Johanna Danneberg

Argots Schwert


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die Falk vorher gar nicht bemerkt hatte, hielt ihnen die Tür auf, und ging danach hinter die Theke, während Argot neben Falk stehen blieb.

      „Äh, ich suche eigentlich was für meine Freundin…“, improvisierte Falk.

      „Sie wollen heiraten? Glückwunsch.“

      „Heiraten? Naja, eigentlich noch nicht.“

      „Dann sind Sie hier bei den Trauringen aber falsch. Wir haben schönen Modeschmuck, gleich hinter Ihnen.“

      Falk begann zu schwitzen. Meister Argot, wenn er es denn war, machte ihn nervös. Er sprach mit krächzender Stimme, seine kleinen Augen hinter der Brille lagen tief in den Höhlen und beobachteten Falk stechend.

      Ich könnte ihm das Schwert einfach zeigen, wer weiß, vielleicht würde er es kennen, überlegte Falk. Aber wie sollte er erklären, wo er es herhatte? Entschuldigung, ich habe ein altes Schwert mit Ihrem Zeichen drauf, wissen Sie da zufällig etwas drüber? Ich habe es übrigens aus einem verfallenen Holzhaus, in dem kurz darauf eine tote Frau gefunden wurde…

      Nein, er musste sich eine passende Erklärung zurecht legen, wie er dazu gekommen war. Vielleicht könnte er es auf dem Dachboden gefunden haben? Bei seinen Großeltern? Falk versuchte sich zu erinnern, wann er das letzte Mal eine vergleichbare Flunkerei auch nur halbwegs glaubhaft aufgeführt hatte, aber es gelang ihm nicht. Selbst im Schultheater war er nur für Licht und Ton verantwortlich gewesen, weil er als Schauspieler einfach kein Talent besaß.

      Argot war derweil hinter seine Theke zurückgekehrt, wo er irgendwas zu polieren begann. Er ignorierte die Frau, die neben ihm stand, warf dafür aber Falk in regelmäßigen Abständen misstrauische Blicke zu.

      Er würde hier nichts in Erfahrung bringen können, erkannte Falk enttäuscht, und wollte sich schon zum gehen wenden, als die Türglocke klingelte und gleich mehrere Kunden den Laden betraten. Jemand fragte mit heller Stimme:

      „Guten Tag, sind Sie Meister Argot?“

      Falk spitze die Ohren. Der Alte brummte zustimmend, ohne seine Arbeit zu unterbrechen.

      „Das ist ja großartig, zu Ihnen wollte ich nämlich!“, rief die junge Frau, die zu dem Goldschmiedemeister an die Theke getreten war, erfreut. Falk sah sie nur von hinten, sie war schwarz gekleidet, hatte streichholzdünne Beine und trug einen ausgebeulten schwarzen Bundeswehrrucksack auf dem Rücken, den sie nun abnahm und auf die Theke knallte, direkt unter Argots Nase. Der hatte ihr Lächeln nicht erwidert.

      „Ich möchte Sie wirklich nicht aufhalten, Herr Argot, Sie haben sicherlich sehr viel zu tun.“

      Dabei machte sie eine unbestimmte Handbewegung in den Laden hinein. Falk erhaschte einen Blick auf ihr Gesicht und einen kleinen Stecker, der an ihrem Nasenflügel glitzerte. Glattes dunkelbraunes Haar fiel ihr in die Stirn und als sie es wegwischte, sah er, dass sie auch in der Augenbraue einen Piercingring trug.

      Argots Miene blieb starr, doch die junge Frau vor ihm redete unbeirrt weiter:

      „Deshalb will ich es auch ganz kurz machen. Ich mache eine Radiosendung über die Geschichte des Handwerks in Jena. Bei Radio OKJ, dem Offenen Kanal Jena, Sie wissen schon. Ach entschuldigen Sie, ich habe mich ja noch gar nicht vorgestellt.“

      Sie streckte Argot über die Theke hinweg die Hand hin, die dieser notgedrungen ergriff.

      „Carolina Schubert, Geschichtsstudentin, 9. Semester.“, erklärte sie. „Die Sendung wird ganz hervorragend passen zu der Ausstellung über das Jenaer Handwerk im Stadtmuseum, die gerade vorbereitet wird.“

      „Das ist ja sehr schön, Fräulein Schubert, aber was habe ich damit zu tun?“

      „Nun, ich würde gerne ein Interview mit Ihnen führen, Herr Argot!“, rief sie und strahlte ihn an, als hätte sie ihm soeben verkündet, dass er im Lotto gewonnen habe. Argot blieb stumm, was Carolina Schubert nicht zu stören schien.

