Mila Brenner

Wolkenschwäne


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als sie um zwei Uhr Feierabend hatte und nach Hause ging. Der Nachmittag war jedoch nicht stressig, wie ich erwartet hatte. Ich kam gut zurecht, und wenn ein Kunde an der Kasse mal zwei Minuten warten musste, war er verständnisvoll. Der Vorteil am Leben in einer Kleinstadt war der, dass die Menschen viel weniger gehetzt waren. Außerdem behauptete ich Sephie gegenüber gerne, dass die gemütliche Einrichtung mit den verspielt buchigen Accessoires und den warmen Farben, die Leute beruhigte und fröhlich stimmte. Bücher hatten diese Wirkung auf Menschen und ich war ohnehin der Meinung, dass Buchliebhaber die nettesten Menschen auf der Welt waren.

      Mein poetischer Teddybär

      „Edie!“, mein Vater nahm mich in den Arm und ich gab ihm einen Kuss auf die Wange. „Schön, dass du gekommen bist.“

      „Wenn du mich nicht nur mit Moms Erdbeerkuchen, sondern auch noch mit einem Spaziergang durch den Park herlockst, kann ich doch unmöglich nein sagen.“

      Mein Vater lachte leise. Natürlich hatte ich Recht und er hatte gewusst, dass er mich so aus der Wohnung locken konnte. Dabei hatte ich mir schon genau ausgemalt, was ich mit diesem warmen Sommersonntag anfangen wollte. Zuerst wollte ich meine Wäsche waschen und aufhängen, die trocknete bei den Temperaturen nämlich wunderbar. Danach hätte ich einen kleinen Stadtbummel gemacht und irgendwo in einem Bistro auf der Pearl einen leichten Salat gegessen. Den restlichen Tag hätte ich mit meinem aktuellen Buch auf dem Sofa verbracht. Als ich gerade die Waschmaschine angestellt hatte und ins Bad gehen wollte, um mich fertigzumachen, hatte mein Vater angerufen.

      Nun folgte ich ihm am Haus vorbei zum Garten, wo meine Mutter das Mittagessen auftischte.

      „Eden.“ Sie küsste mich über die große Schüssel, die sie in der Hand hielt.

      „Kann ich dir noch helfen?“

      Sie warf einen Blick auf den Tisch und schüttelte den Kopf.

      „Nein, setz dich zu deinem Vater. Ich gehe nur schnell die Limonade holen.“

      „Das sieht alles ganz toll aus.“ Ich warf meinem Vater einen Blick zu und er lächelte.

      „Nachdem ich deiner Mom sagte, dass du schon zum Mittagessen kommst, ist sie gleich in der Küche verschwunden.“

      „Du hast das geschickt geplant. Mom wollte mich wohl nur zum Kaffee einladen, was?“

      „Sie dachte, wenn sie dich fragt, ob du den Tag mit uns verbringen willst, hast du eine Ausrede parat und kommst gar nicht. Sie hat immer noch nicht gelernt, dass man nur die richtigen Worte finden muss.“

      „Du meinst, sie weiß nicht, wie man mich besticht?“

      Er grinste unverschämt und sah dabei aus, als sei er sich keiner Schuld bewusst. Ich schüttelte lächelnd den Kopf.

      „So da bin ich.“ Meine Mutter schenkte uns ein. „Warum habt ihr euch noch nicht aufgetan?“

      „Du machst das viel besser, Liebling.“ Mein Vater lehnte sich in seinem Gartenstuhl zurück und meine Mutter nickte ernst.

      „Das stimmt. Was darf ich dir geben?“

      Sie meinte mich und ich sah auf die verschiedenen Schüsseln und Schalen. „Was ist das alles, Mom?“

      „Das hier ist Salat mit frisch gerösteten Pinienkernen und Ziegenkäse. Das da ist Salat mit Heidelbeeren und Linsen und der Feldsalat ist mit Erdbeerdressing gemacht.“

      Ich warf meinem Vater einen Blick zu und er erwiderte ihn. In seinen Augen las ich die eindeutige Botschaft: „Ich habe es dir ja gesagt.“

      „Weißt du Mom, das sieht alles hervorragend aus und ich habe nicht gefrühstückt. Ich nehme von allen drei Salaten ein bisschen.“

      Meine Mutter lächelte glücklich, schnitt mir danach von dem noch warmen Brot zwei große Scheiben ab und schob den Ziegenfrischkäse und die Erdbeermarmelade in meine Richtung.

