Johanna Danneberg

Argots Schwert


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jemand gesucht wurde, der sich um „diesen ganzen Internetz-Kram“, wie sein Chef es ausgedrückt hatte, kümmern konnte, hatte Falk sich über eine Zusatzausbildung weiter qualifiziert, und war seitdem der offizielle EDV-Verantwortliche für die ganze Firma. Demnächst sollte er sogar noch jemanden zur Unterstützung bekommen. Für Peter lag Falks Arbeit damit deutlich näher an seiner eigenen Vorstellungswelt als das Studentenleben seines Neffen.

      „Also gut Falk, wollt euch nur Bescheid sagen.“

      Er wandte sich um, öffnete die Wohnungstür und meinte über die Schulter:

      „Du denkst an die Miete?“

      „Klar, Peter, ich überweise sie gleich, äh, nachher.“

      „Ok. Will dich auch gar nicht weiter stören. Das mit dem Bier, das machen wir mal ein anderes Mal.“

      „Kein Ding. Mach‘s gut!“

      Die Tür schlug zu und Falk wartete, bis Peters Schritte auf der Treppe verklangen. Dann ging er rüber ins Wohnzimmer und starrte seinen Rucksack, der auf der Couch lag, an, als wäre er eine Kofferbombe. Da drin war der Lederbeutel. In dem Beutel war das Schwert. Und der Briefumschlag. Für Mark. Von Marie. Marie, ob das die Frau war, die nun tot in dem alten verfallen Haus gefunden worden war? Was hatte sie in dem Haus gemacht? War sie tatsächlich gestern Abend schon dort gewesen, als er und Robs den Beutel mitgenommen hatten? Hatte sie das Schwert und den Umschlag in das alte Haus gebracht? Wahrscheinlich, denn sie wollte die Sachen wohl jemandem namens Mark übergeben. Jetzt war sie tot! Und in seinem Rucksack befanden sich diese seltsamen Gegenstände, die ganz und gar nicht für ihn bestimmt gewesen waren. Das war nicht gut, das war gar nicht gut!

      Bei dieser Schlussfolgerung angekommen begann Falk, ziellos in der Wohnung umherzustreifen. Erneut versuchte er, Robs zu erreichen, aber es meldete sich nur eine Tonbandstimme: der Teilnehmer sei momentan nicht erreichbar. Er wird keinen Empfang haben, dachte Falk. Oder er hat sein Ladegerät vergessen. Oder sein Handy verloren. Wer wusste das schon, bei Robs.

      Ohne einen klaren Gedanken fassen zu können, war Falk unterdessen wieder in der Küche angelangt. Er würde der Polizei alles erzählen müssen. Vielleicht würden sie nachsichtig sein. Dass er den Beutel mitgenommen hatte, das war ja bloß eine bescheuerte Wette gewesen. Bloß, dass es jetzt eine Leiche gab. Warum bloß war Robs gerade jetzt nicht da, er steckte schließlich genauso da drin wie er selber!

      Was, wenn die Frau nicht einfach so gestorben war? Was, wenn sie umgebracht worden war? Vielleicht von diesem Mark? Das waren wichtige Details, die Polizei würde so etwas wissen wollen! Aber würden er und Robs dann nicht sogar selbst als Verdächtige gelten?

      Falk ertappte sich bei der Überlegung, ob sie irgendwo in dem Haus Fingerabdrücke hinterlassen hatten. Die Haustür hatte offen gestanden, die hatten sie nicht berührt. Und als er die Geschehnisse noch einmal durchging, war er sich ziemlich sicher, dass sie auch den Kachelofen nicht angefasst hatten, als sie den Beutel hoch genommen hatten. Immerhin was.

      Gut war auch, dass Fanni nichts von dem Schwert mitbekommen hatte. Im Grunde konnte sie noch nicht einmal wissen, ob sie das Haus tatsächlich betreten hatten oder nicht. Und so, wie Robs sie abserviert hatte, konnte Falk nur hoffen, dass sie den gestrigen Abend einfach so schnell wie möglich würde vergessen wollen.

      Falk versuchte, den weiteren Heimweg zu rekonstruieren, nachdem sie das Schwert eingepackt hatten. Zuerst waren sie ziemlich zügig losgelaufen, später dann waren sie gemütlich gegangen. Auffällig verhalten hatten sie sich dabei nicht, im Gegenteil, sie hatten sich ganz normal unterhalten. Begegnet war ihnen auf dem gesamten Heimweg sowieso niemand, kein Wunder, das Viertel war nach Einbruch der Dunkelheit für gewöhnlich wie ausgestorben. Trotzdem, woher zum Teufel wollte er wissen, dass nicht doch noch jemand mitbekommen hatte, dass sie in dem Haus gewesen waren!

