Tessa Koch

Wounded World


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liegt und schminke mich nur, wenn ich besonders gut aufgelegt bin. Meine Haare trage ich aus purer Gewohnheit zusammengebunden. Vielleicht hat Adam dich deswegen verlassen, Dummerchen, tadele ich mich selbst. Weil du dich gehen lässt, dir keine Gedanken um dein Äußeres machst. Und jetzt ist es zu spät. Kurz schüttele ich den Kopf, schüttele die Stimme, die Gedanken ab. Es ist unwichtig, weswegen Adam mich verlassen hat, es ist unwichtig, weswegen Liam vorhin diese Worte an mich gerichtet hat. „Die gottverdammte Welt geht gerade unter“, flüstere ich mir zu, als ich den Spiegelschrank öffne und ihn eilends durchsuche. „Da sollte ich mir wirklich keine Gedanken um mein Aussehen machen. Oder um Männer.“

      Sämtliche Medikamente landen in der Tüte, die ich mir aus der Küche mitgenommen habe, ebenso wie Zahnbürsten, Zahnpasta und ein paar Handtücher. Danach gehe ich zurück in das Schlafzimmer und überprüfe, ob unsere Rucksäcke gepackt sind. Ich lege meinen Waffengürtel um, schultere die Rucksäcke und werde sofort wieder an meine schmerzenden Muskeln erinnert. Danach nehme ich mir Liams Gitarre, trage alles nach unten und stelle es am Fuße der Treppe ab.

      „Bist du soweit?“ Liam kommt in den Flur und stellt die restlichen Sachen dazu.

      „Ja, lass uns ein Auto klauen.“

      Er grinst mich an, während er seine Glock in den Bund seiner Jeans steckt. „Wir sollten durch die Hintertür raus, nur für den Fall, dass auf der Straße noch Parasiten sind.“ Wir gehen zurück in das Wohnzimmer, werfen uns einen letzten Blick zu, als Liam den Sessel beiseite schiebt und dann seine Hand auf den Knauf legt. Er öffnet die Tür, nur einen Spalt breit, und ich schiebe mich nach draußen. Wachsam sehe ich mich um, doch der Garten ist leer und ruhig. Liam ist dicht hinter mir, als ich um das Haus schleiche und geduckt hinter dem Zaun auf die Straße sehe. Eine Handvoll Parasiten wankt dort umher, doch sie stellen kein großes Problem für uns da. Ich blicke mich weiter um, betrachte die wenigen Autos, die in den Auffahrten der Häuser stehen.

      „Sieh nur“, flüstere ich Liam zu und deute auf einen dunklen Kleintransporter, der fünf Häuser weiter steht. „Der dürfte doch groß genug sein.“

      „Ja.“ Er sieht zu den wenigen Parasiten, die auf der Straße sind. „Wir sollten durch die Gärten gehen –“ Mein Blick fällt auf eine Handharke neben ihm, sie hat drei gebogene Zacken „– dann können wir ungesehen zu dem Haus laufen –“ Ich greife nach ihr und betrachte sie kurz eingehend „– und durch die Hintertür rein –“ Mit der anderen Hand taste ich nach dem Gartentor neben mir und öffne es leise „– und dann suchen wir uns einen Weg in die Garage, dann können wir von dort zu dem Auto.“ Geduckt laufe ich auf die Straße, schleiche mich an einen der Parasiten an. Im nächsten Moment habe ich die Harke tief in seinem Kopf versenkt und ihn lautlos zu Boden gelegt. Zwei weitere werden auf mich aufmerksam, kommen gemeinsam auf mich zu. Ich ramme dem linken Parasiten die Harke in den Kopf, trete den anderen fest vor die Brust, ziehe die Harke schwungvoll wieder heraus und schlage dem anderen die Finne meines Hammers tief ins Gesicht. Auch sie sacken neben mir zusammen. „Oder wir pfeifen einfach auf Vorsicht und töten alles und jeden.“ Schwer atmend drehe ich mich zu Liam um, er kommt kopfschüttelnd, aber wie gewohnt grinsend zu mir gelaufen. „Nicht schlecht, Blondie. Hat mich ein bisschen an Kill Bill erinnert.“

      „Du redest manchmal einfach zu viel“, erwidere ich grinsend und hänge den Hammer wieder in meinen Gürtel, die Harke behalte ich zur Sicherheit in der Hand.

      Liam wirkt tatsächlich etwas beleidigt. „Ich versuche nur alles zu durchdenken.“

      „Was ja auch wunderbar ist, aber manchmal hilft es einfach draufzuhauen. Komm.“ Ich gehe ihm voran zu dem Haus mit dem Transporter, er folgt mir leise murrend. Immer wieder werfe ich Blicke über die Schulter, versuche alles im Auge zu behalten. Zu oft sind wir bereits von den Parasiten überrascht worden und ihnen nur knapp entkommen. Doch die Straße ist ruhig, die wenigen, die ich sehe, sind Dutzende Meter von uns entfernt.

