Rudolf Jedele

Shandra el Guerrero


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nicht gestattet, so ausgerüstet die Stadt zu verlassen und ins Exil zu gehen.

      Sein langes, jetschwarzes Haar trug Shaktar im Nacken zu einem dicken Knoten geschlungen, welcher ihn als zur Kaste der Krieger gehörend auszeichnete.

      Shaktar war ein, für einen in der fliegenden Stadt geborenen Menschen außergewöhnlich groß und muskulös. Er maß einen Meter und fünfundachtzig Zentimeter, seine Schultern waren breit, die Hüften schmal, die Beine lang und schlank. Alles an seinem Körper wirkte athletisch und durchtrainiert, selbst seine kräftigen Hände ließen erkennen, dass sie es gewohnt waren zu zupacken und festzuhalten, was sie gefasst hatten.

      Shaktar war zudem auch ein schöner Mann, das wusste er, das bestätigten ihm die vielen Abenteuer, Eskapaden, Affären und Beziehungen die er im Laufe seines Lebens mit Frauen aller Art in der fliegenden Stadt gehabt hatte. Seine weiße Haut am ganzen Körper, auch im Gesicht war straff und glatt, die Stirn war hoch, breit und klar, seine Augenbrauen so schwarz wie sein Kopfhaar und dicht wie schwarzes Moos. Seine Augen standen weit auseinander und glitzerten in einem geradezu magnetisch wirkendem, eisigen Grau, seine Nase war etwas lang aber sehr gerade, mit einem kräftigen Rücken und weit geschwungenen Nüstern, seinem Mund war anzusehen, dass Shaktar über ungeheuer viel Willenskraft und Energie verfügte, was durch das markante Kinn mit dem tiefen Grübchen in der Mitte noch unterstrichen wurde. Shaktar war frisch und glatt rasiert und dennoch wirkten seine Wangen und sein Kinn, als wären sie von einem schwarzen Schatten überflort.

      Ein schöner Mann, ein starker und harter Mann in jeder Beziehung, der Star und Sieger zahlloser Kämpfe in den Arenen Ninives, aber auch ein Mann dem das eigene Wort noch etwas galt und der für die Einhaltung eines einem Freund gegebenen Versprechens eher in den Tod ginge, als dieses Versprechen zu brechen.

      Vor Shaktars innerem Auge spielte sich in dieser letzten halben Stunde ehe er sein gewohntes Leben vermutlich für immer verlassen musste, die Szene ab, die sich vor etwas mehr als zwei Stunden ereignet hatte.

      Eine Abordnung von vier Agenten war gekommen und hatte seine Geliebte, die junge und so wunderschöne Sombra abgeholt. Allein die Erinnerung an diese Momente ließ in Shaktars Magen einen eisigen Klumpen entstehen.

      Sombra war selbst Agentin und gehörte trotz ihrer Jugend – sie war noch lange nicht hundert Jahre alt – zu den zehn besten Agenten der Stadt. Allein aus dieser Sicht war es angemessen, dass sie von einer derart starken Abordnung abgeholt wurde. Sie beide hatten gewusst, was auf sie zu kam, sie beide hatten sich auf den Abschied vorbereitet und die letzten Stunden damit verbracht, sich mit geradezu verzweifelter Intensität wieder und immer wieder zu lieben und sich zu schwören, dass sie alles, wirklich alles daran setzen wollten, um auf der Erde zu überleben und sich zu finden. Sombra war so weit gegangen, Shaktar zu schwören, dass sie es schaffen würde, auch ihren gemeinsamen Sohn gesund zur Welt zu bringen und so lange am Leben zu erhalten, bis sie und Shaktar einander wieder gefunden hatten. Dann hatte Sombra sich angekleidet und gemeinsam hatten sie gefasst und in Würde auf die Abordnung gewartet.

      Die vier Agenten - drei Männer und eine Frau – waren genau zur angekündigten Zeit aufgetaucht. Man wusste um Sombras Fähigkeiten, denn man schickte vier routinierte Agenten, die Sombra an ihren Verbannungsort bringen sollten und einer der Männer hatte ein Holo mitgebracht, auf dem eine letzte Anordnung des Rates der Zwölf gespeichert war.

      Die Botschaft wurde vom Lordkanzler selbst, dem runzligen und schon über tausend Jahre alten Mordegay verlesen. Die Luft zitterte kurz, als sich das Holo aktivierte und das nahezu lebensechte Bild des Lordkanzlers entstand, dann ertönte seine tiefe Stimme und verkündete:

       „Agentin Sombra, der Rat hat noch einmal über das Urteil nachgedacht, das verhängt wurde. Das Urteil wird insgesamt aufrecht erhalten, doch es wird dir untersagt, etwas anderes aus Ninive mitzunehmen, als dich selbst. Du wirst splitternackt auf der Hochebene Grazalema ausgesetzt werden. Alle anderen Bedingungen bleiben wie ursprünglich festgelegt. Entkleide dich also und folge dann den Agenten.“

