Manja Gautschi

Steintränen


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krausen Haare.

      „Ich hatte dich doch angewiesen“ Joret fuchtelte mit der Hand „dieses verbotene Funkding zu vernichten.“ Ilrimi nickte überrascht, Joret fuhr fort „Ich nehme an, das hast du natürlich nicht. So wie ich euch kenne.“ Joret sah Ilrimi an, der nicht wusste, was er sagen sollte. Es war richtig, er hatte den Haupt-Zentral-Codierer nicht vernichtet, wäre eine Sünde gewesen, so ein technisches Wunderwerk zu zerstören. Aber jetzt zugeben, dass er dem Befehl seines Hauptmannes nicht gefolgt war?

      „Dann deute ich das als ‚ja’. Dieses Funkding existiert also noch?“ „Wieso fragst du?“ „Weich mir nicht aus und stell keine Gegenfragen!“ „Also...“ „Ja oder Nein?“ Ilrimi nickte „Ja, das Gerät ist noch vorhanden. Aber nicht, dass ich jetzt wegen Befehlsverweigerung Probleme krieg.“ befürchtete Ilrimi „Nein. Heute nicht.“

      Erleichtert atmete Ilrimi aus. „Puh! Ich hatte schon befürchtet, dass es jemand verraten hatte oder es Probleme gibt und du“ „Ja, ja. Schon gut. Also nein. Ich will es benutzen.“ gab Joret sein Vorhaben preis. Ilrimi blickte ihn erstaunt an. „Wie jetzt?“ fragte er und Joret bestätigte. „Ja, verflucht. Aber inoffiziell. Verstanden? Es ist schliesslich immer noch verboten.“ Ilrimi nickte „Oooooohhh.Keeehh.“

      Einen Moment lang dachten beide nach. Schwiegen.

      „Wie stellst du dir das vor? Genau? Ich meine, ‚inoffiziell’? Genau? Was ist dein Ziel?“ erkundigte sich Ilrimi nach Einzelheiten. „Kannst du den Haupt-Zentral-Codierer hier im Haus installieren, sodass es niemand bemerkt?“ Ilrimi lächelte „Du weißt ja doch wie dieses ‚Funkding’ heisst.“ „Natürlich weiss ich das, hatte mit den Mistdingern schon genug Ärger in meiner Karriere. Was ist jetzt, kannst du das?“ wieder nickte Ilrimi „Denke schon.“ „Ja oder nein? Wir haben keine Zeit für Spielchen.“ pochte Joret auf eine klare Antwort. Ilrimi nickte „Ja, es geht. Aber dafür muss ich für 2 oder 3 Stunden alleine im Technikzentrum sein. Ohne Zuschauer. Vielleicht in einer Nachtschicht.“ „Gut, dann heute Nacht.“ „Hab ich keinen Dienst und...“ Joret hob die Hand „Jetzt schon. Dann heute Nacht. Es eilt.“

      Die Gegensprechanlage meldete sich, Joret behielt die Hand in der Luft um Ilrimi weiter vor dem Sprechen zu stoppen.

      „Barbara?“ „Ja, Sora und Macto wären jetzt hier.“ „Danke, eine Sekunde bitte“ Joret sah Ilrimi an „Danke Ilrimi, das war’s, du kannst gehen. Und ich will alles wissen. Jeder verfluchte Buchstabe den die miteinander austauschen kann nützlich sein. Verstanden?“

      Jorets Tonfall war abschliessend. Keine Antwort möglich. Also stand Ilrimi schweigend auf und bestätigte „Ja, verstanden.“ salutierte und verliess Jorets Büro.

      Vor der Tür blieb er stehen, dachte nach. „Ilrimi, ist noch was?“ fragte ihn Tatjana freundlich. Sie sass hinter ihrem Empfangstisch vor Jorets Bürotür. Headset auf dem Kopf, dampfende Teetasse vor sich und lächelte Ilrimi an. Wartete auf eine Antwort. Immer noch in Gedanken schüttelte er den Kopf, sagte „Nein, nein. Alles in Ordnung.“ und ging.

      Es fühlte sich alles so komisch an. Selbstverständlich wusste er von den Angriffen des Terra Sonnensystems, wer nicht. Alle waren schockiert, viele hatten Angst. Jetzt war’s soweit. Der Krieg wurde brutale Realität. Es fühlte sich so unwirklich an. Wäre da nicht Jorets Befehl, den ihn nun ganz konkret zum Handeln zwang, wäre es ‚nur’ eine Geschichte aus der Ferne, irgendwie. Er wünschte, Aron wäre da, oder Simone, oder Mara, ach... Mist! Er war so alleine.

      „Wir haben’s schon gehört, Joret. Echte Mistkerle. Scheisse.“ begann Sora das Gespräch „Willst du sie jetzt angreifen? Braucht ihr Unterstützung?" fragte sie weiter "Gleich zurückschlagen, bevor sie zu stark werden, sag ich.“ warf Macto ein. Sora und Macto waren aufgebracht, geladen. Voller Tatendrang, dass war deutlich zu hören. Typisch rupianisch halt.

