Günter Billy Hollenbach

Das Ende der Knechtschaft


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die kennen wir ja. Frauen-Power.

      Scheiß-Spiel, selbst von außen betrachtet.

      Ruppiges Gedrängel in meinem Kopf. So gesehen kommt es der Mutter gelegen, wenn Mona von einer Anzeige absieht. Zu schnell, um ihn zu bremsen, springt der Gedanke weiter. Oh nein! Hat sie am Ende ihrer Tochter davon abgeraten? Weil sie ...? Muss sie gar nicht?! Es reicht, auf die unschönen Folgen notwendiger Vernehmungen und die Schwierigkeiten der Beweisführung – zumal mehrere Wochen später – hinzuweisen. Sachlich begründet aus alltäglicher Polizeierfahrung. Bedauerlich, aber wahr. Ende nach gehabtem Schrecken.

      Oder auch nicht. Nach erlittenem Angriff erlebt die Tochter den zweiten Schock; eine tiefe Enttäuschung über das Verhalten der Mutter. Möglicherweise fühlt Mona sich von ihr im Stich gelassen. Weil sie alsbald begreift, wie hilfreich ihr Schweigen für die Wahrung des Ansehens aller beteiligten Personen und des Friedens am Arbeitsplatz im Polizeipräsidium wirken muss.

      Es mochten nur eine Platzwunde und ein zerdepperter Briefkasten gewesen sein. Aber zu erleben, wie die eigene Mutter ihr in den Rücken fällt, könnte der Tochter Grund genug sein, mit ihr nur noch zu sprechen, wenn es unvermeidlich ist.

      Reine Mutmaßungen meinerseits.

      So schnell, wie sie auftauchen, will ich diese Gedanken wieder loswerden. Mein Gefühl sträubt sich dagegen. Wie sie vorhin über Mona gesprochen hat. Sich bei einem solchen Vorfall gegen die Tochter zu stellen, passt nicht dazu. Passt nicht zu Frau Sandner. Oder rede ich sie mir insgeheim schön?

      Wenn ich schon mal den Fehler mache, an Beziehung zu denken. Ich freue mich auf einen Spaziergang im Grünen; zum ersten Mal seit langer Zeit mit einer Frau, die mir gefällt. Bei der ich mir wünsche ... Was habe ich mir eigentlich vorgestellt?! Dass ich mehr über ihr Privatleben erfahre? Statt dessen lande ich wieder mitten im Dienstlichen; der unerfreulichen Art. Weil beides auf hinterhältige Weise zusammenhängt. Morgen hockt sie wieder mit dem Kerl Tür an Tür im Dienst. Hoffentlich hat sie ihn, auch ohne eine Anzeige, unter vier Augen gebührend verwarnt.

      Was soll der Mist jetzt?! Ich will bloß Sonne und ein unbelastetes Gespräch über Alltägliches, angenehm genug, um Lust zu machen, sich erneut zu verabreden. Soll ich mir den Kopf zerbrechen über deren privaten Kram, der vor Monaten geschehen ist und nicht mehr zu ändern. Glaubst du es?! Wie privat ist der Kram?!

      Einfach neben Frau Sandner stehen zu bleiben fällt mir schwer. Ich beginne einen kleinen Kreis zu gehen und stelle fest:

      „Also, Vergangenheit, Frau Sandner. Sie haben sich entschieden und Ihre Gründe dafür gehabt. Hoffen wir, dass es zu etwas gut war.“

      Damit wende ich mich in Richtung Heimweg.

      Um uns herum zwitschern Vögel. Dennoch höre ich nur – wie in eine Stille hinein – die Stimme schräg neben mir halblaut sagen:

      „Eigentlich dürfte ich dir das alles gar nicht sagen. Entschuldigung, Ihnen. Ist mir so rausgerutscht. Das muss unter uns bleiben, verstehen Sie. Wir reden privat, hören Sie?! Nebenbei, mit unserem „Croma“-Fall hat es nicht das Geringste zu tun, verstanden!?“

      Und wenn doch?! Vorsicht, Robert, fang nicht wieder damit an.

      Sie spricht ziemlich schnell, muss sich rechtfertigen – vor sich selbst.

      „Nein, ich will damit sagen, Du bist ... Sie sind weder verdächtigt noch beschuldigt, keine Mitwisserschaft und keine Mittäterschaft. Das Dienstliche lässt sich einwandfrei trennen. Also, wenn wir uns zufällig beim Spaziergang im Taunus treffen, völlig in Ordnung. Privat, wir reden über meine Tochter, oder über deine in Santa Fe ... Wissen Sie ...“

      Sie ruckt ihren Oberkörper hin und her, wie um sich Regen von den Schultern zu schütteln, richtet sich ein wenig auf:

      „Also, eigentlich ist das kindisch. Ich heiße Corinna.“

      Plötzlich wird mir mächtig heiß. Einigermaßen überrascht, ein wenig ratlos fühle ich nur: Ich mag die Frau.