      Das Holo flimmerte kurz auf, dann erlosch es. Der Mann unter den Abgeordneten nickte Sombra zu und befahl:

       „Du hast die Botschaft gehört. Befolge sie nun. Lege deine Kleidung ab und dann folge mir, damit wir dich zum Astroport bringen und in die Emigrationskapsel setzen können. Ninive will dich so schnell wie möglich los werden.“

      Ninive tötete keine Menschen. Doch Ninive scheute sich nicht davor, Menschen auf das höchste zu demütigen und sie nackt und unbewaffnet in einer absolut feindlichen Umwelt auszusetzen, was den sicheren Tod bedeutete…

      Sombra befolgte die Anweisungen des Holos und legte ihre Kleidung ab. Dabei war ihr Gesicht so blass, dass ihre Haut beinahe leuchtete. Dann wandte sie sich noch ein letztes Mal an Shaktar, schlang ihre Arme um seinen Nacken küsste ihn und richtete dann zum letzten Mal ihre Worte an den Mann, den sie liebte.

       „Nun haben sie es also doch noch geschafft. Sie haben einen Angelo aus mir gemacht. Ich schwöre hier und jetzt, dass ich mein Leben lang nicht ruhen werde und alles daran setzen werde, um die fliegende Stadt zu vernichten. Nichts soll übrig bleiben, was jemals an Ninive und seine Bewohner erinnern kann.“

      Sombras Stimme hatte nichts von ihren tatsächlichen Gefühlen wider gespiegelt. Ernst und ruhig, fast gelassen hatte sie ihre Worte vorgebracht, nur in ihren jadegrünen Augen war der Hass zu erkennen, der in der jungen Frau tobte, denn diese Augen wirkten so hart wie Splitter eines Diamanten.

      Shaktar antwortete mit nicht weniger ruhiger und ernster Stimme.

       „Nicht einen Angelo haben sie geschaffen, es sind deren zwei. Mehr, ich werde der erste Erzengel sein, den es gibt und nichts wird uns aufhalten können, wenn es darum geht, diese unsägliche Stadt zu vernichten. Dies schwöre ich bei meinem Leben und meiner Ehre als Krieger.“

      Kaum waren diese Worte gesprochen, begann die Luft erneut zu flimmern, wiederum baute sich ein Holo auf, diesmal war es Shaktars Nachfolger Nurmigo, der sich meldete.

       „Du weißt natürlich, dass wir deine Worte mitgehört haben und nun wissen, was in dir vor geht. Deshalb wirst du uns auch nicht übel nehmen, wenn wir dir sagen, für wie lächerlich und unwürdig wir deine Drohung halten, doch es ist unter unserer Würde, gegen deinen Hass und deine Drohungen vorzugehen. Doch du solltest daran denken, dass mit deiner Absetzung als Erster Krieger auch deine dir von Ninive übergebene Macht verloren gegangen ist. Mach dir also keine allzu großen Hoffnungen über deine Zukunft.“

      Das Holo erlosch und die vier Abgeordneten starrten Shaktar mit einem höhnischen und durch und durch herausfordernden Grinsen an, es war als wollten sie den Mann zu einer unbedachten Handlung provozieren.

      Shaktar spürte die unterschwellige Herausforderung und unterzog sich sofort der intensiven Selbstkontrolle. Jede Regung verschwand aus seinem Gesicht und seine Haltung glich viel eher der einer aus schwarzem Holz geschnitzten Statue, als der eines Menschen.

      Sichtlich enttäuscht wandten die Agenten sich von ihm ab, nahmen Sombra in ihre Mitte und bugsierten die junge Frau zur Tür und hinaus. Ein letzter Blickwechsel, die Erkenntnis, den geliebten Menschen vermutlich für immer verloren zu haben und dann war sie fort.

      Nie in seinem langen Leben hatte sich Shaktar einsamer gefühlt als in der Zeit, die vergangen war, seit Sombra aus seinem Blickfeld verschwunden war. Daran änderte sich auch nichts, als wenig später Falsett auftauchte, um formell von ihm Abschied zu nehmen, zuvor aber sollte er noch ihre Freigabeerklärung unterzeichnen, denn nur mit dieser war es Falsett erlaubt, mit einem anderen Mann eine neue Bindung einzugehen.

      Shaktar unterzeichnete die Dokumente mit stoischer Gleichgültigkeit und auch der Abschied von Falsett würde sich nicht von dem unterscheiden, mit dem zwei flüchtige Bekannte sich von einander verabschiedet haben würden. Obwohl sie seit mehr als fünfhundert Jahren vor den Gesetzen der Stadt ein Paar gebildet hatten, verband sie wenig mehr, als eine flüchtige Bekanntschaft. Hätten sie sich die Mühe gemacht, die gemeinsam verbrachten Tage zu zählen, sie wären kaum auf hundert gekommen, denn ihr Zusammenschluss war damals rein politisch begründet gewesen und rasch hatten sie erkannt, dass die Summe ihrer Gemeinsamkeiten