Alexander-René Grahovac

Zip und Zap auf großer Fahrt


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dieser Höhe war auch nicht zu denken. Auch Zip begann, ein wenig zu frieren. Nach einer Weile sagte Zap: „Ich glaube, so hoch war noch nie ein Spatz.“ Wenn er das eine Auge etwas zukniff, vermeinte er, schon die Rundung der Erde erkennen zu können. Sie waren in der Tat schon sehr, sehr hoch, die Luft wurde langsam dünner und Zip bemerkte, wie sich Eis an ihren Flügelspitzen bildete. Sie spürten allerdings nicht, daß der Wind immer stärker wurde und daß sie mit weit über 100 Stundenkilometern, dem Spatzenjetstream, - oder english correct „the sparrows jetstream“ - nach Westen rasten.

      Die Sonne beeilte sich, in ihr kühles Nachtlager im Atlantik zu entrinnen, was man ja auch verstehen kann, glüh’ mal den ganzen Tag, da freut man sich doch auf das nächtlich kühle Bett …! Langsam versank sie im Westen, der Himmel erglühte in einem furiosen Feuerwerk aus allen nur denkbaren Rot-, Blau- und Violetttönen. Der eisiger wehende Wind und unsere kleinen, mutigen Spatzen mitten drin, nicht im Entferntesten ahnend, worauf sie sich eingelassen hatten. Es wurde Nacht, Zip und Zap flogen ganz eng aneinander gedrängt, Zaps Nase triefte schon und Zip zitterte vor Kälte. Irgendwie nahmen sie kaum noch wahr, was um sie herum geschah. Mit einem Mal, gegen Morgen, es wurde im Osten schon ganz zaghaft heller, sahen sie im noch dunklen Westen den Sternenhimmel in seiner ganzen Pracht. Die hohen Schleierwolken hatten sich verzogen. Es wurde stiller, ganz hoch im Himmel zog ein Flugzeug seine Bahn, unter ihnen war nur die Schwärze des nächtlichen Wassers, nur eben geahnt.

      Sie waren ein wenig müde, aber eigentlich nur gewohnheitsmäßig, hatte der starke Ostwind ihnen doch die meiste Arbeit abgenommen. Es wurde Tag, die Sonne ging hinter ihnen in aller Pracht auf und sie sahen den riesigen Ozean unter sich. Weit und breit kein Land, keine Insel, und ihnen wurde jetzt zum ersten Mal bang ums Herz. Der Wind hatte nachgelassen und sie verloren langsam an Höhe. Sie mussten immer mehr Flügelarbeit leisten, um Höhe zu halten. Sie flogen noch mühsam, sehr, sehr mühsam einige Stunden weiter nach Westen. Sie waren nun schon mehr als 20 Stunden in der Luft, ein einsamer Rekord für Spatzen.

      „Zap, Zap, ich kann nicht mehr, ich muß mich ausruhen.“ „Ruhig, nur ruhig, Zip!“

      Zap war gar nicht wohl ums Herz. Weit und breit kein Landeplatz, nur Wasser, unendlich viel Wasser. Was jetzt? Sie flogen weiter, was hätten sie auch tun sollen? Im Wasser landen? Dafür sind Spatzen nicht konstruiert, sie halten es im Wasser nicht lange aus.

      Das Spatzengefieder ist nicht so wohlgefettet wie bei einer Ente oder gar einer Möwe, von einem Albatros ganz zu schweigen, der tagelang bramsig auf dem salzigen Wasser sitzen, und dabei sogar tief und fest schlafen kann - zumindest in haifreien Wassern. Nein, sie würden nach wenigen Minuten elendig absaufen! Und schließlich waren sie ja keine Wasservögel, das hätten sie sich auch verbeten! Was also tun? Sie wurden müder und müder, das Wasser kam näher, spiegelglattes Wasser, spiegelglatte See, das würde eine Glaswasserlandung

       werden …!

      Im letzten, wirklich im allerletzten Moment erspähte Zip ein Brett, ein Holzbrett, was sonst, schwimmt vielleicht ein Steinbrett oder eine Eisenstange? Nein, ein dickes Brett, ein wunderschönes, ausgebleichtes Stück Holz, vielleicht schon seit 100 Jahren im Wasser treibend…! „ZAAAAAAAPPPPP, hiiiiiieeeeerheeeer, hierher!!!“ Zip flog eine Steilkurve und landete punktgenau auf dem Holz. Zap war noch zu schnell, schoß etwas über das Ziel hinaus und landete, pardon, wasserte mit einem lauten PLATSCH im Ozean. Ein paar kräftige Züge und er erklomm das Treibholz. „Was für ein Glück, Zip!“ Zap setzte sich, stützte sich mit einem Flügel ab, erschöpft und glücklich, einen trockenen Landeplatz gefunden zu haben! Zip holte ein paar Körner und getrocknete Mückenlarven aus ihrem Rucksack hervor. Sie aßen und fielen alsbald in einen tiefen festen Schlaf voller süßer Träume, das leise Schwanken des Holzes wiegte sie sanft. Nach einigen Stunden erwachte Zip, es war etwas dunkler geworden und ein wenig Wind war aufgekommen. Das glatte Wasser kräuselte sich. Eine riesige Portugiesische Galeere trieb ganz dicht unter der Wasseroberfläche vorbei, ihre Tentakel streiften um das Stückchen Treibholz, welches für Zip und Zap eine sichere Insel war. Zip stieß Zap in die Seite! Zap war sofort hellwach: „Paß auf, Zip, keine Flügelspitze und keinen Schnabel ins Wasser, jetzt wird’s gefährlich!“ Zap erinnerte sich ganz, ganz genau an Südhalbkugels Worte…. „und hüte dich vor den Portugiesischen Galeeren, das sind ganz fürchterlich gefährliche, giftige Quallen. Der Kopf ist nur 30 Zentimeter lang, aber die giftigen Tentakel können bis zu 50 Meter lang werden. Das Biest ist hochgiftig, sogar, wenn sie gar nicht mehr lebt, fast so giftig wie eine Kobraschlange!!!!“ „Was ist eine Schlagge?“ hatte Zap gefragt. „Gott, du weißt nicht mal was eine Schlange ist?“ Vater Gustav polterte: „Spatz, Zap, Schlange, kennst du doch, unsere Kreuzottern und Rimngelnattern, das sind Schlangen!“ „Klar, Kreuzottern sind Schlaggen, jetzt weiß ich’s!“ hatte Zap gesagt.

