Tessa Koch

Wounded World


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Sinne sind geschärft, ich horche auf fremde Geräusche, meine Augen suchen jeden Winkel des Hauses ab. Ich fühle mich nicht ganz wohl mit Lexi als Anführerin, doch sie muss lernen in dieser neuen Welt zu bestehen. So wie auch Liam und ich es lernen mussten, um zu überleben. Auch sie sucht alles aufmerksam ab, ihre Augen gleiten über jeden Zentimeter des Flures, dann des Wohnzimmers, der Küche und des Badezimmers. Das Haus ist sauber.

      „Sehr gut“, lobe ich sie, als sie sich etwas entspannt. „Marsha, du kannst in das Badezimmer gehen. Lexi wartet auf dich vor der Tür, ich sehe mich mal etwas um.“ Ich öffne die Tasche an meinem Gürtel, ziehe die Taschenlampe raus, die Liam mir in der Kanalisation damals gab.

      „Wieso haben wir sie nicht benutzt, als wir reinkamen?“ Lexi nimmt Marsha den Hund ab, presst ihn fest an ihre Brust.

      „Wenn ein Parasit hier gewesen wäre, hätte ihn das Licht angezogen. Liam und ich haben es einmal erlebt, dass einer durch das Licht auf uns aufmerksam wurde. Als er uns angriff, ließ er die Taschenlampe fallen und wir waren wie blind. Es war pures Glück, dass er ihn rechtzeitig erwischt hat, ehe er einen von uns beißen konnte. Wenn du aber vornherein ohne Licht arbeitest, deine Augen sich an die Umgebung gewöhnen, hast du eine gute Chance.“

      „Okay.“ Ich sehe ihr an, dass sie versucht sich jedes meiner Worte zu merken.

      „Gut.“ Ich lächle ihr beruhigend zu. „Marsha geht auf Toilette, du wartest hier auf sie, ich sehe mich kurz in den Räumen um und hole euch dann hier wieder ab, okay?“ Sie nickt wieder. Ich lege meine Hand auf ihre Schulter, drücke sie kurz, um ihr Mut zuzusprechen. Dann entferne ich mich von den beiden, sehe mich in dem Haus um. Doch mir wird schnell klar, dass es hier nichts Wertvolles gibt, sämtliche Lebensmittel, Medikamente und Waffen sind bereits mitgenommen worden.

      Als ich zu Lexi und Marsha zurückgehe, sehe ich sie beide vor dem Badezimmer auf mich warten. Auch ich gehe noch einmal kurz auf Toilette, betätige die Klospülung und seufze leise, als sich nichts tut und ich mich wieder daran erinnere, dass es kein Wasser und Strom mehr gibt. Gemeinsam verlassen wir das Haus wieder, gehen zurück zum Transporter, nur ab und an halten wir an, wenn Bender schnüffelt.

      Ich sehe mich in den ausgestorbenen Straßen um, versuche mir vorzustellen, wie es hier früher einmal ausgesehen haben muss. Doch ich kann es nicht. Ich sehe nur die verlassenen Fahrzeuge und Häuser, die eingeschlagenen Scheiben. Ich kann mir diesen Ort nicht mit lachenden, fröhlichen Menschen vorstellen, dem früheren alltäglichen Trubel. Mein Blick fällt auf einen Presslufthammer, der in einer abgesperrten Baustelle auf dem Asphalt liegt. Niemals hätte ich gedacht, dass ich eines Tages einmal diesen Lärm vermissen würde, der mir früher in Washington immer so verhasst gewesen ist. Den Verkehr, Bauarbeiten, Alarmanlagen, Flugzeuge. Nun ist es nur noch still. Und wenn ich etwas höre, macht es mir Angst, weil ich nicht weiß, ob ich es überleben werde.

      Als wir nur noch wenige Meter vom Transporter entfernt sind, sehe ich drei Parasiten, sie kommen aus einem Gebäude zu unserer Rechten. Ich bedeute Lexi und Marsha ruhig zu sein und mir hinter ein Auto zu folgen. Vorsichtig sehe ich über das Dach des Wagens, vergewissere mich, dass den dreien keine weiteren Parasiten folgen. Doch sie sind tatsächlich nur zu dritt, stolpern durch die Straße, stöhnen leise.

      Erst will ich warten, bis sie von alleine weiterziehen, doch dann kommt mir eine Idee. Ich sehe zu Lexi und Marsha, sie haben beide noch immer ihre Waffen. „Seid ihr bereit, es einmal zu versuchen?“ Fragend blicke ich sie an. Sie wechseln beide einen unsicheren Blick, wissen sofort, was ich meine. „Der Transporter ist nicht weit weg, ich werde ihn aufschließen und wir lassen Bender dort.“

      „Wagen wir es.“ Marsha sieht erst mich, dann Lexi an. „Irgendwann müssen wir es so oder so tun, ich hätte gerne die Chance mehr oder weniger in Ruhe zu üben.“

      „Sehr schön.“ Ich lächle ihnen beruhigend zu. „Behaltet ihre Hände im Auge und natürlich ihre Köpfe. Man muss das Gehirn zerstören, denkt daran. Ich gehe voran, entriegele den Transporter, wir setzen Bender ab und dann erledige ich einen. Ihr dürft euch dann an den anderen probieren, alles klar?“

      Sie nicken beide, umfassen ihre Waffen etwas fester. Ich nehme Marsha vorsichtig den Hund ab und presse ihn fest an meine Brust. Wieder sehe ich über das Autodach, sehe die Parasiten gute zehn Meter von unserem Transporter entfernt herum wandern. Leise schleiche ich hinter dem Auto hervor, laufe geduckt auf unseren Wagen zu. Ich schließe die Hintertüren auf, lasse Bender durch einen kleinen Spalt schlüpfen. Nachdem ich den Transporter wieder verschlossen habe, winke ich den beiden zu, dass sie zu mir kommen sollen.

