sah Zap nachdenklich an, rieb sich die Stirn mit seiner Flügelspitze: „Hast Recht, hast Recht, gar nicht drüber nachgedacht.“ Zap schaute ihn erwartungsvoll an. „Mmmhhm, mmhm, tja, hmmhm, Südwestkurs, bis 45 Grad westliche Länge, na ja, könnte gehen, Schiffe, tja oder besser … Wale?“ Zap tänzelte hin und her, Südhalbkugel ließ sich Zeit …: „Zap, du mußt jede Gelegenheit zum Ausruhen wahrnehmen, es gibt einige Inseln im Ozean, auch unentdeckte, und große Felder schwimmenden Seetangs, Treibholz und vor allem gibt es Schiffe auf dem Atlantik, da landest du einfach und ruhst dich ein paar Tage aus. Meistens findest du auch noch ein paar Körner oder Brotkrumen und Seeleute sind allgemein bekannt für ihre Tierliebe und ihre Großzügigkeit!“ Südhalbkugel rieb sich wieder das Kinn: „Ach ja, und du mußt auf die Haie aufpassen, das sind ganz üble Brüder, ehe du einmal mit den Flügeln schlagen kannst, haben sie dich gefressen!“ „Woran erkenne ich einen Hai?“ „Ganz einfach, Zap, die sehen furchterregend aus und haben gewaltig viele Zähne im Maul und vor allem: die dreieckige Rückenflosse! Grau-blau sind sie, fürchterlich verfressen, manchmal fressen sie sich selber auf.“ Der große Albatros erzählte und erzählte, alles was er wußte über Navigation, astronomische sowie terrestrische, den Ozean, die Inseln, die Wolken, den Wind und das Wetter. Die Gefahren der See, die Weite des Ozeans, er erzählte über den wunderbaren Sternenhimmel und die unendliche Freiheit auf See. Die phantastischen Wolkengebirge, den stetigen Wind, der eigentlich immer irgendwie wehte, aus welcher Richtung auch immer.

      Zaps Augen glänzten, er sah es vor sich, die gewaltigen Wolkenberge, den weiten Ozean, die Inseln darin, die Schiffe, die freundlichen Seeleute, den schwimmenden Seetang, von dem er sich wieder nach einer ausgedehnten Ruhepause erhob, die Flügel frisch gestählt und auf, auf und hinweg, immer nach Westen, gegen die gefährlichen Haie kämpfend und immer mit dem Wind nach Westen …! Entgegen seiner ursprünglichen Absicht blieb Südhalbkugel volle zwölf Tage bei Spatzens. Der vierte Tag! Südhalbkugel war etwas eingenickt, die für ihn ungewohnte Wärme ließ ihn schläfrig werden. Am Abend hatte er schon ein paar Mal versucht, Zap zu sagen, daß er nun langsam los müsse! Aber Zap hatte ihn immer wieder gelöchert und gefragt und irgendwie erkannte Südhalbkugel, daß Zap es wohl ernst meinte. So blieb der große Albatros noch beinahe eine ganze Woche bei Spatzens im warmen Nest über dem Stall – und so ganz unwohl war ihm dabei nicht. Er leerte zusammen mit Gustav die eine oder andere Flache Spatzenbräu, wobei, wenn Südhalbkugel den ersten Schluck nahm, meist nicht viel übrig blieb für Gustav. Gustav hatte sich jedoch vorsorglich in dem kleinen Spatzenladen unten an der Beeke mit reichlich Spatzenbräu eingedeckt - Lieferung frei Nest durch zwei frierende Transportamseln, die etwas beleidigt das Trinkgeld - zwei getrocknete Libellenflügelspitzen - entgegennahmen. Mutter Genofefa tat ihr bestes, das eine oder andere Mahl zuzubereiten. Ein neuer Schneesturm kam auf und man kuschelte sich im Nest aneinander. Südhalbkugel erzählte. Von der weiten Welt und wie wunderschön es war, sich einfach um den Globus treiben zu lassen, allenthalben alte Freunde wiederzutreffen. Zap konnte gar nicht genug bekommen, er sog alles in sich auf. Der 12. Tag: Der Albatros war sichtlich unruhig geworden. Es war schon um die Mittagszeit, der Schneesturm hatte für einen Moment ein ganz klein wenig nachgelassen, als Südhalbkugel erwachte. Er schaute auf seine große Flügelbanduhr: „Gott, schon so spät, jetzt muß ich aber los!“ Er schüttelte Gustav die Flügelspitze, umflügelte (umarmte) Genofefa, die ein klein wenig schluchzte. Dann nahm er Zap noch einmal in den Flügel: „Zap, mein Kleiner, sieh zu, daß du dich auf die große Reise machst, es gibt nichts Schöneres.“ Er strich sich mit beiden Flügeln die Kopffedern glatt. „Leute, macht’s gut, bleibt gesund und laßt euch nicht vom Sperber holen!“ Gustav hatte, mühsam sich gegen die schweren Tore stemmend, die der Wind unbedingt zuhalten wollte, endlich die eine Hälfte des Tores aufbekommen. Südhalbkugel schwang sich auf das große Brett, breitete seine riesigen Flügel aus, zog noch einmal den nun leeren Rucksack fest und erhob sich mit einem einzigen Flügelschlag in den winterlichen Himmel. Nach drei Flügelschlägen hatte ihn der Schneesturm verschluckt. „Ein toller Kerl“, murmelzwitscherte Gustav und ließ den Wind das Tor zuschlagen. Es war still geworden im Nest auf dem großen Balken über dem Stall der Gnadenbrotliese. Der Nachmittag kam, es wurde dunkel, Spatzens saßen um den Kaffeetisch, Zap knabberte lustlos an einem kalifornischen Maiskorn, Mutter Genofefa schlief in ihrem Strohsessel ein und Gustav dämmerte vor sich hin. Bauer Alwin hatte am Nachmittag die Tücher und Leinwände etwas bewegt und so stieg wieder wärmere Stalluft auf ins Nest. Der Abend kam, der Sturmwind rüttelte an den Toren und Fenstern und pfiff hier und da durch den Stall. Wo mochte Südhalbkugel nun sein, dort oben, in dem eisigen Sturm, das hakenverschnabelte Gesicht trotzig, mutig in Flugrichtung gereckt, sich ab und zu die Schneeflocken aus den Augen wischend. „Ein toller Kerl“, dachte Zap, „und bald bin ich auch ein toller Kerl!“

      Winter und Frühling auf der Geest

      Der Winter ging dahin, windstille Tage voller eisiger Kälte. Zip und Zap trafen sich, wann immer sie konnten. Sie flogen über das tief verschneite