      Wir aßen über eine Stunde, saßen dabei zusammen im Garten und unterhielten uns. Mein Vater erzählte mir von der Ernte, seinem Kampf gegen freche Vögel und Käfer und seinen neuen Eigenkreationen, wie der Erdbeer-Ingwer Marmelade und dem Birnen-Quitten Gelee mit einer kleinen Note von Cranberry. Ich versprach zu kosten, und ihm danach meine ehrliche Meinung zu sagen. Allerdings klang der Name bereits so lecker, dass ich schon jetzt wusste, dass es mir schmecken würde.

      Nachdem wir eingesehen hatten, dass keiner von uns in der Lage war, auch nur eine Gabel mehr zu essen, half ich meiner Mutter beim Abräumen. Während sie die Salate umfüllte und in den Kühlschrank stellte, spülte ich.

      „Und wie geht es dir Schatz?“

      Ich warf einen Blick über die Schulter und sah, wie meine Mom mich beobachtete.

      „Gut. Warum fragst du? Ich habe euch doch eben erzählt ...“

      „Du hast von deiner Wohnung erzählt, die Fotos auf deinem Handy gezeigt und von der Arbeit und Lila berichtet. Ich freue mich, dass ihr gut miteinander auskommt, deine Wohnung sieht wirklich schön aus und Vater und ich besuchen dich bestimmt gerne, um uns alles selbst anzusehen. Aber du hast uns trotzdem nichts von dir erzählt.“

      So wie sie das betonte, konnte ich die Intention dahinter nicht missverstehen. Ich seufzte. „Und ich dachte schon, du hättest es nicht gemerkt.“

      Meine Mutter schnaubte. „Ich bin deine Ma. Natürlich merke ich so was.“ Sie kam zu mir, lehnte sich an die Küchenzeile und sah mir von der Seite her in die Augen. „Es tut immer noch sehr weh, nicht wahr?“

      Ich nickte, unfähig etwas zu sagen.

      Sie streichelte meinen Arm und ich hörte, wie sie seufzte. „Ach mein armer Schatz.“

      „Nicht.“ Ich hob den Kopf und sah sie an. „Kein Mitleid, Mom. Wir müssen damit aufhören. Es hilft mir kein bisschen, wenn du genau so traurig bist, wie ich.“

      „Ja, ich weiß.“ Sie lächelte unsicher. „Aber ich weiß nicht, was ich machen kann, um dir zu helfen. Und das macht mich wahnsinnig, Kind.“

      „Das braucht es nicht. Mit der Zeit wird es besser.“ Das musste es einfach. „Es ist schön bei euch zu sein und zu reden. Lass uns so tun, als wäre das der Grund dafür, dass ich hier bin und nicht, weil ihr euch immer noch Sorgen um mich macht. Meinst du das geht?“

      „Ja.“ Sie nickte. „Ja, natürlich, Schatz.“

      „Edie?“

      Ich sah an meiner Mutter vorbei. Mein Vater stand im Flur und warf mir einen fragenden Blick zu. „Hast du Lust auf einen Spaziergang? Wir können bis zum See gehen und sind bestimmt rechtzeitig zum Kaffee wieder hier. Außerdem haben wir nach dem Laufen bestimmt mehr Hunger als jetzt.“

      „Müssen wir denn viel Hunger haben?“ Ich sah von ihm zu meiner Mom, die verlegen errötete.

      „Es gab da dieses neue Rezept, was ich ausprobieren wollte.“

      Ich lachte auf. „Und das heißt?“

      „Deine Mutter hat Erdbeerkuchen gemacht, einen Obststreuselblechkuchen und noch Torteletts. Du siehst, wir müssen unbedingt bis zum See laufen, bevor wir uns wieder zurück in den Garten trauen.“

      „Du bist wirklich unmöglich, Mom.“

      „Ach was. Das, was übrig bleibt, kann dein Vater morgen mit in den Laden nehmen. Wenn es nach unseren Kunden geht, könnte ich glatt noch eine Bäckerei oder ein Café aufmachen.“

      Mein Vater nickte. „Sie lieben das Gebäck deiner Ma.“

      „Natürlich lieben sie es.“ Daran zweifelte ich kein bisschen. Meine Mutter war eine ausgefallene Köchin, aber sie tat es mit so viel Liebe und Leidenschaft, dass jede ihrer Kreationen dennoch gelang, und zudem unglaublich lecker war.

      „Vielleicht sollte ich mir die Idee ernsthaft überlegen. Wäre zur Abwechslung doch mal schön, mein eigener