T. C. Garver

Im Schatten des Unwissens


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und Kris schauten auf den Bankbeleg. Ihre Müdigkeit schien schlagartig verflogen.

      Mona riss das Blatt an sich. „Das ist ja eine sechsstellige Zahl. So etwas hab ich in meinem Leben noch nicht auf einem meiner Auszüge gesehen!“, rief sie aus.

      „Versteht ihr jetzt was ich meine? Es ist mehr als nur ein Geschenk, so viel Geld bring ich nicht einmal zusammen, wenn ich Jahre über Jahre sparen würde. Das ist doch auch für dich eine Menge Geld, nicht wahr Kris?“

      „Ja das ist eine beträchtliche Summe. Dennoch finde ich den Preis zu hoch, den wir bezahlen müssen.“ Lisa stemmte beide Hände in ihre Hüften. „Ist euer Enthusiasmus über Nacht schon wieder verschwunden?“

      Mona und Kris blickten sich hilfesuchend an. „Eigentlich schon.“ Antworteten dann beide zusammen.

      „Ich glaube das einfach nicht. Ihr seht alles viel zu pessimistisch.“ Lisas quirlige stimme stieg augenblicklich eine Oktave höher.

      „Und in deinen Augen wäre das Positive eine Menge Geld und die Superkräfte in der Vergangenheit? Ich muss schon sagen, ich bin nicht einmal sehr überrascht, dass du dir keine Gedanken über unser Leben hier machst. Endlich hast du ja was du wolltest, da du dein Leben sowieso langweilig findest.“

      „Kris“, tadelte Mona.

      „Ist schon gut Mona. Ich kann mich selbst verteidigen. Ja ich gebe es zu, das ist das Beste was mir hätte passieren können. Und ich verstehe einfach nicht, wieso du so abgeneigt bist, denn dein bisheriges Leben fandst du doch auch nicht wirklich berauschend.“

      „Weil das etwas ist, bei dem ich…“, angestrengt suchte Kris nach dem richtigen Wort.

      Lisa kam ihr zur Hilfe. „Keine Übersicht hast, nicht wahr?“

      Kris bejahte dies traurig.

      „Hört auf! Wir können Stunden, Tage, Wochen darüber weiter streiten. Leider bringt es uns nichts mehr. Ich bin ein nüchterner Mensch, und dass was uns gestern widerfahren ist, bereitet mir eine Heidenangst. Die ganze Nacht habe ich gegrübelt, gegrübelt und gegrübelt. Letztendlich bin ich zu dem Schluss gekommen, dass es nichts bringt über etwas nachzudenken, auf dass ich keine Antwort finden kann. Es ist nun mal so wie es ist, auch wenn mich die Situation nicht erfreut. Ändern können wir es leider ebenfalls nicht mehr. Deshalb rate ich euch, vertragt euch wieder und akzeptiert die Meinung der Anderen.“ Lisa und Kris schauten sich an. „Tut mir leid“, sagten beide wie aus einem Mund, was sie beide wiederum

      zum Schmunzeln brachte.

       Gewöhnungsbedürftig

      Drei Wochen später standen Kris und Mona vor dem Kino und warteten auf Lisa, die sich wieder einmal verspätete. Die erste Woche meldeten sich Lisa bei der Arbeit ab, mit der Ausrede sie hätte die Grippe. Keiner der drei machten einen Schritt ohne die anderen, weil sie zusammen sein wollten, falls der Rauch erschien. In der zweiten Woche waren sie auch noch vorsichtig. Da Lisa noch einen Monat Kündigungsfrist hatte, musste sie wieder zur Arbeit. Nach dem Feierabend machte sie sich immer wieder auf dem Weg zu Kris und Mona. Deshalb entschied sie auch ihre Wohnungen zu kündigen, um bei Kris einzuziehen, da Mona auch schon eingezogen war. In der dritten Woche kam es ihnen bereits wie ein Traum vor. Als wäre das alles nie wirklich geschehen. Deshalb trauten sie sich augenblicklich wieder mehr raus, anstatt in Kris´ Wohnung rumzutrödeln und nur abzuwarten.

      Lisa schlenderte ihnen endlich entgegen. Sie begrüssten sich und kauften dann die Tickets für die Spätvorstellung. Kaum hatten sie jedoch Platz genommen, erschien der Rauch. Sobald sie wieder klar sehen konnten, bewunderten sie den weiten Garten eines japanischen Palastes im Jahre 1900, in dem sie nun standen. Hinter ihnen ragte der Palast auf und vor ihnen ein großer See. Sie trugen metallähnliche Röcke, einen silbernen Brustpanzer, der nur der Brust als Schutz dienen sollte sowie einen silbernen Helm, der am Kinn mit zwei Schnürchen zusammengebunden war. Ihre langen Haare waren zu einem Zopf geflochten. Niemand hatte sie bemerkt, als sie wie aus dem Nichts mit einem glänzenden Samurai-Schwert auftauchten. Sehr wahrscheinlich lag es nicht nur daran, dass es mitten in der Nacht war, sondern eher wegen ihrer Fähigkeit sich zu tarnen. Kurz standen sie still als die Transformation in ihren Körper stattfand. Sobald sie sich wieder mächtig, stark und kampfbereit fühlten, griffen sie an und sie mussten schnell sein, denn ihre Feinde drohten bereits in den Palast einzudringen. Dieser Kampf erschien ihnen weit schwieriger, vielleicht lag es daran, dass die Japaner ihre Hiebe bedacht studierten, bevor sie zuschlugen. Die drei warfen sich dennoch mutig ins Getümmel.

