Tessa Koch

Wounded World


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Wangen. Er nähert sein Gesicht dem meinen, bis uns nur noch wenige Zentimeter trennen. Dann grinst er wieder. „Du bekommst sie wieder, wenn wir fertig sind.“ Erneutes Gelächter hallt durch den Raum. Er lässt mich los und sofort drehe ich den Kopf von ihm weg, sehe Liam an, seine Hände vor Wut geballt, sein Gesicht hilflos.

      Das Messer drückt in meinen Hals, ich spüre warm das Blut meine Haut hinab rinnen, als der Mann hinter mir mich zwingt, weiter in den Raum zu gehen. Seine Hand schlingt sich etwas fester in mein Haar, schmerzhaft werden sie mir ausgerissen. Ich will an meinen Schopf fassen, seine Hand aus meinem Haar lösen, doch als ich auch nur andeute, meine Arme zu heben, drückt er das Messer tiefer in meine Haut. Mein Herz schlägt schmerzhaft gegen meine Brust, ich kann Liam hinter mir nicht mehr sehen und habe zu große Angst, dass sie ihn tatsächlich erschießen, wenn ich noch einmal versuche mich loszureißen.

      John geht uns voran und legt meinen Gürtel auf den Tresen. Er öffnet anschließend die Tür neben der Bar, widerstandslos lasse ich mich in den Raum führen. „Drohe, ihren Freund zu erschießen und sie macht sofort, was man will.“ Die Männer beginnen zu grölen. Als der Mann hinter mir lacht, schneidet sein Messer immer wieder scharf in meine Haut. „Und du bleibst schön brav da stehen, wenn du nicht willst, dass wir ihr die Kehle aufschlitzen.“

      Ich werde in den Raum bugsiert, es ist ein kleines Büro. Ich höre die Tür hinter uns zugehen, im nächsten Moment ist John wieder in meinem Blickfeld. „Wir haben euch beobachtet, seit ihr auf den Hof gefahren seid.“ Er lacht. „Wir sind ganz schön gewieft, was, Süße?“ Er wendet sich von mir ab, ich sehe die vielen Decken auf dem Boden und begreife, dass sie hier ihr Lager aufgeschlagen haben, schon seit mehreren Tagen hier leben müssen.

      Noch immer hat der andere seine Hand in meinem Haar vergraben, das Messer an meiner Kehle. Ich sehe zu seinem Kumpel, der gerade die Decken auf dem Boden richtet. Ich weiß, was sie vorhaben, was Liam vom ersten Moment an begriffen hat. Mein Herz schlägt noch etwas schneller, meine Angst wird noch größer. „Bring sie her, Keith.“ Keith reißt wieder an meinen Haaren, das Messer drückt sich tief in meine Haut. Ich sehe auf die Decken am Boden, John, der grinsend daneben steht und langsam seinen Gürtel öffnet.

      Mit Kraft trete ich Keith auf den Fuß und als er erschrocken aufschreit, reiße ich ihm das Messer aus der Hand. Ich winde mich aus seinen Armen, reiße mir Haare dabei aus. Als ich zu ihm herumfahre, will er sich auf mich stürzen. Ohne nachzudenken steche ich zu, ramme das Messer tief in seinen Körper, drei, vier, fünf Mal. Er bricht vor mir zusammen. Ich wende mich John zu, der mich aus weit aufgerissenen Augen ansieht. Schweratmend hebe ich das blutige Messer an, bereit, auch ihn niederzustechen.

      Da ertönen hinter mir laute Schüsse.

      Mein Kopf dreht sich zur Tür, mein Herz setzt kurz aus, als ich an Liam denke. Im nächsten Moment wirft sich John auf mich, schlägt mir das Messer aus der Hand. Ich knalle hart mit dem Kopf auf den Boden auf, bin durch den Aufprall benommen. Die Hände des Typens sind überall auf mir, er reißt an meiner Bluse, berührt mich. Ich kneife meine Augen fest zusammen, hole weit aus und ohrfeige ihn. Das Bild vor meinen Augen ist noch immer doppelt, dennoch hole ich wieder aus, schlage auf ihn ein, treffe ihn im Gesicht.

      Meinen nächsten Schlag fängt er ab, umklammert fest mein rechtes Handgelenk. Seine Faust trifft mich seitlich auf die Nase, mein Blut spritzt. Mit meiner freien Hand versuche ich an seine Augen zu gelangen, ihn zu kratzen. Da legt sich seine andere Hand um meinen Hals und drückt fest auf meine Kehle. „Stirb, du Schlampe!“ Er lässt mein Handgelenk los, legt auch seine andere Hand um meinen Hals, die Sehnen an seinem Arm treten hervor, weil er so fest auf meine Gurgel drückt. „Du dämliche Hure!“

      Panisch kratzen meine Finger über seine Arme, ich röchele leise, versuche seine Hände von meiner Gurgel zu bekommen. Doch er ist zu stark, seine Augen sind weit aufgerissen, auch er blutet aus der Nase. Dennoch grinst er breit, wahnsinnig, während er mich würgt, langsam erstickt. Ich trete mit den Beinen hilflos in die Luft aus, ziehe an seinen Händen, vergeblich. Das Bild flackert vor meinen Augen, mein Mund klappt sinnlos auf und zu.