      Falk merkte, dass seine Gedanken sich im Kreis drehten. Zu dem Haus konnte er den Beutel nicht mehr bringen, das stand schon mal fest. Er sollte sich wirklich der Polizei stellen, schließlich hatte er sich ja nichts vorzuwerfen. Außer Diebstahl. Und Hausfriedensbruch. Und wer weiß was noch Allem. Wenn das sein Chef mitbekäme! Er wäre seinen Job los! Nein, die Polizei war ausgeschlossen, er durfte unter gar keinen Umständen mit der Sache in Verbindung gebracht werden!

      Falk fasste einen Entschluss: er würde das Schwert sorgfältig abwischen, damit keine Fingerabdrücke oder sonstige Spuren von ihm oder Robs daran zu finden wären. Und heute Nacht würde er den Beutel mitsamt seinem Inhalt in die Saale werfen.

      *

      In der Küche fand er einen Eimer, in den er heißes Wasser füllte und dann eine halbe Flasche Geschirrspülmittel dazu gab, so dass es ordentlich schäumte. Er brachte den Eimer und seinen Rucksack nach oben in sein Zimmer, zog den Lederbeutel hervor und legte das Schwert auf die Dielen neben seinem Bett. Dann klingelte sein Handy.

      „Jetzt meldet er sich.“, sagte Falk halblaut und zog das Telefon aus seiner Hosentasche. Es war aber nicht Robs, der anrief, sondern Michael. Freitagabend!, dachte Falk flüchtig. Vermutlich wollte ihn sein Freund zu irgendeiner Party mitnehmen.

      „Jo“, meldete er sich mit wenig Elan in der Stimme. „Was gibt’s?“

      „So einiges“, klang die tiefe Stimme von Michael Budarcik aus dem Telefon. „Was machst’n heut Abend?“

      „Werd nen ruhigen machen. Ist gestern dann doch ziemlich spät geworden, bei Konrad.“

      „Alles klar. Hat Robser die Frau noch rumgekriegt? Wie hieß sie gleich – Franzi?“

      „Fanni. Nee, hat er nicht. Wird auch nicht mehr passieren.“

      Micha fragte nicht weiter nach, was Falk ihm hoch anrechnete.

      „Du kannst mal Konrad anrufen.“, sagte er. „Der meinte gestern, er wolle heute was starten.“

      „Jo werd ich. Na dann, mach dir mal nen entspannten Abend.“

      „Ich meld mich morgen bei dir.“

      „Gut, bis dann.“

      Falk klappte sein Handy zu, froh, das Gespräch so unkompliziert beendet zu haben, und wendete sich wieder dem Schwert zu, das er nun aus der Scheide zog. Er hatte sich Schwerter eigentlich länger vorgestellt, und auch mit mehr Verzierungen, mit Edelsteinen besetzt, oder so ähnlich.

      Ob das hier ein echtes Schwert war, ein richtiges Kriegsgerät, aus dem Mittelalter? Er wog es in der Hand, dann stand er auf und führte eine schwungvolle Acht in der Luft aus. Es ließ sich problemlos führen und lag gut in der Hand. Falk nahm eine Wasserflasche, die voll neben seinem Bett stand, und verglich das Gewicht. Er schätzte das Schwert auf anderthalb bis zwei Kilo. Kritisch hob er die Waffe vor sein Gesicht – beim kämpfen wäre zusätzliches Zierzeug wahrscheinlich eher hinderlich, vermutete er. Es war eben ein Gebrauchsgegenstand gewesen. Mit einem Ausfallschritt trat er weit nach vorne und stach das Schwert vor sich in die Luft. Dann lachte er leise und setzte sich wieder hin.

      Das Schwert auf dem Schoß, zog er den Eimer Wasser heran, tauchte einen Lappen ein und begann, sorgfältig die Klinge, den Griff und den Steg abzuwischen, nicht ohne sich dabei flüchtig zu fragen, ob dieser Aufwand überhaupt notwendig war, schließlich wollte er die Sachen sowieso in die Saale schmeißen. Wobei es auch irgendwie schade um die schöne Waffe war. Erneut überlegte er, wie alt sie wohl war. Wann war eigentlich das Mittelalter gewesen, fragte er sich. Vor 1000 Jahren? Ob das Schwert wohl 1000 Jahre alt war? Nein, sicher nicht, wahrscheinlich war es nachgeschmiedet worden, für irgendwelche Freaks, die in ihrer Freizeit gerne Ritter spielten, eine Art Showwaffe oder so. Er fuhr mit der Fingerkuppe an der einen Seite über die Klinge. Nicht grade messerscharf, befand er. Bei genauem Hinsehen konnte er kleine Dellen an der Klinge erkennen, und Kratzer auf der Oberfläche.

      „Wie wenn man jemandem ordentlich eins vor die Rüstung haut.“, murmelte Falk. Mit dem Lappen fuhr er dann in der Rille entlang, die in der Mitte der Klinge eingebracht war. Gleich unter dem Steg waren die zwei Zeichen eingraviert, die einzigen ungewöhnlichen Merkmale an der gesamten Waffe. Sie waren untereinander angeordnet, oben das Wagenrad, was auch eine Sonne darstellen konnte, wie er jetzt fand, darunter