K.P. Hand

Herzbrecher


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es schwarze Zahlen schrieb.«

      Alessandro erwiderte: »Klingt nach meinem Bruder.«

      »Dann könnte die Geschichte stimmen?«

      »Wenn für ihn etwas dabei heraussprang, ja.«

      »Wie meinst du das?«

      Alessandro kam ein paar Schritte näher, seine Arme waren vor der Brust verschränkt. »Enio hat den Laden vielleicht als Geldwäsche benutzt. Er hat viele solcher Läden oder ist Partner oder Investor, wie sonst sollte er sein Vermögen erklären? Aber es könnte auch sein, das Enio nur einem Cousin, dem Sohn, Vater oder Bruder von Pisani einen Gefallen getan hat, indem er ihm geholfen hat. Ich will damit sagen, Pisani ist nicht unbedingt ein Verbrecher, nur, weil er mit Enio zu tun hatte.«

      Norman nickte grimmig.

      »Was ist da passiert?«, fragte Alessandro plötzlich neugierig.

      Noch bevor Norman begriff, was genau Alessandro ansprach, stand dieser plötzlich neben ihm und hielt Normans Hand in seiner. Eingehend betrachtete Alessandro Normans verkrustete Fingerknöchel. Die Berührung und die Nähe ließen Normans Blut kochen.

      Norman beäugte seine Hand als wäre sie ihm fremd. »Ach das? Ich war bei Franklin.«

      Alessandro sah ihm in die Augen und für einen Moment waren sich ihre Gesichter so nahe, dass sie den Atem des jeweils anderen spüren konnten.

      Lächelnd ließ Alessandro Norman los und trat einen Schritt zurück. »Wie geht es Franky?«

      »Nach meinem Besuch?« Norman zog die Augenbrauen hoch. »Nicht so gut.«

      »Ich kann nicht sagen, dass er mir leidtut.«

      Norman musste schmunzeln. Von allen Menschen war Alessandro der einzige, der verstand, weshalb Norman bei Franklin die Faust ausrutschte.

      »Er hätte Schlimmeres verdient.«

      Norman warf ein: »Glaub mir, das Knastleben ist die Hölle für ihn. Er wird von Insassen vermöbelt, die Wärter schikanieren ihn, er wurde bisher zweimal von eingeschleusten Killern angegriffen. Er bekommt, was er verdient, keine Sorge.«

      Norman und Alessandro vertraten beide die Meinung, dass hinter Gittern die schlimmere Strafe war als der Tod. Vor allem für Frank Bosco!

      Alessandro starrte zu Boden.

      Als Norman ihn musterte, fiel deutlich auf, dass den ehemaligen Killer etwas beschäftigte, mehr als sonst.

      »Also ... hat man noch immer rein gar nicht gefunden, um ein Verfahren gegen Enio einzuleiten? Nichts?«, fragte Alessandro besorgt.

      Norman wurde sauer, aber nur auf sich selbst. Er sah Alessandro nicht an, als er stumm und schuldbewusst den Kopf schüttelte.

      »Wie kann das sein?« Alessandro fluchte verhalten und strich sich durchs Haar. »Man sollte doch meinen, dass es einfach wäre, jemanden etwas nachzuweisen, der geradezu in Verbrechen schwimmt! Was ist mit dem Waffenhandel? Das ist sein größter Vertrieb. Es müsste allseits bekannt sein, was er tut. Irgendwer muss doch reden!«

      »Dein Bruder besitzt eben viel Geld. Er erkauft sich Schweigen.«

      Mehr sagte Norman nicht dazu, er starrte über die Gleise hinweg in die Dämmerung.

      Je mehr Alessandro sagte, je mehr fühlte Norman sich wie der größte Nichtsnutz.

      »Sieben Jahre, Norman!« Alessandro schüttelte missmutig den Kopf. »Wie viele hast du überprüft? Wie viele mögliche Zeugen nannte Franky dir? Wie viel Komplizen hat er verpfiffen? Und keiner will gegen Enio aussagen?«

      »Nein, verdammt noch mal!«, fuhr Norman ihn an. Dabei war er mehr auf seine eigene Unfähigkeit sauer, als auf Alessandro. »Denkst du, ich hätte nicht längst viel mehr unternommen, wenn ich gekonnt hätte?«

      Alessandro starrte ihn mit offenem Mund an, doch seine Augenbrauen waren ärgerlich zusammengezogen.

