Tessa Koch

Wounded World


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draußen trete, sehe ich ihn bereits das Auto aufschließen und einsteigen. Ich gehe eilig zu der Beifahrerseite und ziehe sie auf. „Ich fahre den Wagen kurz rüber, du brauchst nicht mitzufahren.“

      „Liam, was ist -“ Er lässt das Auto an und übertönt so meine Worte. Wütend schlage ich die Tür wieder zu, ich verstehe nicht, was auf einmal in ihn gefahren ist. Er fährt aus der Ausfahrt, rollt über die Straße auf das Haus zu, in dem unser Gepäck und die Vorräte sind. Ich jogge ebenfalls zu dem Haus, blicke mich um und sehe, dass die wenigen Parasiten in der Straße sich uns zugewandt haben. Sie haben das Auto gehört und kommen nun langsam auf uns zu. Meine Hand tastet wieder nach der Harke, ich umfasse sie fest. Als ich bei Liam ankomme, hat er bereits die Hintertüren des Transporters weit geöffnet. Ich sehe zu der kaputten Haustür und weiß, dass er sie dieses Mal einfach eingetreten hat, voller Wut, so wie es mir scheint. „Liam“, setze ich wieder an und folge ihm in den Flur des Hauses

      Er nimmt unsere Rucksäcke und seine Gitarre. „Wir haben jetzt keine Zeit zum Reden, Eve, wir müssen alles einladen und dann hier weg, das hast du selbst gesagt.“ Er geht wieder nach draußen und lässt mich einfach stehen.

      „Das kann doch nicht wahr sein!“, sage ich leise, als ich ihm hinterher sehe. Dann nehme ich mir zwei Tüten und gehe zurück zum Transporter.

      „Ich lade ein, du holst den Rest.“ Liam reißt mir die Tüten aus der Hand und wirft sie achtlos in das Auto. Ich will wieder etwas sagen, hole bereits tief Luft. Doch dann stoße ich sie nur ungehalten aus, begreife, dass wir erst einmal hier weg müssen, ehe ich ihn auf sein dämliches Verhalten ansprechen kann. Also gehe ich wieder in das Haus und hole die anderen Sachen. „War’s das?“, fragt er mich, als ich ihm zwei weitere Taschen reiche.

      „Ein Korb ist noch.“ Ich drehe ihm den Rücken zu und gehe zurück in das Haus. Der Korb steht einsam am Fuße der Treppe, es ist einer dieser zusammenfaltbaren Einkaufskörbe. Ich habe ihn mit sämtlichen Getränken, die ich finden konnte, beladen, da er am stabilsten ist. Als ich ihn nun anhebe, muss ich unter dem Gewicht ächzen und setze ihn wieder ab.

      „Eve!“, ruft Liam von draußen.

      „Ich komme ja schon!“, rufe ich gereizt zurück. Erneut hebe ich den schweren Korb an, versuche die Schmerzen in meinen Schultern zu ignorieren. Meine Muskeln sind noch von dem gestrigen Laufen mit den schweren Rucksäcken lädiert. Mit Hilfe meines Oberschenkels, auf dem ich den Korb abstütze, schaffe ich es letztendlich ihn hoch in meine Arme zu wuchten.

      Als ich zur Tür aufsehe, steht dort Liam, seine Glock direkt auf mich gerichtet. Ich kann nichts sagen, starre ihn nur an, habe keine Chance wegen des Korbes an meine eigene Waffe zu gelangen. Der Schuss hallt in dem Haus laut wider, im nächsten Moment hat Liam mir den Korb aus den Armen gerissen. „Wir müssen hier weg, schnell!“

      Ich drehe mich mit rasendem Herzen um, sehe den toten Parasiten auf der Schwelle zum Wohnzimmer liegen. Er muss durch die Hintertür in das Haus gelangt sein, die wir vorhin offen stehen gelassen haben. Ich habe nicht einmal gemerkt, dass er hinter mir war, nur wenige Zentimeter von mir entfernt. Kurz schüttele ich den Kopf, dann folge ich Liam nach draußen. Er hat die Hintertüren des Transporters geschlossen und steigt gerade auf der Fahrerseite ein. Wenige Sekunden später ziehe ich mich auf den Beifahrersitz und knalle die Tür laut hinter mir zu. „Wo kommen die auf einmal alle her?“ Mehrere Dutzend Parasiten sind auf einmal in der Straße und kommen auf uns zu.

      „Das Auto und der Schuss müssen sie angelockt haben, wer weiß, wie viele von denen in den Häusern waren.“ Er lässt den Wagen an und tritt auf das Gas. Sofort kippen die Tüten hinter uns um, die Vorräte rollen über die breite Fläche. Ich klettere nach hinten, stelle die Tüten wieder auf und räume die Sachen zurück. Da fährt Liam scharf nach rechts, sodass ich das Gleichgewicht verliere und falle.