      „Ich schwitze mir echt einen ab“, flüsterte Mona Kris zu, als sie per Zufall nebeneinander zum Stehen kamen.

      Kris´ blaue Augen weiteten sich dermaßen, dass sie fast hellblau wirkten. Sie lachte herzhaft.

      „Was ist los? Wieso lachst du so doof?“

      „Bitte… Hör auf...“, Kris hielt sich den Mund zu, um nicht noch mehr Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.

      Mona verstand sofort und musste ebenfalls lachen. Sie sprachen auf Japanisch miteinander, was sich wirklich komisch anhörte, da sie die Sprache eigentlich nicht beherrschen durften. Abgelenkt durch ihre neuen Sprachkenntnisse, übersahen sie die zwei heranschleichenden Gegner. Ein Schatten flog kurz darauf über ihre Köpfe. Sie blickten erschrocken hoch, doch Lisa schnellte bereits durch die Luft. Mit ihrem Samurai-Schwert trennte sie die Köpfe der zwei heranschleichenden Männer ab, ehe sie den Boden unter ihren Füssen erreichte. Irritiert drehten sich Kris und Mona zu ihr um.

      „Wollt ihr noch eine Tasse Kaffee und vielleicht ein Stück Kuchen?“, tadelte Lisa und hielt sich im selben Moment die Hand vor ihren Mund. „Das war ja auf Japanisch“, stellte sie überrascht fest.

      Bevor jemand etwas erwidern konnte, griffen die Gegner erneut an. Es war ein langer, anstrengender Kampf und jede Einzelne von ihnen, setzte unauffällig ihre Kräfte ein, um schneller voranzukommen. Mona schwang ihr Schwert in einer Geschwindigkeit, die das menschliche Auge nie erreichen würde.

      Kris erledigte einen nach dem anderen innerhalb weniger Sekunden und Lisa sprang von einer Ecke in die andere, so schnell, dass sie eher wie ein Schatten wirkte. Die Feinde zogen sich geschlagen zurück, ein Jubel ertönte und schon war der Rauch in Sicht und weg waren sie wieder.

      Zurück in der Gegenwart, hatte der Film soeben begonnen, doch ihr Adrenalinstoss war noch zu hoch. Sie schauten sich an, ohne ein Wort zu wechseln, standen auf und verließen eilig das Kino. Sie machten sich sofort auf dem Heimweg, um begeistert über die Ereignisse dieser Schlacht diskutieren zu können. Lisas Hoffnung wuchs, als sie den beiden zuhörte wie sie über ihre japanischen Kampfkünste und über die lustige Sprache redeten. Vielleicht würden auch Mona und Kris bald Lisas Meinung teilen, dass es wirklich erfreulich war, was ihnen widerfahren ist.

      Am nächsten Abend saßen die drei beim Italiener und genehmigten sich einen Teller Pasta und ein Glas Wein. Der Rauch kam überraschend schon wieder und versetzte sie dieses Mal nach Amerika, in die Südstaatenschlacht, und da erst bemerkten sie, dass sie von Schlacht zu Schlacht geschickter wurden. Bei jeder dieser Schlachten, lernten sie etwas dazu. Auch hier wurden Menschen getötet und die Stimme behielt Recht, wenn es um das eigene Leben ging, oder das der Opfer, dann fiel es ihnen tatsächlich leichter zu töten.

      Als sie wieder zurück waren und erneut am Tisch beim Italiener saßen, aßen sie ihre Pasta dieses Mal auf, tranken wie gewohnt ihren Wein und ließen euphorisch auch diese Ereignisse Revue passieren, bis das Restaurant schloss.

      Zwei Wochen später landeten sie im Mittelalter in Irland und mussten fünf Frauen, die als Hexen beschimpft wurden, vor dem Tod retten. Sie töteten die Männer, die sie in den Fluss werfen wollten und brachten die Hexen in ein sicheres, abgelegenes Dorf. Die Hexen mussten ihnen hoch und heilig versprechen, nicht mehr so aufzufallen und ihre Meinung nicht so laut kundzutun, wenn sie am Leben bleiben wollten. Eine der fünf Frauen hatte sie angefleht, die Steine nicht loszubinden, die ihr von den Männern um die Füsse gebunden worden waren. Sie meinte, sie wäre lieber tot anstatt in solch einer Hölle weiterzuleben. Widerwillig mussten sie ihren Wunsch akzeptieren und die Frau ertrinken