Alexander-René Grahovac

Zip und Zap auf großer Fahrt


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auf ihrem Weg nach Westen öfter runter und Pause machen. Der Westwind hatte aufgefrischt und vergeblich hatten sie versucht, eine Ostströmung zu erwischen.

      Die Sonne war schon fast auf dem Gipfel ihres Tagesberges im Süden geklettert und schickte sich langsam an, auf ihre lange Reise zu gehen, in ihr kühles Bett im großen Ozean. Zip und Zap waren schon müde und etwas mutlos geworden, als sie endlich in 2000 Fuß Höhe - für Spatzen schon eine ordentliche Höhe, nämlich eben über 600 Meter - einen Schiebewind fanden, der sie rasch nach Westen schob. Und da war es: das Meer, der Ozean. Unmerklich hatte sich das Grün der Wälder, das Braun der frisch gepflügten Äcker in ein sanftes, schillerndes, diesiges Blau verwandelt ohne Grenze oder Konturen.

      „ZIIIIIPPP, Ziiiip!“ schriezwitscherte Zap, „Ziiippp, das Meer, das Meer!!“

      „Meinst du nicht“, Zip war etwas atemlos, „meinst du nicht, wir sollten noch mal irgendwo Rast machen, Zap?“ Sie flogen noch eine Weile nach Süden, bis sie eine große, eine riesengroße Stadt unter sich sahen.

      Seit sie Cazares-sur-l’Adour verlassen hatten, so hieß der Ort, in dem sie so herzliche französische Gastfreundschaft genossen hatten, waren sie Generalrichtung Süd-Südwest zu Süd geflogen, so wie Jean-Pierre es ihnen gesagt hatte und tatsächlich nach knapp 100 Kilometern, die sie Dank des doch noch gefundenen Schiebewindes schnell zurückgelegt hatten, erreichten sie das riesige Seebad Biarritz. Und da sie nun wirklich nagenden Hunger hatten und vor dem weiten Flug über den großen Ozean noch eine Pause brauchten, landeten sie irgendwo in der Vorstadt, in einem verwilderten Garten. Es dauerte eine Weile, bis sie etwas Eßbares fanden. Ein paar kleine, fleißige Käfer entwischten ihnen, ein Maulwurf warf ihnen mit einer seiner kräftigen Schaufeln eine Ladung Erde ins Gefieder. Es fand sich etwas Abfall, eine leere Nudelpackung, in der noch ein paar Grießnudeln waren, eine fast verrottete Bratwurst, die wohl ein Hund für schlechte Zeiten verbuddelt hatte. Besser als nichts, ein Spatz ist nicht wählerisch.

      Die Sonne stand nun im Süden und Zip und Zap machten sich auf. Sie ließen die große, laute Stadt im Süden und flogen auf das Meer hinaus. Sie waren nun schon mehr als 1300 Kilometer von der heimatlichen Geest entfernt und die Tage waren wie im Fluge vergangen …! Und jetzt lag das große, das unendliche Meer vor ihnen.

      Wie hatte Südhalbkugel gesagt: „Navigation ist ganz einfach: Die Erde dreht sich einmal in 24 Stunden um sich selbst, sie liegt mit einem Achsenwinkel von 23,5 Grad im Weltraum. Im Idealfall geht die Sonne im Osten auf und im Westen unter, aber das paßt nicht immer ganz genau, je nach Jahreszeit. Seid ihr im Norden, kulminiert sie im Süden. Das heißt, wenn ihr tagsüber nach Westen fliegt, muß die Sonne auf der Backbordseite sein …“ „Was ist das, BACKBORD??“ fragte Zap, den riesigen Albatros verständnislos anschauend … „Backbord ist links, Steuerbord ist rechts. Also wandert die Sonne im Tagesverlauf von Ost über Süd nach West, da kannst du gar nichts falsch machen!! Zumindest auf der Nordhalbkugel.“

      Zap hatte schon verstanden. „Zip, laß uns ein wenig mehr nach Backbord halten.“ „Jau, Backbord“, antwortete Zip, die die navigatorische Planung Zap völlig überlassen hatte. Ein guter Wind schob sie immer weiter nach Westen, nach Südwesten auf den Golf von Biskaya hinaus. Durch einen Aufgleitvorgang mit einer starken Ostströmung waren sie schon fast 4000 Fuß hoch, so hoch, wie noch nie. Die Küste war hinter ihnen verschwunden, der Himmel war blau und das Meer war blau. Sie mußten sich nicht groß anstrengen, um vorwärts zu kommen und das Segeln ging tatsächlich ganz gut, auch wenn ihre kleinen Flügel dafür eigentlich nicht gebaut waren.

      Meer und Horizont waren miteinander verschmolzen, Land war nicht mehr zu sehen und so verging Stunde um Stunde. Die Sonne wanderte über den Himmel nach Westen und färbte sich langsam rot. Aus dem blauroten Dunst schälte sich im Süden langsam eine Küste. Zip und Zap änderten den Kurs und hielten nun wieder mehr nach Süden auf das im Dunst liegende Land zu.

