K.P. Hand

Herzbrecher


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den Antiquitätenladen zu, der so unscheinbar wirkte, zwischen dem Elektronikgeschäft und der Edelboutique, dass er schon wieder ins Auge fiel. Die weiß-rot gestreifte Fallmarkise war eingefahren, vermutlich wegen des starken Regens. Norman langte nach dem Türgriff und zog daran, doch die Tür schien verschlossen ...

      Jans Hand bewegte sich an Norman vorbei und drückte die Glastür auf. »Auf dem Schild steht: drücken«, murmelte er dabei, als spräche er mit einem Kind, mit dem er allmählich die Geduld verlor.

      Norman ersparte es sich, das offensichtliche Schild zu lesen, das auf seinen Fehler hinwies, und ging einfach hinein.

      Es war stickig und roch nach Möbelpolitur. Normans und Jans Schuhe hinterließen feuchte Spuren auf dem grauen Teppichboden des winzigen Lädchens. Überall standen übereinander gestapelte antike Möbel. Jedes Teil auf hochglanzpoliert. Es war so beengt, das sie kaum einen Weg nach hinten zum Tresen fanden.

      Während sie sich durch die Ansammlung alter Möbel schlängelten, ließ Norman einen Finger über die glatte Oberfläche einer schwarzen Kommode aus dem 18. Jahrhundert wandern.

      Kein Staub. Der Inhaber pflegte also seine Ware, was vermutlich auch der Grund dafür war, weshalb er sein Geschäft trotz der großen Möbelhäuser über Wasser halten konnte.

      Besagter Inhaber stand hinter einem kleinen Tresen, der aus dunklem Holz bestand und gut zu den massiven Möbeln im Raum passte. Es handelte sich bei dem Ladenbetreiber um einen Mann etwa Mitte, vielleicht auch eher Ende, Fünfzig. Er sah genau so aus, wie Norman sich einen mit Würde älter gewordenen Italiener Vorstellte. Gutaussehenden, schlank und trainiert, fit und vital – jedenfalls sehr viel vitaler als Norman aussah. Trotz weißem Haar und einer Halbglatze, die im Schein einer einzelnen Lampe glänzte wie die Flächen der polierten Möbel, ein überaus attraktiver Mann.

      Wäre Norman nicht so auf Jugend fixiert, hätte er den Mann durchaus als überaus sexy bezeichnet. Aber Norman war auf Jugend fixiert.

      Jan übernahm das Gespräch, noch bevor Norman die Gelegenheit dazu bekommen hatte.

      »Franco Pisani?«

      Der Inhaber blickte auf. Voller Anmut, richtig würdevoll. Er nahm die Lesebrille ab, die an einer Kette um seinen Hals hing und mit jener er zuvor sein Kassenbuch studiert hatte. Er betrachtete Jan eingehend, ehe er an diesem vorbei zu Norman sah.

      »Was kann ich für Sie tun, meine Herren?«, fragte er schließlich freundlich an Jan gewandt, doch in seinen Augen konnte Norman deutlich eine gesunde Skepsis erkennen

      Franco Pisani schien ein guter Menschenkenner zu sein. Nach vierzig Jahren im Geschäft war dies wohl auch nicht verwunderlich. Er wusste, wer seine Kunden waren, und Norman und Jan hoben sich wohl von der üblichen Kundschaft ab.

      Jan griff sich in die Lederjacke und zog seinen Dienstausweis hervor, den er Pisani direkt vor die Nase hielt. »Mein Name ist Jan Marx. Und das ist mein Kollege Norman Koch.« Jan deutete mit einem Nicken hinter sich zu Norman, der absichtlich im Gang zur Tür stehen geblieben war um eventuell diesen Fluchtweg zu blockieren, oder um zu verhindern, dass jemand hereinkam. »Wir sind von der Kriminalpolizei.«

      Eine weiße Augenbraue hob sich in Pisanis Gesicht. »Von der Kripo, hm?« Er schlug das Kassenbuch zu und faltete dann die Hände darüber um zu signalisieren, das Jan und Norman seine volle Aufmerksamkeit hatten. »Wie kann ich Ihnen beiden helfen?«

      »Es geht darum, dass Ihr Name am Rande einer laufenden Ermittlung aufgetaucht ist«, erklärte Jan, während er sein Dienstausweiß wieder einsteckte.

      Norman hatte seinen mit Absicht nicht gezogen, weil er ihn vermutlich mal wieder nicht dabeihatte. Wie so oft in letzter Zeit. Das verfluchte Ding verschwand einfach spurlos. Vermutlich lag es irgendwo in den Rillen der weißen Ledercouch. Oder im Bett. Norman war in letzter Zeit einfach ein unverbesserlicher Chaot.

