Günter Billy Hollenbach

Die Hexe zum Abschied


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Ende ihrer therapeutischen Darlegung geht in unserem Lachen unter. Bestimmt ist Corinna außer Hörweite; sonst würde sie der Kollegen einen verschärften Verweis erteilen.

      „Klingt sehr reizvoll. Ich bezweifele allerdings, dass die Chefin Verständnis für diese Therapieform aufbringt.“

      Unvermittelt, wenn auch weiter angenehm im Klang, schaltet Frau Conrad um auf dienstlich.

      „Also, was gibt’s, Herr Berkamp?“

      „Ich versuche Corinna zu erreichen, aber leider ...“

      „Ist auch besser so,“ unterbricht sie mich. „Sie steckt mitten in der Personalplanung. Wir haben zwei unerwartete Ausfälle. Es ist einfach schwierig zur Zeit. Wenn Sie wollen, ich kann ihr ausrichten ...“

      „Ich rufe informell an. Es geht um Frau Dr. Neskovaja. Leider konnte ich den Täter noch nicht festnehmen. Ich hatte meine Handschellen vergessen und war unbewaffnet. Dennoch habe ich ein paar Dinge herausgefunden ...“

      „Oh, schön, Herr Hobby-Bulle; das interessiert mich, sagen Sie!“

      „Halt, junge Frau, ...!“

      „Ach, tut mir das gut!,“ unterbricht sie aufgekratzt.

      „Corinna ist nun mal Ihre Chefin und mein Boss. Und wenn es um die Arbeit geht, legt sie Wert auf die richtige Reihenfolge ...“

      „Wieso, federführend in dem Fall bin ich.“

      „Weiß ich. Trotzdem, seien Sie nachsichtig, Frau Conrad.“

      Ihre Stimmer zu hören ist nett, die Frau zu sehen netter.

      „Mein Vorschlag: Morgen Essen gehen, zu dritt, bei Ihnen in der Kantine. Wie wäre das? Ich komme gegen halbeins, und mein häuslicher Friede bleibt gewahrt.“

      „Prima, gern. Das lässt sich einrichten. Ich kläre das mit Corinna und ... rufe zurück, falls etwas dazwischen kommt. Ansonsten morgen zum Mittagessen hier bei uns.“

      War das eben ein Telefonflirt an der Grenze des Vertretbaren? Verheiratet ist sie nicht. Für ein Kind wird es langsam Zeit; falls sie mit ihren um die vierzig Jahren überhaupt eins will. Was mag sie für einen Freund haben? Sofern es einen gibt in ihrem Leben. Auch ein Bulle? Oder steht sie mehr auf Frauen?

      Ich wüsste zu gern, wie die Frau im privaten Umgang ist. Wenn sie Kopfweh hat oder schlecht gelaunt ist; falls solche Plagen sie jemals befallen. Als Partner – wie hält man dieses hübsche, grundsätzlich freundliche Gesicht aus, das schnelle, offene Lächeln und die stets heiter klingende Stimme?

      Den ganzen Tag lang?

      Beneidenswert.

      Wie wäre das?! Von Montag bis Freitag könnte sie bei mir wohnen.

      Meine wilde Phantasie. Oder mein karges Hausmannsdasein?

      Oh ja, das würde Corinna eine Lehre erteilen. Und schlagartig sowohl mein Privatleben als auch Veras Arbeitsverhältnis unheilbare zerrütten.

      24

      Hochbetrieb in der Kantine. Der lichte Pavillonkasten im ersten Innenhof des Polizeipräsidiums summt von Gesprächen und Essensgeräuschen. Nur wenige der Anwesenden tragen Anzug und Krawatte, die meisten Alltagsklamotten mit Freizeithauch. Die Uniformierten zwischendrin sitzen in Gruppen zusammen.

      Frau Conrad hat mich vom Eingangsbereich an der Adickes-Allee zu einem kleinen Ecktisch gelotst. Corinna sitzt bereits dort. Als wir näher kommen, erfasst mich ein milder Schreck. Eine von Monas rauflustigen Spitzen klingt mir im Ohr. ,Mammi,’ erklärte sie eines Samstagmittags am Küchentisch ihrer entgeisterten Mutter, ,wahre Schönheit kommt von innen. Wenn Du nicht aus dir heraus strahlen willst, ist das schönste Make-up für den Arsch.’

