Er mochte nicht viele Menschen, nicht mehr seit dem Vorfall, weswegen er verurteilt worden war. Und auch wenn er sie vermutlich nie wiedersehen würde, fand er es schön, Isara kennen gelernt zu haben. Sie hatte ihr Herz am rechten Fleck. Er konnte immer mehr nachvollziehen, warum Zylin sie so nahe an sich herangelassen hatte. Wakaner waren nämlich sehr wählerisch in Bezug auf nähere Bekanntschaften mit Menschen.
Nachdem Isara Ralphs Wunden verarztet hatte, legte ihn Janus tatsächlich an die Leine. Ein Stahlseil von der Wand hinter dem Bett zu seinen hinter dem Rücken gefesselten Händen. Gerade lange genug, sodass es aufs Bett und zur Toilette reichte.
Janus hatte zwar nur eine Regel, aber die hielt er ein. Immer. Er tolerierte Einiges. Nur, krümmt man einer Wache auch nur ein Haar, war Schluss. So seine Regel. Endgültig und indiskutabel. Und Petraks Auge sah hässlich aus. Janus trug die Verantwortung und hatte das letzte Wort, wenn er sagte, es ist Schluss, war es so. Sie würden mit dem nächsten Transporter abreisen. Da konnte selbst Dr. Kitel nichts mehr ausrichten. Das war eine Frage der Sicherheit.
Ralph war’s egal. Mit hinter dem Rücken gefesselten Händen, wie ein Hund an einer Kette an der Wand angebunden, sass er auf der Bettkante. Petrak machte sich auf zu gehen.
„Petrak“ sprach Ralph den grossen Mann mit braunem Haar und geschwollenem Auge an. „Ralph“ Petrak blieb stehen, sah Ralph an „Bitte entschuldige. Das mit deinem Auge tut mir Leid.“ „Entschuldigung angenommen. Ist halb so schlimm. Richtig leidtun wird es dir Zuhause noch genug. Janus wird das nicht vergessen und ein paar Tage an der Wand wirst du wohl dafür einkassieren.“ „Schon klar. Wollte nur, dass du es weißt.“ Petrak lächelte „Ich weiss doch“, nickte und ging. Janus wartete an der Tür.
„Isara? Kommst du?“ Isara stand neben dem Tisch. Wollte gerade Janus Aufforderung nachkommen, als sie Ralphs Brille auf dem Boden unter dem Sessel sah. Sie hob sie auf, zeigte sie Janus, der nickte, was so viel hiess, wie dass sie die Brille ihrem Eigentümer zurückbringen durfte. Ralph konnte sich die Brille ja selbst nicht mehr holen.
Ach, wie sie ihn vermissen wird, dachte Isara.
Kurz gereinigt und auf Vollständigkeit kontrolliert, setzte sie Ralph die Brille behutsam auf die Nase. Ganz darauf bedacht, seine Verletzungen nicht zu berühren. Er liess es geschehen. „Darf ich trotzdem eine Frage stellen?“ flüsterte sie. „Sicher. Fragen kannst du immer, wenn du die Antwort nicht scheust.“ sie sah auf ihn herab, er sass immer noch auf der Bettkante. „Die Narben“ fuhr sie fort. Er kniff die Augen zusammen, studierte was sie wohl meinte. Fragte sich, wie sie darauf kam? Woher wusste sie davon? Dann lächelte er, die erste Begegnung, natürlich! Sie hatte ihn ohne Oberteil gesehen.
Beim Reden hob sie die Decke vom Boden auf, legte sie aufs Bett. „Da du kein Soldat bist... warst. Frage ich mich, woher die Narben stammen. Die sind nicht vom Krieg, die sind aus deiner Kindheit. Richtig.“ sie sah ihn an „Weil du vorhin das mit ‚der hässlichen Geschichte’ gesagt hast.“ sie sah ihm weiter ins Gesicht, wartete auf eine Antwort oder Reaktion „Warum lächelst du? Lachst du mich aus?!“
Ralph stand auf, jetzt war’s auch egal. Janus glühte ihn von der Tür aus bereits drohend an, hob mahnend den rechten Zeigefinger, spannte sich an um sofort loslaufen zu können. Ralph liess Janus nicht aus den Augen, während er sich ganz nahe an Isara stellte und ihr ins Ohr flüsterte „Ich lach dich nicht aus, ich lach über mich selbst. Und du hast Recht mit deiner Vermutung.“ „Warum flüsterst du?“ flüsterte sie zärtlich in sein Ohr zurück „Janus braucht das nicht hören. Bitte versprich mir zu bleiben wie du bist. Und wenn du kannst, ihn aufwachen zu lassen, damit er wenigstens weiss, wo er ist. Kannst du das?“
Sie gab Ralph unvermittelt ein Küsschen auf die Wange. Strahlte ihn an „Versprochen. Ich tu was ich kann. Danke fürs Kompliment. Mach’s gut. Wäre schön, wir würden uns wieder einmal treffen. Ich werde unsere Gespräche vermissen.“ „He! Wenn das Phil wüsste!“ rief Janus in ironischem Tonfall von der Tür und gleich hinter Janus „Wenn ich was wüsste?“ Phil hatte vom Tumult gehört und wollte nach Isara sehen. Er streckte neugierig seinen Kopf neben Janus zur Tür herein.