      »Mein Name?« Pisani wirkte tatsächlich überrascht, oder er konnte einfach sehr gut schauspielern, so wie jeder gute Verbrecher. »Inwiefern, wenn ich fragen darf?«

      Durfte er. Jan antwortete ihm auch bereitwillig: »Ein Informant verwies uns direkt an Sie.«

      Milde ausgedrückt. Diese Information hatte Franklin als letzten Strohhalm ausgespuckt, während Norman ihn bei einem Verhör im Gefängnis das dämliche Gesicht fast zu Brei geschlagen hatte, obwohl Franklin immer wieder daraufhin gewiesen hatte, dass er wirklich nicht wusste, wer Norman bei seinen Ermittlungen weiterhelfen könnte, nachdem all seine anderen Spuren ins Leere verlaufen waren. Norman vermutete, dass Franklin einfach den ersten Namen gebrüllt hatte, der ihm noch eingefallen war, damit Norman aufhörte.

      Vermutlich hatte Pisani nicht einmal mehr etwas mit Enio Martin zutun, und sie verschwendeten hier mal wieder nur ihre Zeit. Genau wie Jan es prophezeit hatte.

      Aller Wahrscheinlichkeit nach, konnte Franklin auch die gesamte Zeit über gelogen und Norman absichtlich zu falschen Zeugen und Mittätern geführt haben. Vielleicht schützte er Enio. Mittlerweile war für Norman alles möglich, und er vertraute niemandem mehr.

      »Laut unseren Recherchen gehörte Ihr Laden einst einem Mann namens Enio Martin«, begann Jan mit der Befragung, dabei klang seine Stimme so zwanglos, als wollte er nur etwas plaudern.

      Pisani schüttelte den Kopf. »Das kann nicht sein. Ich habe den Laden direkt von meinem Vater übernommen.«

      »Das haben wir auch nicht angezweifelt.« Norman übernahm jetzt das Wort, und er klang nicht, als wolle er nur plaudern. Er klang streng und unnachgiebig. Beinahe verärgert, was er auch war, weil man ihn für dumm verkaufen wollte. »Vor etwa fünfzehn Jahren haben sie enorme Schulden gemacht. Wir fanden bei unseren Nachforschungen heraus, dass Sie das Geschäft an Martin verkauften, Sie selbst blieben aber Partner. Auf wundersame Weise verschwanden Ihre Schulden dann, und kurz danach waren Sie wieder Eigentümer und Enio Martins Name verschwand aus den Büchern. Seltsam.«

      Jan warf Norman über die Schulter einen warnenden Blick zu, den Pisani nicht sehen konnte. Es war immer schlecht, Verdächtigen den Verdacht einfach so um die Ohren zu hauen und zu riskieren, dass sie nicht mehr kooperativ waren.

      Jan ließ Norman mit dem Blick wissen, dass sie nicht hier waren, um gegen Pisani zu ermitteln, sondern gegen Enio.

      Pisani blieb ganz gelassen. »Enio Martin war Geschäftsmann. Mein Bankberater verwies mich an ihn. Ich verkaufte mein Geschäft an Herrn Martin, um meine Schulden bei der Bank zu begleichen. Da ich der Beste in diesem Bereich bin, blieb ich weiterhin Partner und Geschäftsführer für Enio Martin. Als wir durch Herrn Martins erfolgreiche Marketingstrategie wieder auf schwarze Zahlen kamen, kaufte ich mein Geschäft zurück. Allerdings für das Doppelte des Verkaufspreises. Es war ein Gewinn für Enio Martin, aber auch für mich, denn so habe ich immerhin das Geschäft meiner Familie retten können. Das ist alles, was ich darüber sagen kann.«

      Normans Augen wurden schmal. »Und Sie haben nicht etwa Ihr Geschäft zum Geldwäschen zur Verfügung gestellt?«

      Seufzend warf Jan dazwischen: »Wir möchten Sie keineswegs einer Straftat bezichtigen ...«

      »Sie können meine Geschichte gerne überprüfen und sich auch gerne die Bücher ansehen«, sagte Pisani immer noch ganz gelassen. Er zuckte mit den Schultern. »Ich habe mir nichts zu Schulden kommen gelassen. Und ich habe nichts zu verbergen. Sie dürfen sich gerne umsehen und bei der Bank alle Unterlagen einsehen.«

      Seltsam. Genau das haben auch all die anderen dreißig bis vierzig Kerle gesagt, die sie im Rahmen der Ermittlungen befragt haben. Und allen konnten sie nichts nachweisen, jedenfalls nichts, was zu einer Verbindung zu Enio Martin gereicht hätte.

      Norman mahlte verbissen mit den Zähnen. Es war zum verrückt werden!

      »Das werden wir«, versprach Jan, jedoch immer noch freundlich. Dann beugte er sich zu Pisani herab und nahm einen flüsternden, vertrauten Ton an, als hätten die Wände Ohren oder als müsse er ein Geheimnis mit Pisani teilen. »Wenn Ihnen bezüglich Enio Martin etwas einfällt, das für uns vielleicht von Interesse sein könnte, irgendetwas, dann rufen Sie mich bitte an. Auch wenn sie es für belanglos halten, es