      Worauf Corinna gereizt entgegnete: ,Vielleicht weiß meine neunmalkluge Tochter auch, was man tut, wenn einem die Arbeit die Lust am inneren Strahlen raubt?!’ Worauf die, ohne eine Sekunde zu überlegen, meinte: ,Ganz einfach; dann arbeitest Du falsch. Oder machst die falsche Arbeit.

      Meine „dienstliche“ Corinna, kaum geschminkt, in schwarzem Rollkragenpulli, Bluejeans und gedeckt grünbraun kariertem Jackett, sieht angegriffen aus, überarbeitet oder übermüdet. Ihre oft strahlenden, grünbraunen Augen wirken glanzlos. Mona hat gut Reden.

      „Hey, Corinna, Schatz.“

      Sie nickt mit mattem Lächeln zu uns auf. Immerhin, kaum hängt meine Jacke über der Stuhllehne und Frau Conrad und ich nehmen einander gegenüber Platz, beugt Corinna sich seitlich zu mir und drückt mir ein spitzes Küsschen auf die Wange. Ich lege meinen Arm um ihr Schulter, ziehe sie zu mir, flüstere ihr ins Ohr:

      „Und ich liebe dich auch.“

      Sie errötet, schaut verlegen um sich, sagt in normaler Lautstärke:

      „Aber nur, weil Du es bist.“

      Corinna begnügt sich mit Erbsensuppe und Rindswurst. Ich gönne mir Kartoffelknödel mit Roulade und Rotkraut, mit Lust und Appetit auf Frau Conrads Kosten. Die, wieder in jeansgemäßem, rehbraunen Wildlederanzug, stochert in einem großen griechischen Salat herum.

      „Na, Herzblatt, hast Du deine Personalsorgen begraben?“

      Corinna zieht verärgert die Augen zusammen.

      „Mann, Robert, lass uns lieber über ’s Wetter reden.“

      Dann ändert sie die Tonlage.

      „Und dir, meine liebe Vera, erteile ich einen privaten Verweis. Hinter meinem Rücken mit meinem ...“

      Die geht vergnügt dazwischen.

      „Hi, hi, das gefällt mir. Kennst Du die Steigerung von Freundin?“

      Corinna, unbehaglich: „Nun sag schon!“

      „Ganz einfach: Freundin, Chefin, Corinna.“

      Der erstarrt die Hand mit dem Löffel über der Erbsensuppe. Corinna versucht es mit einem verlegenen Lächeln, streckt jedoch ihrer Kollegin kurzentschlossen die Zunge raus. Sie löffelt etwas Suppe, kaut bedächtig, fragt schließlich gönnerhaft:

      „Also Robert; Vera sagt, Du hast rumgeschnüffelt. Hoffentlich rechtfertigt das Ergebnis deinen Besuch in unserem Gefechtsstand?“

      Für mich ist dies die erste Gelegenheit, die zwei Kolleginnen gemeinsam zu erleben. Unser Treffen bietet ihnen bestenfalls eine kurze Unterbrechung der selten erheiternden Arbeit, einen willkommenen Anlass für kleine Sticheleien; Sympathiebekundungen, die im Normalbetrieb eher unterblieben. Von meiner Freizeitstimmung möchte ich ihnen gern ein wenig abgegeben. Wenigstens jetzt.

      Warum also gleich über Arbeit sprechen?!

      „Corinna-Schatz, die Gesellschaft zweier liebreizender Damen und ein wunderbares Mittagessen sind für mich Gründe genug. Was gäbe ich darum, dies öfter zu erleben?!“

      „Ich trete dir gleich vors Wadenbein,“ kommt umgehend als Antwort.

      Frau Conrad hält inne, als hätte sie sich verschluckt.

      „Sag mal, wenn das euer gewöhnlich herzlicher Umgang ist, wundert es mich nicht, wenn ihr während der Woche ...“

      „Vera, noch ein Wort, und es gibt keinen privaten, sondern einen dienstlichen Verweis!“

      Corinna zieht die zwei Steilfalten zwischen den Augenbrauen zusammen; ein sicheres Zeichen für einsetzendes Missvergnügen. OK Conrad errötet leicht, sieht ihre Chefin verwundert an. Dann lächelt sie in meine Richtung:

      „Wie gesagt: Freundin, Chefin, Corinna.“

      Die schaut angestrengt auf ihre Rindswurst, schneidet schließlich eine Scheibe davon ab. Na schön, mein Herzblatt bastelt noch an ihrer Einstellung zu meinem Betreten ihres Herrschaftsbereichs.

      „Hochverehrte