      Die Sonne versank in einem rotblauvioletten Feuerwerk in der See und der Wind, der sie bislang so schön geschoben hatte, war fast schlagartig weg. Zip und Zap mußten sich anstrengen und die kleinen Flügel ordentlich flattern lassen, um die kaum fünf Kilometer entfernte Küste zu erreichen. Endlich hatten sie es geschafft. Sie landeten elegant auf den steilen Klippen. Ein unwirtlicher Ort, überall saßen große Möwen, mit scharfen Schnäbeln und vermeintlich bösen Augen, die sich drohend aufrichteten, wenn Zip und Zap vorsichtig über die spitzen Steine kletterten und vielleicht einem der Möwennester etwas zu nahe kamen. Es wurde rasch dunkel, sehr dunkel, man konnte keinen Flügel mehr vor Augen sehen. Schließlich setzten sich die beiden in eine kleine, etwas streng riechende Felsnische. „Wir müssen hier übernachten, Zip, und wenn es hell wird, nichts wie weg.“ Zap nahm Zip schützend in den Flügel und so schliefen sie erschöpft von der langen Reise endlich ein. Im Einschlafen hörten sie die schnarrenden Geräusche der ringsum in ihren Nestern sitzenden Möwen. Ihre kleinen Mägen knurrten sie in den Schlaf. Was für ein Tag lag hinter ihnen, das Meer, der Ozean, endlich. Nun eigentlich würde die Reise erst richtig beginnen. Das weite, blaue Meer, der unendlich blaue Himmel. Während des langen Fluges über das Wasser überkam Zap manchmal ein Gefühl der Panik: „Oh Gott, was mache ich hier eigentlich? Warum bin ich nicht in meinem schönen Nest oder besser auf der Birke am Teich mit dem Haus und den Hunden?“

      Aber dann fing er sich wieder, schaute auf den dunstigblauen Horizont, betrachtete die neben ihm segelnde Zip, die so viel Vertrauen zu ihm hatte …! „Ach was! Auf nach Amerika, schließlich bin ich ein Spatz, der mutigste Spatz auf der Norhalbkugel!!!!“

      Zap erwachte von einem markerschütternden Spatzengezwitscher. Zip stand mit aufgerichteten Kopffedern und starrte und schimpfte einen riesengroßen Schatten an. Eine gewaltige Lachmöwe, die ihren schokoladenbraunen Kopf in das kleine Felsloch steckte und durchdringend lachte, schimpfte, fluchte?

      „Que tu queires aqiu, oje? De donde usted? Was seid ihr denn für welche? Was macht ihr in meinem Klo?“

      Ihr scharfer, spitzer Schnabel deutete auf den nun hellwachen Zap. „Ich, ich“, stotterte Zap, „ich wußte nicht, daß dies dein Klo ist.“ „Schon gut, schon gut“, sagte die Möwe einen Ton versöhnlicher angesichts der kleinen, fröstelnden Vögel. „Ihr habt euch wohl verirrt!“

      „Nein“, sagte Zip, „wir sind auf dem Weg nach Amerika und haben hier nur übernachtet, tut uns leid, wir sind schon weg!“

      „He, tranquilo, tranquilo, Querida, nach Amerika wollt ihr?“ Die Möwe schaute sie ungläubig an. „Na, dann kommt mal mit“, sie drehte sich um und watschelte voran, „kommt, kommt, keine Angst.“ Zip und Zap kletterten aus dem Möwenklo und hüpften hinter der großen Möwe her. „Ihr habt doch sicher Hunger? Übrigens mi nombre es Esmeralda, yo soy una gaviota Espanol.“ Esmeralda zottelte ein weißlich, gelbschleimiges Etwas aus der Abseite ihres Nestes. Es roch stark nach Fisch und sah nicht gerade appetitlich aus. „Was ist das?“ fragte Zap. „Fischdärme, gut abgelagert!“ … und es schmeckte vorzüglich!! „Und ihr wollt wirklich nach Amerika?? Seid ihr da nicht ein wenig zu klein, äh, ich meine, also, wie soll ich sagen …?“ Sie wiegte ihren Schokokopf hin und her und betrachtete die beiden kleinen, vor ihr stehenden Spatzen, die sich den Fischdarmsaft von den Schnäbeln wischten, ein wenig skeptisch. „Wo kommt ihr noch mal her?“ „Von der Geest, aus Norddeutschland … also aus … von zu Hause ...!“ Zap war etwas unsicher, Esmeralda sah auch nicht gerade sehr freundlich aus mit ihrem scharfen Lidstrich, den gelben Augen und dem wohl geschärften, noch gelberen Schnabel! „Soso, von der Geest, ich glaub, da war ich schon mal, kann das sein? Spiekeroog oder so?“ Esmeralda zerrte noch ein paar kleine Fischdarmstücke aus ihrem großen Vorratstrog und legte sie vor Zip und Zap ab. „Darf ich mir was davon in meinen Rucksack packen?“ fragte Zip zur großen Möwe aufblickend, „für unterwegs?“ „Na klar, Zip, soviel du willst, ich habe jede Menge Fischdärme in meiner Vorratshöhle!“

      Durch den starken Fischdarmgeruch kamen ein paar kräftige, halbwüchsige Möwen herangeflogen, landeten vor Esmeraldas Nest und einer von ihnen - es waren durch die Bank freche Jungmöwenmänner - riß Zap das Fischdarmstückchen aus dem Schnabel, Zap flog wütend auf und landete mit vorgestreckten Krallen im Gesicht des bösen Möwerichs. „Mach das nicht noch mal, ich bin zwar nur ein Spatz, aber niemand nimmt mir mein Futter weg!“ „Was