T. C. Garver

Im Schatten des Unwissens


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nun über die ganze Lichtung seine Männer zurück. Die Schotten jubelten laut und das war das letzte was sie zu hören kriegten. Der Rauch umhüllte sie erneut und brachte sie zurück in ihr eigenes Jahrhundert. Plötzlich saßen sie wieder an ihrem Tisch im Vertigo. Der Schottenlook war verschwunden, das weite, weiße Leinenhemd und der Hut ebenfalls. Die wütenden Stimmen der Männer, die Todesschreie, die Triumphschreie - alles war weg. Als hätte das soeben erlebte nie stattgefunden. Dabei befanden sie sich noch vor einigen Sekunden in einer gänzlich anderen Zeit, an einem fremden Ort - mit Kräften die unvorstellbar waren. Fassungslos schauten sie sich an. Ihre Körper zitterten. Ihre Augen waren glasig und zeigten einen Hauch von Rausch. Es war ihnen anzusehen, dass ihre Gefühle gerade Achterbahn fuhren. Der Kellner trat an ihren Tisch. Skeptisch blickte er die drei an. „Alles In Ordnung?“ fragte er.

      Mechanisch nickten sie. Dabei war gar nichts in Ordnung. Ganz im Gegenteil!

      „Wollt ihr noch etwas bestellen?“

      Wieder verneinten alle drei, standen auf und verließen schnurstracks die Bar. Sie schwiegen, die ganze Fahrt über.

      Auch zu Hause sagte keine auch nur ein Wort. Mechanisch setzten sie sich auf das Sofa. Kris bereitete Tee zu und drückte jeder von ihnen eine Tasse in die Hand. „Ist das wirklich gerade alles passiert?“, Mona stütze ihren Kopf auf die angezogenen Knie. Lisa machte eine theatralische Kopfbewegung. „Mmh.“

      „Ich glaube das einfach nicht.“, sagte Mona wie zu sich selbst. „Es kommt mir einfach nicht real vor. Die schreienden Stimmen hallen immer noch in meinem Kopf wieder.“

      „Mir klopft das Herz wie wild“, erwiderte Lisa und nahm einen großen Schluck Tee.

      „Mein Körper zittert immer noch. Ich kann es einfach nicht fassen. War das alles echt? Die schreienden Rufe, das Gemetzel, das Jahrhundert? Ich meine, wir Leben im 21. Jahrhundert und kennen diese unrealistischen Geschichten nur aus dem Fernsehen, wie kann das gerade uns passieren und wie soll ich mit dieser Situation fertig werden? Ich habe Angst!“ Lisa kuschelte sich näher an Mona und legte ihr einen Arm auf die Schulter. „Du musst keine Angst haben, uns kann nichts geschehen wenn wir in der Vergangenheit sind. Es ist heute einfach nur zu viel auf einmal passiert und es ist alles so schnell gegangen, um es jetzt in so kurzer Zeit verarbeiten zu können. Morgen wirst du schon ganz anders darüber denken.“

      Mona schaute zu ihr rüber, den Kopf noch immer auf ihre Knie gelehnt. „Hast du denn überhaupt keine Angst?“

      Lisa schien kurz zu überlegen. „Angst ist vielleicht das falsche Wort. Ich bin ein bisschen durch den Wind und sehe das Ganze auch wie - durch einen Schleier. Ich glaube, dass wir erst morgen wissen werden wie wir uns wirklich fühlen.“

      „Ich wünschte ich hätte im Moment auch deine Zuversicht. Aber ich schaff es einfach nicht.“

      „Die wird noch kommen du wirst schon sehen.“ Kraftspendend tätschelte sie Monas Schulter. Ihr Blick glitt zu Kris die komischerweise kein Wort gesagt hatte.

      „Was ist mit dir Kris?“

      Sie zuckte mit den Schultern. „Angst habe ich keine. Ich versuche im Moment eher herauszufinden, wer diese Stimme sein könnte, die so viel Macht hat uns diese Kräfte zu verleihen und wie die Stimme es geschafft hat uns in die Vergangenheit zu schicken. Waren es Ausserirdische? Oder war es Gott? Vielleicht waren es normale Menschen wie wir es sind? Das war echt filmreif. Hätte mir das irgendwer vor einer Woche erzählt, hätte ich ihn für irre gehalten. Gleichzeitig packt mich eine Wut und ich denke mir, was erlaubt diese Stimme sich eigentlich und zu befehlen wie wir künftig leben müssen.“

      „Aber du weißt ja noch gar nicht, wie wir weiter leben werden. Vielleicht wird es uns auch besser ergehen, als zuvor“, beeilte sich Lisa zu antworten.

      „Li komm wieder raus aus deiner Phantasiewelt. Wie soll sich das auf unser Leben positiv auswirken?“

      „Das ist einfach so ein Gefühl, was ich habe.“

      „Oder reines Wunschdenken“, warf nun auch Mona ein.

