Gerald Förster

Galisia


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später.«

      »Liefert das Gerät nur Livebilder oder zeichnet es auch auf?«

      »Alles wird gespeichert. Sie können hier jede Bewegung nachvollziehen, die es seit dem letzten Jahr in diesem Haus gegeben hat.«

      »Gut, dann sehen wir uns doch die Bilder an, die während der Tatzeit aufgezeichnet wurden.«

      »Kein Problem.« Hauser setzte sich wieder. Er stellte die Uhrzeit ein und startete die Wiedergabe. Minutenlang blickten sie auf ein regloses, farbig leuchtendes Oval, den schlafenden Hausherrn. Als es erlosch, begannen Hausers Finger auf der Tastatur herumzuklimpern. »Sie können sich denken, dass ich es mir schon angeschaut habe. Mir ist nichts außergewöhnliches aufgefallen.«

      »Spielen Sie es noch einmal ab!«

      Hauser gehorchte, wenn auch widerwillig. »Da, sehen Sie das?«, rief Brandt plötzlich.

      Der Wachmann schaute aufmerksam auf den Monitor. Ein schwacher rötlicher Schatten bewegte sich quer durch den Raum auf das Oval zu, um dort kurz zu verharren. Nach kurzer Zeit verschwand er wieder. Genauso unvermittelt, wie er gekommen war.

      Hauser riss die Augen auf. »Verdammt! Das muss ich übersehen haben. War er das?«

      »Ich schätze, wir haben eben ihren nächtlichen Besucher kennengelernt. Aber«, und dabei sah er den Wachmann fragend an, »er war viel kleiner als Avaran.«

      Hauser grinste. »Das ist leicht zu erklären. Er liegt im Bett, der Eindringling hingegen steht. Eine stehende Person reflektiert eine kleinere Fläche als eine liegende.«

      Das leuchtete ein. Aber wo war er hergekommen und wie hatte er sich wieder davongemacht? Brandt fand keine Erklärung für das, was er eben gesehen hatte. Nachdenklich lief er zwischen den Überwachungsterminals und einigen der aufgestellten alten Rüstungen auf und ab. »Immerhin, der Lifescanner hat ihn erfasst. Er ist kein Geist«, murmelte er vor sich hin. Dann wandte er sich wieder an den Wachtmeister. »Was glauben Sie, wie er hereinkam?«

      »Ich habe nicht die blasseste Ahnung. Selbst wenn wir unterstellen, die Mannschaft sei in einen kollektiven Sekundenschlaf gefallen, so müsste sein Kommen und Gehen auf den Instrumenten nachvollziehbar sein. Aber Sie haben es ja selber gesehen, da ist nichts.«

      Brandt wollte noch etwas wissen: »Erklären Sie mir doch bitte noch, wie dieser Energieschirm funktioniert.«

      »Der power shield, kurz PS1, wie die Schweden ihr Produkt getauft haben, wurde zur Kontrolle militärischer Objekte ohne ständige Anwesenheit von Wachdiensten konzipiert. Es verhindert nicht das Eindringen von Unbefugten, aber es verhindert das unbemerkte Eindringen. Sobald man dem Schirm zu nahe kommt, wird ein Alarm ausgelöst.«

      »Wie kommt man als Privatperson an solch eine Spielerei?«

      »Das Geschäft mit dem PS1 lief nur schleppend. Kaum ein Land war bereit, in diese teure Technologie zu investieren. So hat man sich in Stockholm entschlossen, eine zivile Variante, den PSC1, anzubieten. Das C steht für civil

      Brandt nickte interessiert. »Und wie regeln Sie es, dass nicht jeder Spatz, der über den Schlossberg fliegt, Sie in Bereitschaft versetzt?«

      »Die Stärke des Feldes lässt sich regulieren. Je stärker, desto undurchlässiger ist es. Unser System ist so eingestellt, das alles unter einem Volumen von hundert Litern, das entspricht, grob gerechnet, einem halben Kubikmeter, nicht erfasst wird. Fuchs und Hase zum Beispiel oder der gemeine Sperrling lösen keinen Alarm aus. Hirsch und Wildsau dagegen schon.«

      »Und das funktioniert?«, fragte Brandt ungläubig, was ihm ein mitfühlendes Lächeln Hausers einbrachte. »Nehmen wir einmal an«, überlegte er weiter, »der Größenunterschied dieser bunten Kringel lag doch nicht ...« Im selben Moment begriff er bereits, dass das wohl nicht das Highlight der scharfsinnigen Kriminalistenfragen werden würde. Hauser verzog das Gesicht, aber Brandt wollte noch nicht aufgeben. »Nur mal hypothetisch: Jemand richtet einen, sagen wir ...« Er redete jetzt langsamer, wie einer der zu verstehen beginnt, dass er den begonnenen Satz zu keinem glücklichen Ende mehr führen konnte. »... einen Schimpansen so ab ...« Er ließ seine Worte langsam ausklingen, wie ein Decrescendo am Ende einer Klaviersonate. Seine Einlassung musste auf den Wachmann dilettantisch wirken. Der aber ließ sich nichts anmerken.