      „Ihre Familie ist eine der ältesten Handwerksfamilien hier in Jena. So was muss man doch herausstellen, das ist unheimlich spannend. Mittelalter ist voll im Trend!“

      Aus dem Augenwinkel beobachtete Falk den Goldschmied, der nicht den Eindruck machte, als ob er sich auch nur im Geringsten für Trends interessierte. Und tatsächlich beschied Argot:

      „Für so etwas habe ich grade wirklich keine Zeit, Fräulein Schubert.“

      „Vielleicht überlegen Sie es sich ja noch einmal. Ihre Vorfahren lassen sich über Jahrhunderte zurückverfolgen, es waren auch Waffenschmiede darunter, und Hufschmiede – glauben Sie mir, die Leute lieben solche Geschichten, die in die Vergangenheit, ins Mittelalter führen!“

      Falk traute sich kaum zu atmen, während er innehielt und das Armband, welches er seit einigen Minuten befingert hatte, unbeachtet in seiner Hand baumeln ließ. Er war froh, dass der Schmuckständer ihn halb vor der Theke verbarg. Als er jetzt einen unauffälligen Blick in die Richtung warf, sah er, dass Argot die junge Frau vor ihm aus zusammengekniffenen Augen musterte, wie einen Kratzer in einem Goldring.

      „Na gut. Rufen Sie mich heute Abend noch mal an.“ sagte er schließlich.

      *

      Carolina Schubert notierte sich die Telefonnummer und verabschiedete sich dann so zügig, als hätte sie Angst, Argot könne es sich noch einmal anderes überlegen. Falk beeilte sich, hinter seinem Schmuckständer hervor zu kommen, um ihr die Tür aufzuhalten, so wie es die Frau für die Kunden vorhin getan hatte, doch die Studentin war schon mit schnellen Schritten auf die sonnige Gasse hinaus getreten, wo sie stehen blieb, um in ihrem Rucksack zu kramen. Falk, der ihr gefolgt war, sagte:

      „Na, das ist aber ein ganz freundlicher, was?“

      Sie sah ihn überrascht an, kniff dann prüfend die Augen zusammen und sagte mit einem Schulterzucken:

      „Ach, diese alten Leute, sind immer erst mal misstrauisch.“

      Sie fischte eine Packung Zigaretten aus ihrem Rucksack, zündete sich eine an und schien sich zum Gehen umwenden zu wollen. Falk überlegte nicht, die Eingebung war ganz plötzlich da.

      „Entschuldigung, dass ich dich jetzt so direkt frage, aber ich hab eben zufällig mitgehört und da hast du gesagt, du machst eine Sendung im OKJ…“

      Er grinste schief in der Bemühung, nicht aufdringlich zu erscheinen. Zumindest blieb sie stehen, und musterte ihn genauer. Kurz schien sie abzuwägen, ob er sie gerade anbaggerte, eine Bedrohung darstellte, oder schwachsinnig war. Schließlich blies sie Rauch aus und sagte:

      „Wieso, du bist wohl von der Konkurrenz, oder was? Lass mich raten: JenaTV?“

      Sie lachte, so als fände sie sich selber ziemlich witzig.

      Nicht im Geringsten!, versicherte Falk. Vielmehr interessiere er sich schon länger für den Radiosender. Er und ein paar Freunde seien nämlich dabei, ein Fußballturnier zu organisieren und hätten sich überlegt, dass etwas Werbung nicht schaden könne. Ob es da vielleicht eine Möglichkeit gäbe, beim OKJ?

      „Naja, so direkt Werbung ist eigentlich nicht erlaubt. Aber es kann jeder, der gerne etwas mitteilen möchte, dort eine Sendung produzieren. Kosten tut es nix. Ihr müsstet wahrscheinlich einfach eine Sendung über eure Truppe und euer Turnier machen. Wobei…“ Sie sah ihn abschätzend an und fuhr dann fort: „…mich persönlich als Hörer das vermutlich nicht die Bohne interessieren würde!“

      Dabei prustete sie wieder los, als könne sie es gar nicht verhindern. Als sie sein verdattertes Gesicht sah, setzte sie hinzu:

      „Im Übrigen hab ich auch keine Ahnung, ob sich irgendwer für meine eigenen Sendungen interessiert. Ist aber egal. Der OKJ wird von öffentlichen Geldern finanziert, es gibt keine Einschaltquoten oder so. Du kannst dort also auch eine Stunde lang über Kartoffelbrei diskutieren, oder die Volksmusik deiner Tante einspielen. Bloß rechtsradikalen Scheiß, den darfst du natürlich nicht bringen!“

      Nachdem sie ihn einmal als ungefährlich eingestuft hatte, wirkte sie, als wäre es das Normalste der Welt, mit einem Fremden