      Norman fuhr fort, immer noch mit erhobener Stimme: »Du musst mir nicht sagen, wie viel Zeit vergangen ist! Ich weiß es! Ich habe sieben verdammte Jahre damit verbracht, deinen Bruder zu jagen. Für dich! Nicht für mich. Für dich!«

      »Ich habe nie darum gebeten«, erinnerte Alessandro ihn. Seine Stimme war leise aber drohend. »Du sagtest, du regelst das. Ich habe dir dieses Versprechen nicht abgenommen. Also tu nicht so, als hätte ich dich dazu genötigt!«

      »Ich wollte dich beschützen!«

      »Schwachsinn!« Alessandro verschränkte wieder die Arme vor der Brust und sah Norman anklagend in die Augen. »Du wolltest ein Held sein! So wie immer.«

      Norman klappte der Mund auf. Denn dieses eine Mal war es tatsächlich nicht so gewesen. Alessandro täuschte sich. Er täuschte sich gewaltig.

      »Ich habe es für dich getan«, beharrte Norman. »Für dich. Und das, obwohl du nicht einmal bei mir bist!«

      »Und wessen Schuld ist das?«, fuhr Alessandro ihn an. Seine grünen Augen sprühten Feuer in Normans Richtung. »Bestimmt nicht meine.«

      Ausatmend schloss Norman die Augen. »Ich sagte, dass es mir leidtut.«

      »Klar, damit ist ja auch alles wieder gut«, konterte Alessandro ironisch.

      Norman breitete die Arme aus. »Was soll ich denn sonst tun?«

      Sie sahen sich an. Eine gefühlte Ewigkeit rührte sich keiner von beiden, Alessandro blinzelte nicht einmal während er Norman fassungslos anstarrte.

      Dann schnaubte Alessandro und fragte provozierend: »Wie geht’s deinem Freund, Norman?«

      Norman senkte schuldbewusst den Blick.

      »Was würde er wohl sagen, wenn er wüsste, dass du dich hier mit mir triffst?«

      »Das geht ihn einfach nichts an«, sagte Norman, obwohl er wusste, dass das nicht stimmte.

      Alessandro schüttelte über Norman den Kopf.

      Es entstand erneutes Schweigen zwischen ihnen. Norman nutzte die Gelegenheit und musterte Alessandro sehnsüchtig von oben bis unten. Dabei fiel ihm die Spitze eines weißen Briefumschlags auf, der gefaltet aus Alessandros Jeanstasche ragte.

      Norman runzelte die Stirn. »Was ist das?« Er nickte auf das Objekt, das ihn neugierig gemacht hatte.

      Alessandro sah an sich hinab. Dann schob er den Umschlag in die Hosentasche, bis Norman ihn nicht mehr sehen konnte.

      »Nichts. Nur Bargeld.«

      Norman nickte, obwohl es ihm doch etwas seltsam vorkam. Andererseits besaß Alessandro kein Konto, sein Gehalt bekam er schwarz auf die Hand, und das ließ er sicher ungern in seiner Bruchbude liegen, wo man leicht einbrechen konnte.

      Als die Stille zwischen ihnen anhielt und die Kluft zwischen ihnen immer größer und spürbarer wurde, hielt Norman es nicht mehr aus. Er wollte wegrennen oder auf ihn zu rennen, irgendetwas, nur damit die Situation sich änderte.

      Entschuldige dich, forderte er sich selbst auf. Sag ihm, wie sehr er dir fehlt! Fleh ihn an, zurück zu kommen! Tu endlich irgendetwas!

      Aber stattdessen brachte er nur kopfschüttelnd hervor: »Ich kann das nicht mehr.«

      Alessandro wirkte traurig, als wüsste er, was Norman nun explizit meinte.

      »Sie werden die Ermittlungen gegen Enio auf Eis legen«, beichtete er Alessandro und sah ihn entschuldigend an. »Ich fühle mich wie ein Versager. Ich habe nicht nur diesen Fall vermasselt, weil ich nichts gegen Enio vorweisen konnte, ich habe auch alles vermasselt, was dich betrifft. Ich hätte dich vor ihm retten sollen.«

      Alessandro runzelte ärgerlich die Stirn. »Norman ... Hör auf, dich selbst zu bemitleiden.«

      »Ich wünschte, ich könnte ...«

      »Zieh dir diesen Schuh nicht an.« Alessandro klang etwas einfühlsamer. »Er hat mich sieben Jahre lang nicht