Tessa Koch

Wounded World


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lange wie möglich durchzuhalten, okay?“

      Ich lache leise, nehme eine Hand vom Steuer und lege sie auf ihre. „Das klingt sehr gut.“

      Auch sie gluckst. „Ich bin euch wirklich sehr dankbar, dass ihr uns mitgenommen habt. Nach allem, was ihr erzählt habt und was ich auch selber gesehen habe, ist es nicht mehr selbstverständlich auf die Hilfe anderer Überlebender zu setzen.“

      „Das stimmt wohl.“ Ich sehe wieder John, Keith und ihre Freunde vor mir. „Man muss mehr denn je aufpassen, wem man vertrauen kann und wem nicht. Leider.“

      „Solange wir einander vertrauen, wird alles gut werden.“

      Ich muss über ihren Optimismus lächeln. Die Sonne geht langsam auf, ich betrachte den orangefarbenden Himmel. Trotz oder vielleicht wegen all der Erlebnisse der letzten Tage kann ich mich kaum satt sehen an diesem Bild, dieser Idylle und Friedlichkeit, die es ausstrahlt. Liam neben mir rührt sich, er streckt sich, öffnet dann langsam die Augen. Er blinzelt gegen die ersten Sonnenstrahlen an, reibt sich den Schlaf aus den Augen und setzt sich dann auf.

      Erst sieht er zu mir, dann zu Marsha, die noch immer zwischen unseren Sitzen durchschaut. Anschließend wandert sein Blick aus dem Fenster, auf die leere Straße, auf der wir gerade unterwegs sind. „Wo sind wir?“, fragt er und gähnt im nächsten Moment.

      Mein Blick huscht kurz zu der Karte, die ausgebreitet auf dem Armaturenbrett liegt. „Ich glaube, der Ort heißt Summertown. Vor einer halben Stunde etwa sind wir an Columbia vorbei.“

      „Was? Wir sind schon in Tennessee?“ Mit einem Mal ist er hellwach.

      Ich muss tatsächlich schnauben. „Schon? Ich musste in der Nacht zweimal wenden, das eine Mal kam eine Herde Parasiten auf uns zu, das andere Mal versperrten mehrere Wagen die Fahrbahn. Und weil ich Nashville so weitläufig wie möglich umfahren wollte, sind wir etwas vom Kurs abgekommen. Aber ich glaube, dass es die richtige Entscheidung gewesen ist, der Interstate wird nicht anders aussehen als die anderen zuvor.“

      „Tut mir leid, dass ich eingeschlafen bin, Kleines.“

      „Macht doch nichts.“ Ich lächle ihn an. „Du musst auch irgendwann mal schlafen. Außerdem haben Marsha und ich uns nett unterhalten.“

      „Genau“, stimmt diese munter zu.

      „Dann bin ich ja beruhigt.“ Er blickt sich um. „Wollen wir wieder tauschen, Blondie? Es scheint recht ruhig hier zu sein. Und wenn du die ganze Nacht durchgefahren bist, solltest du jetzt mal etwas schlafen.“

      „Ich wäre auch dafür, dass wir kurz anhalten, ich müsste mal“, sagt Marsha. „Und ich glaube, dass Bender auch etwas Auslauf vertragen kann.“

      Ich sehe mich in der ruhigen Kleinstadt um, weder Parasiten noch Menschen sind zu sehen. Mein Blick gleitet über abgestellte Fahrzeuge, deren Türen noch offen stehen, eingeschlagene Fensterscheiben und auf der Straße verteilte Lebensmittel. An einigen Hausfassaden sehe ich blutige Handabdrücke. „Na gut, lasst uns mal schauen, was wir hier so finden.“

      Marsha weckt Lexi auf und holt eine Hundeleine aus deren Umhängetasche, während ich in der Mitte einer Kreuzung anhalte. Liam holt den Revolver aus dem Handschuhfach, dem er dem toten Mann damals abgenommen hat. Mein Blick fällt auf mein inzwischen leeres Handy, erinnert mich an meine tote Tante und das dieses Virus in Deutschland ebenfalls ausgebrochen ist. Dann klappt er das Handschuhfach wieder zu.

      Er dreht sich zu den anderen beiden um. „Hier, eine von euch nimmt den Revolver. Wenn euch jemand oder etwas zu nahe kommt, versucht ihr erst zu fliehen. Ihr schießt nur, wenn es wirklich nötig ist, und dann immer auf den Kopf zielen.“ Er sieht die beiden eindringlich an, übergibt Lexi dann den Revolver, nachdem Marsha ihm bedeutet hat, ihn ihr zu geben.

      Ich ziehe den Hammer und einen der Schraubenzieher aus meinem Gürtel und reiche sie ebenfalls nach hinten. „Hiermit könnt ihr euch ebenfalls verteidigen. Aber ich wäre eh dafür, dass wir uns nicht allzu weit voneinander entfernen.“

      „Ja bitte.“ Lexi blickt ängstlich auf den Revolver.