      Joret winkte ab „Nein, Macto. Was sollte das bringen? Ein leeres Gefängnis zurück erobern? Das ist es nicht wert.“ „Aber ihr tut schon etwas? Nicht einfach nichts, oder?“ fragte Sora „Ja. Wir...“ „Du musst deinen faul gewordenen Hintern schon bewegen, Joret.“ ergänzte Macto energisch „Na, hör mal...“ antwortete Joret, wurde gleich von Sora unterbrochen „Macto hat schon Recht. Diplomatie ist gut. Aber“ nun reichte es Joret „Jetzt lasst mich doch erst ausreden!“ donnerte er zurück.

      Das Mikrophon verstummte.

      Auf der anderen Seite waren Sora und Macto zusammengezuckt. Sahen sich gegenseitig an. Beide wussten, dass sie Joret tatsächlich gleich übers Wort gefahren waren. Upps.

      Warteten. Macto zupfte sein dunkelrotes Hemd zurecht, rutschte etwas auf dem Stuhl herum. Blieb weiterhin still. Starrte auf das Funkgerät vor ihnen auf dem Tisch. Boris Bürotisch, um genau zu sein. Die beiden hatten es sich dahinter so bequem als möglich gemacht, die Tür verschlossen und mit dem Gespräch gestartet.

      „Joret? Bist du noch da?“ fragte Sora nach einer Weile. „Ja, ja.“ „Dann schiess los. Wir sind ganz Ohr.“ ein Räuspern war zu hören. „Was ich mit euch absprechen wollte war, dass wir Truppen an den Grenzen postieren werden um die Bevölkerung schützen zu können. Das Terra Sonnensystem auf keinen Fall weiter vordringen zu lassen. Das ist zwar von den Stadtherren noch nicht offiziell abgesegnet, aber in ein paar Stunden wird es das sein. Es wäre sinnvoll, ihr tut dasselbe. Und mit den anderen Grossregionen werden wir ebenfalls Kontakt aufnehmen. Was meint ihr? Und wann kommt eigentlich Boris zurück? Die zwei Wochen sind schon lange vorbei. Bald ist Winter.“

      Einstimmiges Nicken „Ja, das klingt sinnvoll. Aber wir haben zu wenig Leute um sie sinnvoll auf der gesamten Grenze zu verteilen. Ist auch nicht nötig, wie du weißt.“ „Ja, ja. Ich weiss schon, Boris würde es merken. Trotzdem, bei einem Angriff bräuchtet ihr Zeit um dorthin zu gelangen. Wertvolle Zeit, die ihr sparen könntet, wärt ihr schon vor Ort.“ „Richtig, aber wie gesagt: Zu wenig Leute. Wir müssen uns auf konzentrierte, punktuelle Einsätze fokussieren und uns auf Patroullien verlassen.“

      „Ach!“ seufzte Sora „Was hast du?“ „Ach Joret. Du bist sowas gewohnt. Weißt was zu tun ist. Ich hab einfach nur Angst, irgendwie. Bin wütend, fühle mich hilflos.“ Macto legte seinen Arm um Soras Schulter. „Sora“ antwortete Joret „Glaub mir, an sowas ‚gewöhnt’ man sich nie. Wütend bin ich auch, genauso wie ich Angst habe. Ich bin damals mit Tom hierhergekommen um genau sowas nie wieder erleben zu müssen. Du kannst dir nicht vorstellen, wie wütend ich bin. Und gegen meine ehemaligen Freunde antreten zu müssen zerreisst mir das Herz, genauso wie der Gedanke an die kommenden Kämpfe mit all den Verletzten und Toten.“

      Die Stimmung wurde zunehmend schwerer.

      „Am schlimmsten ist die Ungewissheit. Nicht zu wissen, was als Nächstes kommt.“ ergänzte Joret. „Dann ist die Idee, selbst die Initiative zu ergreifen, gar nicht so übel. Finde ich.“ schlug Macto vor. Macto war in der Tat ein ‚Mann der Tat’. Und Joret gab ihm Recht „Das ist richtig. Macto.“ „Aber?“ „Aber heikel.“ „Heikel?“ fragte nun Sora „Ja. Heikel. Weil wir nicht die Aufgabe der ‚Eroberung’ haben, sondern das ‚Beschützen und Zusammenhalten’. Wir müssen hierbleiben. Wenn sie es schaffen unsere Verteidigung von hier wegzulocken, also wir irgendwo aktiv einen Angriff initiierten, dann wären unsere Städte wehrlos. Sie könnten hinter unserem Rücken Rotsand oder Rupes einfach einnehmen.“ Joret schüttelte den Kopf „Nein, nein. Es ist schwierig. Möglicherweise versuchen sie genau das zu erreichen.“ „Wie?“ „Na, indem das Terra Sonnensystem weiter entfernte Orte angreift um unsere Soldaten aus den Hauptzentren wegzulocken.“

      Nun nickte Macto, auch wenn es Joret nicht sehen konnte. Joret fuhr fort „Uns bleibt nichts, als abzuwarten. Uns vorzubereiten, so gut es geht. Und auch zu hoffen, dass sie auf politischer Ebene keine Verbündeten finden.“ „Da sehe ich kein Problem.“ warf Macto