      Kerzengerade setzte sich Lisa nun auf. Sie blickte beide abwechselnd an. „Jetzt mal ehrlich. Als ihr heute in der Schlacht gekämpft habt, hattet ihr schon mal zuvor so ein vollkommenes Hochgefühl? Hattet ihr nicht auch das Gefühl unbesiegbar zu sein und so etwas wie Freude empfunden, als ihr bemerkt habt wie ihr diese Hünen zu Brei geschlagen habt?“

      Lange sagte keine von beiden etwas. Kris räusperte sich. „Ich muss sagen, als mir einer eins ins Gesicht schlug und ich praktisch nichts gespürt habe, überkam mich ein überschwängliches Gefühl. Ich habe sogar gelacht und hab dann die restlichen Kerle erledigt.“

      „Siehst du“, sagte Lisa stolz.

      „Ich habe drei riesige und breite Männer in weniger als einer Minute erledigt und es war mir egal. Die Stimme hat Recht behalten, wenn du um dein Leben kämpfen musst, oder das der anderen, dann machst du es, ohne darüber weiter nachzudenken und ohne an dir zu zweifeln.“ Lisa und Kris nickten Mona zu.

      „Das überragende Gefühl, wie Kris sagt, überkam mich auch.“ Monas Mine hellte sich ein wenig auf.

      „Ich hab es euch ja gesagt. Und…“, versuchte Lisa die Aufmerksamkeit wieder auf sich zu lenken. Vergebens, denn Mona und Kris waren vollauf damit beschäftigt, über ihre Eindrücke und Empfindungen zu sprechen. Und sie hörten sich auch nicht mehr verzweifelt an, eher enthusiastisch. Lisa schmunzelte und wartete geduldig ab, bis sie an der Reihe war, um ihre Gefühle und Geschehnisse darzulegen. Sie redeten anschließend bis in die tiefe Nacht hinein. Irgendwann fielen ihnen jedoch die Lider zu und sie schliefen einfach alle drei auf dem Sofa ein.

      Lisa erwachte als erste und suchte nach einer Aspirin in ihrer Tasche, da ihr Kopf zu explodieren drohte. Sie schlenderte hinüber ins Bad, dass etwa die Größe ihres Wohnzimmers besaß und staunte wieder einmal über den vielen Platz. Das Bad war luxuriös ausgestattet und enthielt ein Jacuzzi, eine Dusche, eine Umkleidekabine sowie ein Doppellavabo. Sie spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht, überprüfte kurz ihr Spiegelbild und verschwand wieder aus dem Bad. Mit pochenden Kopfschmerzen schnappte sie sich Kris Autoschlüssel und verließ die Wohnung, da sie wusste, dass Kris nichts einzuwenden hatte. Das war eins ihrer morgendlichen Rituale, wenn sie bei Kris übernachteten, die Erste die am Morgen erwachte, musste für das Frühstück sorgen.

      Sie fuhr also zum Bankautomaten, um Geld abzuheben. Kurz darauf blieb ihr vor Schreck der Mund offen stehen, als sie die Zahl auf dem Bildschirm vor sich bemerkte. Die Kopfschmerzen waren augenblicklich verflogen. Völlig aus dem Häuschen, nahm sie ihre Karte wieder an sich, lief zum Bäcker und kaufte dort frische Brötchen, Muffins und Kaffee in rauen Mengen. Den ganzen Rückweg fuhr sich pfeifend vor sich hin. Seit gestern würde ihr Leben jetzt endlich mehr Flair haben. Kris und Mona würden das vielleicht nie verstehen, doch endlich geschah auch mal etwas Interessantes in ihrem Leben und dazu kam noch, dass es etwas war, wovon sie niemals geglaubt hätte das es je existierte, außer in den Büchern, die sie las oder in den Filmen, die sie sah. Wie viele Male hatte sie wach im Bett gelegen und sich vorgestellt, sie wäre auch eine von diesen Superheldinnen. Und jetzt war sie tatsächlich eine. Vor Freude fing ihr Körper an zu kribbeln. Sie war ein Mensch mit Superkräften, bei diesem immer wiederkehrenden Gedanken, trat ein Lächeln auf ihr Gesicht. Auch wenn sie gestern noch ein wenig Bedenken hatte, was ihre Mission betraf, heute konnte sie niemand mehr umstimmen, es war das Beste was ihr bisher im Leben passiert war. Natürlich wäre ihr Leben noch perfekter, wenn sie nun noch einen Traummann an ihrer Seite bekäme, aber sie war auch so schon mehr als zufrieden. Sie parkte den Wagen, schloss ab und fuhr mit dem Lift hinauf in Kris´ Wohnung. Pfeifend trat sie hinein und schritt zügig in die Küche. Mona und Kris saßen bereits schläfrig am grauen Bistrotisch. Beide blickten hoch als Lisa mit einem strahlenden Gesicht in die Küche spazierte.

      „Da ist ja jemand heute gut drauf“, murmelte Kris schlaftrunken. „Mmh, ja ich werde Montag ebenfalls kündigen und habe auch einen guten Grund dazu.“

      „Und der wäre? Mir ist immer noch ein wenig mulmig.“ Mona schüttelte sich.

      „Das muss es nicht Mona. Es ist ein Geschenk