      „Liam, verdammt!“, rufe ich und blicke wütend nach vorne.

      „Dir hat keiner gesagt, dass du dahinten rumturnen sollst!“ Er fährt eine scharfe Linkskurve und ich falle in die andere Richtung. „Und überall sind diese verdammten Viecher, ich versuche nur ihnen auszuweichen.“ Wieder ein Schlenker nach rechts, der mich auf den Hintern fallen lässt.

      Ich gebe den Versuch auf, die Tüten einzuräumen und sicher hinzustellen und klettere wieder auf den Beifahrersitz. „Was ist verdammt nochmal los mit dir?“, fahre ich Liam an. Er wirft mir einen Seitenblick zu, dann weicht er dem nächsten Parasiten auf der Straße aus. „Liam!“

      Er zuckt leicht zusammen. „Du meintest vorhin im Haus, dass ihre Entscheidung gar nicht so dumm gewesen ist, von dem toten Ehepaar.“ Er hält auf einen der Parasiten zu, tritt das Gas voll durch und überfährt ihn einfach.

      „Und?“ Ich halte mich am Türgriff fest, sehe ihn unverwandt an.

      „Wieso hast du das gesagt?“

      „Weil ich es glaube.“ Er schnaubt nur. „Okay, du bist anscheinend wütend, weil ich das gesagt habe. Aber du musst es mal aus meiner Perspektive sehen“, führe ich es weiter aus. „Ich habe niemanden mehr, dort draußen wandern verdammte Untote herum und fressen die Menschen! Und wenn es keinen Ausweg gibt, du weißt, dass du ihnen nicht entkommen kannst, wieso soll man es dann nicht zu seinen eigenen Bedingungen beenden?“

      „Sie hatten einander.“ Er wirft mir wieder einen Seitenblick zu. „Und du hast mich.“

      „Ich weiß. Und ich bin dankbar dafür.“

      Wieder schaut er zu mir. „Wirklich?“

      Ich lache kurz auf. „Ich wäre ohne dich schon lange tot, Liam. Wir kennen uns erst seit zwei Tagen, klar. Aber ich bin froh, dich zu haben. Nicht nur weil du mir mit den Parasiten hilfst. Sondern weil du mir hilfst nicht durchzudrehen. Ansonsten würde ich vielleicht wirklich so enden wie das alte Ehepaar.“

      Er seufzt leise. „Es tut mir leid. Dass ich so heftig zu dir war, meine ich.“

      „Wir alle drehen in diesen Zeiten durch“, erwidere ich nur, das tote Mädchen in der Badewanne wieder vor Augen. „Und wir alle tun, was wir für richtig halten.“

      „Du hast wohl recht.“

      „Das ist doch klar.“ Er lacht auf. „Also … weißt du eigentlich, wo wir gerade hinfahren?“, frage ich und blicke durch die Windschutzscheibe auf die Straße. Wir haben die Stadt bereits hinter uns gelassen.

      „Wir müssen zum Interstate 66.“

      „Meinst du, dass wir dort durchkommen werden?“

      „Wir werden es herausfinden müssen … Andernfalls müssen wir uns eine Karte besorgen. Der Weg über den Interstate ist der einzige, den ich kenne.“ Er hat seine Brauen zusammengezogen, ich sehe leichte Sorge auf seinem Gesicht.

      „Lass uns bitte nur nicht mehr Motorrad fahren, ansonsten bin ich bei allem dabei“, sage ich, den Blick auf sein Gesicht gerichtet.

      „Das mit dem Motorrad tut mir leid, Kleines. Ich kann mir vorstellen, dass du Angst hattest. Wegen deiner Eltern und so.“ Er nimmt den Blick kurz von der Straße, um mich anzusehen.

      „Ja … Wir hatten ja keine andere Wahl. Ich würde es in Zukunft trotzdem gerne vermeiden.“

      „Ist gespeichert. Außerdem glaube ich, dass wir mit dem Baby hier ohnehin einen guten Deal gemacht haben.“ Liam klopft auf das Lenkrad.

      „Da hast du wohl recht.“ Ich sehe mich in dem Kleintransporter um und sehe wieder die umgestürzten Tüten. „Wenn du für ein paar Minuten von den wilden Wendemanöver und dergleichen ablassen könntest, räume ich hinten mal das Chaos auf.“

      „Ich überlege es mir“, grinst er.

      Theatralisch verdrehe ich die Augen, dann ziehe ich mich zwischen den Sitzen durch in den hinteren Raum. Auf der breiten Fläche sind zwei der vier Tüten umgefallen, der Korb steht zum Glück auch noch. Ich sammele die Dosen ein und räume sie dann ordentlich in die Tüten zurück. Schnell merke ich jedoch, dass sie bei den leichtesten Erschütterungen wieder umzustürzen drohen. Ich sehe mich um, zwischen