      »Hm, Unsinn.« Brandt konnte sich auf all das keinen Reim machen. »Warum gibt es eigentlich keine Videoüberwachung im Schlafzimmer?«

      »Gute Frage. Die wäre hilfreicher gewesen, als dieser ganze millionenteure Firlefanz. Seit die Satelliten über uns kreisen ist es nicht mehr schicklich, sich in Privaträumen von Kameras beobachten zu lassen. Sie werden bei keinem Souverän mehr eine finden.«

      Der Kommissar war fürs erste zufrieden. Er hatte sich schon von Hauser abgewandt, als ihm noch etwas einfiel. »Sagen Sie, gibt es auf Stolzenfels unterirdische Kammern, Gänge, Tunnel oder dergleichen?«

      »Soweit ich weiß, führte früher unter den alten Fundamenten ein Geheimgang zum Fluss hinunter. Er soll über eine Falltür im Keller erreichbar gewesen sein. Wir haben diesen ominösen Gang nie gefunden, allerdings auch nie ernsthaft danach gesucht. Wozu auch? Genau wie jeder Quadratzentimeter im Schloss werden auch die Kellerräume vom Lifescanner überwacht.«

      »Danke, Herr Hauser, das ist vorläufig alles.« Er verabschiedete sich und rief nach einem Kollegen von der Spurensicherung. Eine Minute später erschien ein junger Mann im Treppenhaus, den er vorher noch nie gesehen hatte. Er machte einen sympathischen Eindruck. Offensichtlich ein Neuer in Kallenbachs Truppe.

      »Hat sich schon jemand den Keller angesehen?«

      »Ja, ich.«

      »Darf ich Ihren Namen erfahren?«

      Der junge Mann kam näher und streckte seine Hand zur Begrüßung aus. »Jasper Neideck, Kommissar und frisch im Team.«

      »Soso, Kommissar Neideck, frisch im Team. Was können Sie mir zu der Falltür sagen?«

      »Da gibt es keine Falltür.«

      »Gibt es keine oder haben Sie keine gefunden?« Brandt sah den jungen Mann, der jetzt leicht verunsichert wirkte, freundlich an. »Wollen wir noch einmal nachschauen?«

      »Ja gern, wenn Sie meinen, Herr Hauptkommissar.«

      Sie stiegen über eine schmale Stiege hinab in die alten Gewölbe. Dort nahmen sie sich ein Gelass nach dem anderen vor, konnten aber nichts Ungewöhnliches entdecken. In einem der Räume fiel Brandt auf, dass der Fußboden mit Holzdielen ausgelegt war. Das passte nicht in einen hunderte Jahre alten Keller. Er begann, mit einer Eisenstange den Fußboden systematisch abzuklopfen. In einer Ecke klang es dumpf. »Bitte entfernen Sie hier die Dielen.«

      »Sie meinen, ich darf das?«

      »Nun, wo es der Wahrheitsfindung dient, dürfen Sie das. Abgesehen davon, wen sollte es noch stören?«

      Neideck hebelte mit der Eisenstange drei der Dielen aus dem Fußboden und legte sie beiseite. Brandt hatte richtig gelegen. Eine alte Falltür kam zum Vorschein. Er ergriff den Eisenring und riss die Klappe nach oben.

      »Zugeschüttet!«, rief Neideck.

      »Ja, zugeschüttet. Fehlanzeige.«

      Die Causa Avaran sorgte für die erwartete Aufregung. Wie von Brandt vorausgeahnt, waren eigens zwei Beamte des Staatsschutzes aus Berlin angereist. Der Geheimdienst spielte als autarke Organisation eine Sonderrolle im politischen Gefüge Deutschlands. Die Frau an seiner Spitze, Alina von Stoltze, unterstand direkt dem Kanzleramt. Somit waren die Männer in Schwarz nicht nur die Task Force des Regierungschefs zur »Erledigung besonderer Aufgaben«, sondern auch seine persönliche Leibwache, ebenso wie sein konspirativer Flüsterdienst. Landläufig galten sie als die geheimnisumwitterten Gralshüter des politischen Status Quo. In ihren Methoden waren sie wenig zimperlich. Von Stauffen hatte einmal, auf einen berühmten englischen Filmspion anspielend, gesagt, sie hätten die »Lizenz zum Töten«. Brandt wusste, die beiden Sonnenbebrillten würden seine Arbeit behindern, sobald er etwas herausfände, was der Regierung unliebsame