      Liam grinst. „Ist Bender festgenommen?“

      „Ja.“ Marsha hält gut gelaunt die Leine in die Höhe. „Wir sind bereit, Kinder.“

      „Gut, dann mal los.“ Liam und ich steigen aus, Lexi öffnet die breiten Hintertüren des Transporters. „Ich werde den Transporter abschließen, nur für den Fall, dass hier doch noch Menschen sind. Wir können es uns nicht erlauben, dass jemand uns Vorräte oder gleich das gesamte Auto stiehlt“, sagt Liam, lässt sich von mir den Schlüssel reichen und verriegelt den Wagen. „Also lasst uns wirklich versuchen zusammenzubleiben. Damit wir auch alle wieder hier wegkommen.“

      „Ich will nur kurz auf Toilette und Bender etwas laufen lassen, dann können wir gerne weiter.“ Marsha entfernt sich bereits von dem Auto, Bender schnüffelt neugierig. Lexi wirft uns einen Blick zu, umfasst dann den Revolver etwas fester und folgt ihr.

      Liam und ich blicken uns an. „Vielleicht finden wir noch ein paar Sachen, die wir mitnehmen können“, sage ich und sehe mich in der Geisterstadt um. Es scheint keine richtigen Geschäfte zu geben, doch in Wohnungen sind wir auch schon oft fündig geworden.

      „Ich finde, du solltest lieber bei den beiden bleiben. Dreien“, verbessert er sich mit einem Blick auf den Hund. „Ich schaue mich um.“ Er nimmt meine Hand, legt dann den Autoschlüssel hinein. „Nur für den Notfall, Kleines. Ich fühle mich wohler, wenn du ihn hast.“

      Ich sehe auf den Schlüssel, dann wieder zu Liam. „Mach keinen Scheiß, hörst du?“

      Ein Grinsen breitet sich auf seinem Gesicht aus. „Du auch nicht, Blondie.“ Ich trete nach ihm aus, doch er weicht lachend aus. „Ich werde mich dann mal umsehen“, sagt er über die Schulter, grinst mich ein letztes Mal breit an. Dann verschwindet er in eines der Häuser, die Sichel in der Hand.

      Kurz sehe ich ihm nach, dann laufe ich hinter Lexi, Marsha und Bender her. Sie sind noch immer auf der Straße, schauen ab und an in eines der Häuser, trauen sich jedoch nicht eines zu betreten. Als ich zu ihnen aufschließe, fährt Lexi erschrocken herum, den Hammer erhoben. Ich hebe meine Hände an. „Ganz ruhig, Lexi.“

      „Entschuldige.“ Sie lässt den Hammer sinken, holt tief Luft. „Das ist nichts für mich, wirklich nicht.“

      „Schon okay, es ist richtig Angst zu haben, sie macht dich wachsam. Du darfst dich von ihr nur nicht verrückt machen lassen.“ Ich sehe mich um, die Straßen sind nach wie vor ruhig. „Lasst uns mal in eines der Häuser gehen.“

      „Ich weiß nicht, ob das so -“

      „Lexi.“ Ich fasse sie an den Schultern, sehe ihr ernst ins Gesicht. „Ich weiß, dass du große Angst hast. Ich habe auch Angst. Am liebsten würde ich mich irgendwo verstecken, am besten unter einer Bettdecke verkriechen wie früher als kleines Kind.“ Sie nickt, beißt sich fest auf die Unterlippe. „Aber wenn du nicht lernst, deine Angst zu nutzen, auch mal über sie hinauszuwachsen, dann wirst du alleine nicht weit kommen. Und ich kann dir und auch Marsha nicht versprechen, dass wir immer da sein werden, um auf euch aufzupassen. Du musst lernen, dich selbst zu verteidigen und ohne fremde Hilfe zu überleben. Und deswegen werden wir jetzt da reingehen. Ich bin direkt hinter dir, okay?“

      Sie kaut noch immer auf ihrer Unterlippe, ich sehe den unglücklichen Ausdruck in ihren Augen. Doch sie nickt. „Okay. Gibt es etwas, worauf ich achten muss?“ Sie schaut auf den Hammer in ihrer Hand, den Revolver hat sie in den Bund ihrer Jeans gesteckt.

      „Sei leise und aufmerksam, halte die Waffe immer schlagbereit. Und setze auf dein Gehör. Die Parasiten sind meistens sehr laut, ständig laufen sie irgendwo gegen, ächzen und stöhnen. So kann man meist gleich zu Beginn ausmachen, ob es sicher ist einen Raum zu betreten. Vergewissere dich immer, dass auch wirklich keine ungebetenen Gäste um dich herum sind. Und halte dir Fluchtwege offen. Alles verstanden?“ Sie nickt, umfasst den Hammer etwas fester. „Also gut, dann los.“ Ich deute auf eine offen stehende Tür. Lexi wirft Marsha einen letzten Blick zu, dann