      „Willkommen, Corinna. ... Dass ich Robert heiße, weißt Du ja.“

      Sie schaut mich mit großen Augen an, neigt den Kopf zur Seite und lächelt verlegen. Für einen Augenblick sieht ihr Gesicht sehr jung aus. Dann fährt sie sich mit der linken Hand durch die Haare. Lässt den Kristallknopf am Ohrläppchen glitzern.

      „Wer hätte das gedacht?! Rein zufällig.“

      „Was ist, doch noch Bienenstich auf dem Fuchstanz?“ ist alles, was mir einfällt.

      „Was, wie, ach so, Bienenstich? Nein, lass uns lieber gemächlich zurückgehen. Nur im Büro verwenden wir weiter das Sie, klar?!“

      Nach einigen Schritten bleibt sie unvermittelt stehen und fasst mich am rechten Handgelenk.

      „Hör mal, Du, Robert, einverstanden? Das behältst Du für dich. Falls du Schuster je noch mal treffen solltest, vielleicht bei einer Gerichtsverhandlung gegen die „Croma“-Räuber. Versprich mir, Du lässt dir nichts anmerken. Außerdem, denk an deine Berufsehre; ich bin schließlich deine Coaching-Kundin.“

      Wir stehen uns gegenüber. Ich möchte sie umarmen. Ihr Blick zeigt, wie wichtig ihr das Thema ist. Also lasse ich es, antworte nur: „Abgelehnt.“

      „Wie, abgelehnt, was soll das denn? Ich dachte ... Sie haben doch ... Du hast ...“

      Schlagartig sieht sie mich geradezu ängstlich an.

      Am liebsten möchte ich ihr Gesicht streicheln. Lasse auch das.

      „Ganz einfach, Corinna, mit Coaching-Kunden – zumal weiblichen – unterhalte ich grundsätzlich keine privaten Kontakte. Das gehört auch zu meiner Berufsehre. Ist mir zu heikel, aus verschiedenen Gründen. Als Kundin lehne ich dich ab. Statt dessen reden wir ganz vergnügt privat weiter, wenn Du magst. Ich bitte darum. Natürlich wahre ich Stillschweigen über Privates.“

      Sie atmet sichtlich auf, schaut mir unsicher in die Augen, tritt einen Schritt zurück, mustert mich von Kopf bis Fuß, schüttelt langsam den Kopf und stellt fest:

      „Robert Berkamp, Du bist schwierig.“

      Mir gelingt ein halbwegs heiterer Tonfall.

      „Als Kompliment weise ich diese Aussage entschieden zurück. Als sachliche Feststellung nehme ich sie dankend zur Kenntnis, weil sie der Wahrheit entspricht. Also, Corinna Sandner, behaupte später nicht, ich hätte dich nicht gewarnt.“

      Ein paar solcher Sprüche auf Lager zu haben, erweist sich gelegentlich als nützlich.

      „Und jetzt lass uns gehen, sonst schlagen wir hier noch Wurzeln.“

      Sie nickt erleichtert, macht eine halbe Drehung und läuft los.

      „Mir egal, wie Du das aufnimmst,“ befindet sie hörbar lächelnd. „Ich bleibe dabei, Du bist schwierig. Aber wer versteht schon Männer.“

      Ich spüre mein Herz stärker klopfen.

      „Was ist, zeigst Du mir demnächst deine Briefmarkensammlung?“

      Etwas Dümmeres will mir gerade nicht einfallen.

      „Nur wenn Du mir deine Bierdeckelsammlung zeigst.“

      „So wird das nichts mit uns beiden. Ich trinke kein Bier.“

      Ihr verschmitztes Lächeln strahlt viel zu kurz.

      „Sag mal, Robert, was meinst Du; wir könnten Mona mitnehmen zu einem solchen Spaziergang, falls sie sich darauf einlässt?“

      Entzückend, schon wieder die Tochter.

      Schlechtes Gewissen ihr gegenüber?

      Oder benötigt Corinna Sicherheitsabstand, die Tochter als Anstandswauwau? Bei meiner Zögerlichkeit?! Sehr lustig, der Gedanke.

      „Ich weiß nicht. Meinst Du, sie findet unsere Gesellschaft anregend genug? Und wenn