Immer noch strahlend kam Isara auf die beiden zu „Dass ich Ralph zum Abschied ein Küsschen auf die Wange gegeben habe.“ „Zum Abschied?“ wunderte sich Phil „Ja, das war mein letzter Besuch vor seiner Abreise. Darum.“ Sie umarmte Phil „Ich verstehe nicht. Was ist denn passiert? Wieso Abreise?“ dann küsste sie auch Phil auf die Wange „Frag Janus.“
Derweil hatte Janus die Tür verschlossen. Phil sah ihn fragend an. „Clevere Freundin hast du da.“ meinte Janus. Phil stiess Isara weg, hielt sie mit beiden Händen an den Schultern vor sich fest. Sah sie an, dann Janus „Kann mir bitte endlich jemand erzählen, was los ist?! Deine Kleidung ist voller Blut!“ Janus antwortete „Ja. Deswegen werden wir so rasch als möglich abreisen. Der Transport ist schon bestellt. Und ich hab’s zwar noch nicht erwähnt, aber Isara hat’s schon vermutet: Ab sofort keine Besuche mehr. Er hat den Bogen überspannt, ich muss das aus Sicherheitsgründen so anordnen.“ „Das wird Kitel nicht absegnen.“ meinte Phil „Spielt keine Rolle. Petrak ist verletzt. Wir reisen ab. Da kann er nichts tun, ausser ihn später erneut herbestellen, wenn er will, was ich nicht denke.“
Isara drehte sich zu Janus um, sah ihm in die Augen „Warum hast du ihn eigentlich nicht beteubt? Dafür sind doch seine Fesseln.“ Verlegen beugte sich Janus zu Isara hinunter und flüsterte „Weil ich das verdammte Gegenmittel vergessen habe. Ich wüsste nicht, wie ich ihn wieder geweckt hätte. Und die hier um Hilfe bitten“ er stellte sich wieder gerade hin und winkte ab „das wäre ärgerlich und umständlich gewesen. Bis wir nur schon das richtige Mittel gefunden hätten. Ich hatte gehofft, es ginge ohne.“
11 - Kein gutes Gefühl - Joret & Sora
„Verfluchtes, hinterlistiges Dreckpack!“ Joret donnerte mit der Faust auf seinen Tisch. Denn eben hatte er die Meldung von Überfällen in der trotarischen Ebene erhalten. Das Arbeitslager wurde übernommen. Alles auf rotsander Boden!
Er aktivierte die Gegensprechanlage „Tatjana!“ „Hauptmann?“ „Ich muss die Stadtherren sprechen. Sofort!“ „Sind nicht alle in der Stadt. Aber ich tu was ich kann.“ „Beeil dich!“
Aufgeregt durchsuchte Joret seine Unterlagen über die Personalbestände. Dachte nach. Ärgerte sich. ‚So dumm!!’ daran hätte er denken müssen. Die ganze Säbelrasslerei in der rupianischen Ebene. Alle fokusierten sich auf Rupes, dabei griffen sie nun auf rotsander Boden an. Damit hatte keiner gerechnet! Schon gar nicht jetzt, denn die Mistkerle waren gerade erst in der Stadt gewesen um sich den möglichen Standort einer Botschaft anzusehen. Alles Ablenkung, Ablenkung.
Wieder aktivierte er die Gegensprechanlage. Diesmal war es der Funk nach Rupes. „Hier ist Barb..“ „Ja ich weiss. Joret. Ich muss Sora sprechen. Sofort.“ „Soll ich noch antworten oder gleich wegrennen und sie holen?!“ gab die Frauenstimme am anderen Ende gekonnt schnippisch auf typisch rupianische Art und Weise zurück „Schon gut. Entschuldige Barbara. Also, bitte geh und hol Sora, ich muss sie sofort sprechen. Es ist dringend. Bitte.“ es kam keine Antwort zurück „Barbara? Bist du noch da?“ nichts, offenbar war Barbara bereits unterwegs um Sora zu holen. Joret lächelte. Er kannte Barbara, mochte sie, sie war freundlich, wusste sich zu wehren und war unkompliziert. Sie hatte ihn wohl absichtlich in dieses Selbstgespräch laufen lassen, quasi zur Strafe seiner Unhöflichkeit von eben. Geschah ihm recht, fand er.
Auf der anderen Gegensprechanlage blinkte das Licht „Tatjana, was ist?“ „Ilrimi wäre jetzt da.“ „Soll reinkommen, danke.“
Joret sah sich in seinem Büro um. Ein paar Akten mehr als sonst lagen herum. Die Sonne schien durchs Fenster herein und gab dem sonst ziemlich kahlen Büro einen Hauch von Wärme. Die Tür öffnete