      Ein Schuss beendet jäh meinen Überlebenskampf. Das Gehirn des Typens spritzt an die Wand zu unserer Linken, er sackt im nächsten Augenblick tot auf mir zusammen. Ich höre einen weiteren Schuss, weiß, dass es Liam ist, der gerade dem Kerl in den Kopf schießt, den ich abgestochen habe. Ich wälze den Toten von mir herunter, kämpfe mich auf alle Viere und japse dann nach Luft, den Kopf zwischen den Armen.

      „Eve!“ Liam wirft sich neben mir auf die Knie. „Bist du okay? Eve?“

      „Alles – okay“, stoße ich hervor. Ich brauche weitere Sekunden, bis sich mein rasendes Herz etwas beruhigt hat. „Ich bin okay“, sage ich dann wieder und sehe zu ihm auf. Seine Augen sind weit aufgerissen, sein Gesicht ist blass. Ich atme noch immer schwer, als ich mich auf die Beine kämpfe. „Mir geht’s gut.“ Sein Blick gleitet über mein Gesicht, dann über meine Bluse. Auch ich sehe auf mein Oberteil, sehe die abgerissenen Knöpfe, den zerrissenen Stoff, die blutigen Fingerabdrücke auf dem hellen Blau. Ich kämpfe mich aus der Bluse, werfe das Stoffbündel weit von mir, kaum dass ich es ausgezogen habe. Meine Brust hebt und senkt sich schnell. „Lass – lass uns sehen, ob wir hier noch irgendwas Brauchbares finden. Ich – ich sehe mich drüben um.“ Ich will aus dem Raum gehen, nur raus aus diesem Zimmer, stoße jedoch hart mit der Schulter gegen den Türrahmen, als sich alles vor mir zu drehen beginnt.

      Da legen sich Liams Arme sanft um mich, er stützt mich. „Lass uns zum Transporter gehen und einfach von hier verschwinden. Scheiß auf die Vorräte, wir haben genug.“

      „Ja.“

      Ich zittere, kann mich kaum noch aufrecht halten. Liam führt mich durch die Kneipe, ich sehe die anderen drei Männer, sie liegen tot auf dem Boden. Ich weiß nicht, wie er sie alleine bewältigen konnte, doch ich frage nicht nach. Wir betreten den Tankshop. Liam trägt mich mehr, als dass er mich stützt, ich stoße immer wieder gegen ihn und spüre dabei meinen Waffengürtel, den er sich umgehängt hat. Meine Beine zittern so sehr, dass sie mich kaum noch tragen können.

      Im Vorbeigehen greift Liam mehrere Karten und steckt sie in seine Gesäßtasche, um mich weiterhin mit beiden Händen halten zu können. Als wir nach draußen treten, atme ich die frische Luft tief ein. Liam hilft mir in den Transporter, schnallt mich sogar an, als ich sitze. Dann schließt er sanft die Tür und eilt um den Wagen. Seine Tür fällt mit einem dumpfen Schlag ins Schloss und ich zucke leicht zusammen.

      „Ich fahre gleich los, ich will mir vorher nur dein Gesicht ansehen. Und deinen Hals.“ Seine Brauen ziehen sich sorgenvoll zusammen, als er seine Hand nach mir ausstreckt. Seine Finger legen sich unter mein Kinn, seine Berührung ist so sanft, dass ich sie fast nicht spüre. Er betrachtet meine schmerzende Nase, hebt dann meinen Kopf leicht an, um die Dutzenden Schnitte auf meinem Hals zu betrachten. „Warte.“ Er klettert in den Laderaum des Transporters, kommt nach wenigen Minuten mit einem Handtuch und einer Flasche Wasser wieder nach vorne. Er presst das Handtuch fest auf die geöffnete Flasche, dann hält er sie kurz über Kopf.

      „Es sieht toll aus, was du hinten gemacht hast.“ Behutsam tupft er mit dem feuchten Tuch meine Nase ab, wischt mir das Blut aus dem Gesicht und vom Hals. „Clever mit den Spanngurten, Kleines. Und das Bett sieht bequem aus, wir werden dort garantiert gut schlafen.“ Ich weiß, dass er nur mit mir redet, um mich zu beruhigen. Noch immer zittere ich am ganzen Körper, mein Herz schlägt noch immer viel zu schnell. „Tut deine Nase sehr weh?“ Ich blicke ihn stumm an, schüttele dann leicht den Kopf. „Halte lieber das Handtuch etwas gegen, es wird sie kühlen.“

      „Okay.“ Ich flüstere, mein Hals schmerzt. „Können wir hier weg? Bitte?“

      Liam gibt mir das Tuch. Er wirft mir einen besorgten Blick zu, dann startet er den Motor und fährt vom Hof. Ich sehe in den Seitenspiegel, sehe die Tankstelle immer kleiner werden. Erst als ich sie nicht mehr sehe, verlangsamt sich mein Herzschlag allmählich. Ich ziehe meine Beine auf den Sitz, umschlinge sie mit meinem linken Arm. Den rechten stütze ich auf den Knien ab, kann so besser meine schmerzende Nase kühlen.

      Immer wieder sehe ich John vor mir, wie er grinsend seinen Gürtel öffnet, auf mich zukommen will. Ich kann das Japsen