      Binnen weniger Sekunden sind sie bei mir, von den Parasiten unentdeckt. Ich schaue um das Auto, sehe die Parasiten sich immer weiter entfernen. Die Harke erhoben bedeute ich Lexi und Marsha, dass sie mir folgen sollen. Ich trete hinter dem Auto hervor, pirsche mich an einen der Parasiten heran. Noch ehe er mich bemerkt, ramme ich ihm fest die Harke in den Hinterkopf. Blut spritzt, der Untote sackt zusammen und ich fange ihn auf, um ihn leise auf die Straße zu legen. Die anderen haben uns nicht bemerkt.

      Ich sehe zu Lexi und Marsha. Lexi schluckt einmal schwer, dann tritt sie hervor, den Hammer erhoben. Sie geht auf einen der beiden Parasiten zu. Er hört sie hinter sich, dreht sich um, blickt sie mit seinen milchig weißen Augen an. Ich sehe ihre Hände zittern, will nach vorne treten, um ihr zu helfen, doch Marsha legt mir eine Hand auf die Schulter und hält mich zurück.

      Der Parasit geht langsam auf Lexi zu, streckt seine Hände nach ihr aus, beginnt zu fauchen. Auch der zweite wird auf sie aufmerksam, folgt dem anderen nur wenige Meter entfernt. Lexi weicht zurück, starrt mit weit aufgerissenen Augen auf die Untoten. Im nächsten Moment reißt sie den Hammer hoch und schlägt auf den ihr näheren ein. Marsha neben mir läuft los, auf den zweiten zu und rammt ihm den Schraubenzieher fest ins Auge. Zeitgleich gehen die beiden Parasiten tot zu Boden.

      Schweratmend starrt Lexi auf den hinab, den sie getötet hat. Dann sieht zu mir auf. „Ich – ich hab’s geschafft.“ Sie klingt überrascht, so als hätte sie es sich selbst niemals zugetraut. „Ich habe ihn getötet und ich … hatte auf einmal keine Angst mehr!“

      „Wir wussten, dass du es schaffst.“ Auch Marsha ist leicht außer Atem, legt einen Arm um Lexis Schultern. Als sie zu mir sieht, kann ich in ihrem Blick die Bitte lesen, ihr nicht zu erzählen, dass ich dazwischen gehen wollte.

      Doch ich hatte es ohnehin nicht vor. „Das war großartig. Ihr beide wart großartig.“ Ich lächle zufrieden. „Ihr hattet keine Angst und habt die Dinger einfach erledigt. Nein, behalte ihn“, sage ich dann, als Lexi auf mich zukommt und mir den Hammer zurückgeben will. „Ihr beide. Ihr braucht Waffen, um euch verteidigen zu können. Also behaltet sie beide, ich habe genug.“ Ich hänge die Harke in meinen Gürtel. Tatsächlich ist er inzwischen etwas ausgedünnt, ich habe noch zwei Feilen, eine Zange und einen Schraubenzieher neben meiner Harke. Doch bei Gelegenheit werde ich mir neue Waffen besorgen. „Ihr wart beide toll, wirklich.“

      „Ja, wir sollten sowas wie Olympische Spiele veranstalten.“ Wir drehen uns alle drei um, sehen Liam grinsend am Transporter lehnen. „Ich nenne es die Parasitische Olympiade. Parasiten-Weitwurf, Parasiten-Nahkampf, Parasiten-Hürdenlauf …“

      „Halt die Klappe und steig ein“, sage ich grinsend und werfe ihm den Autoschlüssel zu.

      Er lacht nur und fängt den Schlüssel mit einer Hand auf. „Ihr seid mir welche, wirklich. Da lässt du sie zum Üben Parasiten töten!“

      „Klappe halten und einsteigen habe ich gesagt.“ Doch auch ich muss lachen, ebenso wie Marsha und Lexi. Er entriegelt den Wagen, wir steigen alle ein. Bender freut sich uns zu sehen, seine Rute geht wild hin und her. Nachdem wir alle Türen geschlossen haben, versperrt Liam die Türen. Dann fahren wir weiter.

      Während er fährt, hole ich etwas Schlaf nach, nach wenigen Stunden tauschen wir wieder. Die Nacht bricht über uns herein, dann wieder der Morgen. Durch die verdammten Parasiten sind wir vom Kurs abgekommen, vor wenigen Stunden haben wir die Grenze zu Georgia überfahren, ein weiter Umweg. Immer wenn uns eine Route sicher erscheint, stellen wir bald darauf fest, dass sie durch zerstörte Autos oder eine Herde versperrt ist. Als ich eine Nacht