      Als wir bei dem Transporter ankommen, zieht Liam sofort an der Tür. Doch der Wagen ist abgeschlossen. „Mist.“ Er legt seine Hände an die Scheiben und blickt in das Innere. „Sollen wir ihn aufbrechen?“

      „Lass uns doch erstmal im Haus nach den Schlüsseln sehen.“

      Wir gehen zu der Haustür, Liam drückt die Klinke, doch auch sie ist versperrt. „Verdammt nochmal!“ Während er wütend an der Tür zieht, blicke ich mich um und sehe einen Terrakotta-Frosch mit einem Willkommensschild neben der Tür stehen. „Geh ein bisschen zurück, ich werde sie eintreten.“ Ich knie mich hin und hebe ihn an, besehe mir seine Unterseite. Auf ihr klebt ein Schlüssel. Liam geht etwas zurück, nimmt Anlauf. Noch immer kniend zupfe ich an seinem Hosenbein. Als er zu mir runter blickt, zeige ich ihm grinsend den Schlüssel. „Oder … wir nehmen den Schlüssel.“ Er wird tatsächlich etwas rot. Er nimmt ihn mir ab und schließt die Tür auf. Mit gezücktem Schraubenzieher geht er mir voran in das Haus. Leise lasse ich die Tür hinter mir ins Schloss fallen und folge Liam dann den Flur entlang. Er geht auf die angelehnte Tür am Ende des Flures zu, dabei kommen wir an mehreren weiteren geschlossenen Türen vorbei. Vorsichtig stößt er sie weiter auf, tritt in das dahinter liegende Schlafzimmer. Ich will ihm gerade folgen, da kommt er bereits wieder aus dem Raum und zieht die Tür hinter sich fest ins Schloss. „Geh da nicht rein!“ Er hat seine Lippen fest aufeinander gepresst.

      „Wieso nicht?“

      „Vertrau mir einfach.“

      Ich blicke in sein starres Gesicht. „Sie sind tot, oder? Die Leute, die hier gewohnt haben?“

      Er seufzt leise. „Es ist nicht schön.“

      „Aber vielleicht haben sie die Schlüssel bei sich.“

      Er sieht mir ins Gesicht. „Lass uns erstmal im restlichen Haus nachsehen.“

      Er schiebt mich von der Tür weg, nach und nach durchsuchen wir die anderen Räume des Hauses. Im Gegensatz zu dem, in dem wir uns die Nacht über versteckt haben, hat dieses nur eine Etage und wesentlich kleinere Räume. Bilder im Wohnzimmer verraten mir, dass ein älteres Ehepaar hier gelebt hat. Ich betrachte die Fotos, sehe mir auch die anderen Dinge an, die die alten Vitrinen füllen. Porzellanfiguren, künstliche Blumen und altes Geschirr sind in den Schränken, die Schlüssel finden wir jedoch nicht. Auch nicht in den anderen Zimmern. „Wir müssen zurück“, sage ich daher, als wir wieder auf den Flur treten, den Blick auf die geschlossene Schlafzimmertür gerichtet. „Sie müssen die Schlüssel im Schlafzimmer haben.“

      „Bleib du hier, ich werde nachsehen.“

      „Zu zweit sind wir aber schneller.“ Ich kann Liam ansehen, dass er nicht will, dass ich den Raum betrete. „Es ist süß, dass du dir Sorgen um mich machst, aber wir haben schon ganz andere Dinge inzwischen gesehen.“

      Er seufzt leise. „Sag aber nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.“

      „Niemals.“ Wir gehen zum Schlafzimmer zurück, Liam stößt die Tür auf und geht mir voran in den Raum. Als ich ihm folge, schlägt mir sofort ein furchtbarer Geruch entgegen. Ich halte mir die Nase zu und sehe mich in dem Schlafzimmer um. Das alte Ehepaar, das ich auf den Fotos im Wohnzimmer gesehen habe, liegt in dem breiten Bett, er hält die Waffe noch in den Händen, mit der er zuerst ihr und dann sich selbst in den Kopf geschossen hat.

      Ich betrachte das tote Ehepaar nachdenklich, während Liam den Raum durchsucht. „Hier sind sie auch nicht!“, ruft er frustriert aus.

      Langsam gehe ich auf die Toten zu, den Blick auf etwas Silbernes gerichtet, das aus der Hosentasche des Mannes blitzt. Ich beuge mich leicht zu ihm herunter und zupfe mit spitzen Fingern den Schlüssel aus seiner Tasche. „Hier.“ Meine Stimme klingt komisch, da ich mir noch immer die Nase zuhalte. Der Verwesungsgeruch dringt dennoch zu mir durch, er ist kaum auszuhalten. Ich schaue wieder zu den Toten. „Vielleicht ist ihre Entscheidung gar nicht so dumm“, sage ich dann nachdenklich.

      Liam kommt zu mir und nimmt mir die Schlüssel ab. Er wirft einen letzten Blick auf die beiden Toten. „Sie hatten einander. Es ist dumm.“ Er nimmt den Revolver in die Hand, schaut nach, wie viele Kugeln er noch hat. Dann steckt er ihn zu seiner Glock in den Bund seiner Jeans und