      Zip und Zap hüpften auf die Mitte des Treibholzes und verhielten sich ganz still. Sie ließen die Galeere vorbeitreiben, majestätisch, vom nächtens leuchtenden Plankton umgeben.

      Die Sonne stand nun schon ganz tief über dem Horizont und hohe rosa Zirruswolken kündeten vom nächsten Wetter auf dem riesigen, riesigen Teich. „He, Zap, aufwachen!“ Zap erwachte und rieb sich mit seinen Flügelspitzen die Augen. Im ersten Moment wußte er gar nicht wo er war. „Abendbrot!“ rief Zip. Sie hatte einiges aus ihrem Rucksack ausgepackt: köstliche Weizenkörner, noch einen Rest im Rucksack plattgedrückte Schweinekartoffeln von der Geest und einen Schluck Spatzenbräu für jeden. Sie aßen und irgendwann sagte Zip: „Und jetzt Zap, was machen wir jetzt?“

      „Ist doch klar, Zip, morgen fliegen wir weiter, was meinst du denn?“ Sie kuschelten sich aneinander und waren alsbald von dem sich in der aufkommenden Dünung sanft wiegenden Holzbrett in einen tiefen, traumlosen Schlaf geschaukelt. Zip wachte irgendwann auf und sah blaugrün leuchtendes Plankton um das Brett herumschwimmen, sie zupfte Zap an der Flügelspitze: „Schau mal, Zap, was ist das?“ Fasziniert betrachteten die beiden das Schauspiel. Myriaden von kleinen, winzigen, leuchtenden, das Sternenlicht reflektierenden Planktons (Planktonten, ein Liter Seewasser kann mehr als 500 Millionen(!) Planktonlebewesen enthalten.), soweit das Auge reichte, es wimmelte von Leben. Hier draußen im weiten Atlantik, fernab von jeder künstlichen Lichtquelle erschien das Licht der Sterne hell, heller als Tausend Straßenlaternen. Das Plankton widerspiegelte dieses Licht, und es war eine Einheit zwischen den Lebewesen im Wasser des Ozeans und dem ewigen Licht der Sterne. Die Freude zu leben, übertrug sich auf unsere beiden Reisenden, wenn sie sich nicht sowieso schon jede Minute ihres Daseins freuten. Im Wasser waren allerlei Fische zu sehen, in deren großen, schönen Augen (Ja, hat überhaupt mal jemand Fischaugen betrachtet - außer auf dem Teller? Wie sie durch das Wasser und darüber hinaus in den Himmel blicken, klar und voller Lebensfreude?) sich das Leuchten des Planktons spiegelte und die sich neugierig durch die Massen leuchtender Kleinsttiere hindurchbewegten, was diese noch mehr zum Leuchten brachte.

      Ganz benommen von dem Anblick, den sie stundenlang genossen, schliefen sie wieder ein, dicht aneinander gedrängt.

      Der Morgen kam und mit ihm der Wind und der Seegang. Das Wasser platschte über das Holz und riß unsere beiden Spatzen aus ihrem Schlummer. Sie richteten sich auf dem schwankenden Brett auf, reckten die Flügel und hoben ab. Die See steilte sich schon etwas auf, überall waren Schaumkronen zu sehen. Zap brauchte eine Weile, um sich zu orientieren, also wieder nach Westen. Die Sonne war schon drei, vier Flügelbreiten über dem Horizont. Der Wind wehte ihnen entgegen und sie ritten auf ihm immer höher und höher.

      „Laaaand, Land in Sicht!“ Zip war ganz aufgeregt. Und tatsächlich, eben an Backbord (Backbord ist links) war eine große Insel zu sehen. Wie konnte das sein? Doch, das hatte Südhalbkugel ja gesagt: „Da sind Inseln, viele Inseln, dort kannst du dich ausruhen.“ Land, eine Insel. Zaps heimliche, ganz heimliche, kleine, aufkeimende und vor Zip sorgfältig durch strotzenden, trotzenden Optimismus verborgene Verzweifelung fiel von ihm ab wie Staub, den ein Spatz aus den Flügeln schüttelt. Land! Sie hatten es geschafft. Was war das nun für ein Land, dort vorne unter ihnen, schräg an Backbord? (Backbord ist LINKS!!!!) Na klar, na sicher, na selbstverständlich: