Holger Kraatz

Maier im Kaukasus


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herausfinden kann. Mancher Agent müsste da schon mit jemandem schlafen, um an Insiderinformationen zu kommen, aber Kleingarten? Unbeeindruckt hat der sich die Punkte auf dem Deckblatt seiner Zeitschrift notiert.

      - Das müssen wir alles wissen, um TurkmenGaschi ein besseres Angebot machen zu können, eines, das sie nicht ablehnen können, und ohne dass wir uns gleichzeitig dabei übernehmen, uns quasi selber austricksen und unterm Strich nichts bleiben wird. Diese Informationen würden auch vom ÖKK mehr als begrüßt werden und wir stünden gut da. Es wäre der perfekte Einstieg!

      Kleingarten schnauft und bäumt sich noch einmal auf.

      - Und wos is' mid ...

      - Also helfen Sie uns? schneidet diesmal Doppler das Wort ab.

      Kleingarten zögert zunächst, doch er findet Gefallen daran, dass um ihn gebuhlt wird, ja dass sich Doppler für ihn richtig ins Zeug gelegt hat. Gönnerhaft schaltet er auf hochdeutsch zurück und beginnt, auf die Herren zuzugehen. Eine Zusage von ihm werden sie aber so schnell nicht bekommen.

      - Wie Sie sehen, habe ich Ihre Fragen bereits notiert. Der Flurfunk in den bundesweiten Verbänden über Turkmenistans Fund ist bereits enorm.

      - Bitte? Sie wussten schon davon?

      Doppler ist verdutzt.

      - Da sehen Sie mal! In meiner Position bekomm' ich stündlich Berichte herangetragen und kann auch inoffiziell bei Kollegen anderer Bundesländer nachbohren. Das können Sie nicht immer, Herr Wirtschaftsminister!

      Kleingarten lacht - und reibt sich wieder den Bauch.

      - Sie müssen den offiziellen Weg gehen, über ihre kleine FDP hinaus, und das kann schon mal dauern. Ich bin froh, dass ich hier bin.

      Er grunzt zufrieden, als wären die Informationen über Beon in einem einzigen Telefonat zu klären, noch während der Konferenz, und streichelt wieder seine Viertelkreiskurve, diesmal unterhalb der Krawatte.

      Im Rampenlicht zu stehen, liebt er, und das wird er auch, sobald er die Informationen zusammen hat. Und er soll sich auch freuen, hat er sich die Kontakte im gesamten Bundesgebiet erst mühsam aufbauen müssen und über 15 Jahre hinweg ordentlich pflegen - nicht umsonst also ist aus ihm so ein pfundiger Kerl geworden, bei den vielen Abendessen und Bierorgien, und schlimmer: den vielen Burgern zwischen den Anschlussflügen.

      Er sieht sich selbst tatsächlich in der Rolle des Hauptakteurs, der endlich die Früchte seiner Arbeit ernten darf, nur dass in Wirklichkeit der Wirtschaftsminister die Fäden in der Hand hält und gerade eben genau die richtigen Knöpfe gedrückt hat und ihn benutzt. Er hat zu Anfang der Konferenz nicht umsonst so lange nichts gesagt und hat die beiden erst einmal machen lassen. Sein Block mit weiß-kariertem Blatt ohne Rand ist immer noch leer, hat sich aber doch verändert - er wellt sich nun entlang der Schneise, die Stahls Dammbruch geschlagen hat, und seinen Bleistift hatte es vorhin nach unten mitgerissen, wie ein Stück Treibholz.

      - Herr Kleingarten, sie wussten also davon und haben unserem Ministerium nichts gemeldet?

      - Nein, haben wir nicht. Wissen's, wenn wir alles an Ihr Büro weiterleiten würden, was meinen Sie, was da los wäre?

      Er lacht wieder, während Doppler ernst bleibt.

      - Ja, bitte! Auf die Antwort bin ich gespannt.

      Kleingarten muss nicht lange überlegen, er antwortet ihm sofort.

      - Ich merke, worauf Sie hinaus wollen. Aber wir sind keine Geheimniskrämer und verkaufen auch nicht Informationen an den Meistbietenden weiter. Sehen Sie, ich habe gute Leute, auch vor Ort, sogar in Zentralasien, die uns stündlich mit Informationen zusch ... schustern. Nicht, dass das schlimm wäre, aber ich kann doch nicht jede Meldung mit Priorität 1 behandeln und 'Streng geheim' draufkleben. Soweit zur allgemeinen Erklärung, wie es bei uns funktioniert.

      Kleingarten meint 'bei uns' sich selber.

      - Im speziellen Fall Turkmenistan - was glauben's, was wir glacht hamm, ois unsa Praktikant gmoant hod, der Fund kannt füa Bayern a Bedeitung hamm!

      Der kann lachen.

      Kleingarten ist sehr von sich überzeugt, von Selbstzweifel keine Spur. So einen Menschen erlebst Du eher selten im täglichen Leben, dagegen weitaus öfter in den oberen Etagen. Dagegen kommt der Wirtschaftsminister nicht an, er kann im Prinzip auch nicht viel gegen Kleingarten ausrichten, dessen Behörde ziemlich autark ist und sich nicht ausschließlich aus öffentlichen Geldern finanziert.

      - Und woher wussten Sie's, Herr Stahl, wenn nicht von Herrn Kleingarten?

      - Herr Wirtschaftsminister, hier in Brüssel laufen einige Kanäle zusammen.

      Coole Antwort.

      Maiers Chef gibt sich lässig, er will nicht heraushängen lassen, über welch' riesiges Netzwerk seine Behörde verfügt - das überlässt er lieber Kleingarten.

      Wann bremst den endlich einer ein? Doppler! Stahl! Aufwachen!

      Doch ist Maiers Wunsch überhaupt realisierbar, bei einem wie Kleingarten, wenn schon der Doktor nur ein Patt erzielen konnte? Stahl liegt tatsächlich ein 'Mir san a ned auf der Brennsupp'n dahergschwomma' auf den Lippen, doch er hat es nicht nötig, zu beweisen, dass seine Behörde der schlauere BIA (gesprochen Bih Ei Äi, bitte nicht Bier) ist, will sich nicht auf ein Kräftemessen mit Kleingarten einlassen. Eingebremst hat er ihn ja vorhin schon einmal und hatte seinen Respekt, kurz bevor das Glas umkippte. Er will nicht den Oberlehrer spielen, ihn erst einmal so sein lassen, wie er ist. Seine Aggressivität kann ja durchaus nützlich sein, wenn er denn nur auf die Richtigen losgeht.

      - In diesem speziellen Fall Turkmenistan war es ein Amerikaner, der uns die Botschaft überbrachte.

      Doppler nickt.

      - Vielen Dank, Herr Stahl. Und auch Ihnen Danke, Herr Kleingarten - für Ihre ehrliche Antwort. Auch wenn ich mit damit nicht einverstanden bin.

      Kleingarten schaut hinterfotzig drein, lässt dem Wirtschaftsminister aber das letzte Wort. Dieser trägt seine Niederlage mit Würde und beweist Größe, während Dr. Schönleben wieder zum Thema zurück will.

      - Herr Wirtschaftsminister, ich muss Ihnen auch in die Suppe spucken. Wir haben keine Sicherheit dafür, dass ein einzelner Ölriese nicht plötzlich doch das nötige Kleingeld für die 20% aufbringt und wir dann wie die Deppen dastehen. Auch erwischt es uns, wenn sich die Mitglieder untereinander einigen und sich, schneller als erwartet, dieses Fünftel vom Kuchen einverleiben. Deshalb müssen wir vorsorgen. Wir brauchen für beide Fälle eine wasserdichte Strategie!

      Die Strategie des einfach Weiterredens hat er sich von Doppler abgeschaut.

      - Herr Stahl, Sie haben Recht - die Briten und Norweger, genau wie die Türken, könnten leicht für Centrifugge einspringen wollen. Inwieweit auch Aserbaidschan dazu in der Lage wäre, da muss ich passen. Vielleicht als reiner Geldgeber aus irgendwelchen Reserven, als technische Konkurrenz zu unserer Ahorn AG jedoch - das würde ihre bestehende Kapazität sprengen, da bin ich mir sicher. Wie verstehen sich denn die vier untereinander? Gibt es Intrigen? Können wir daraus einen Vorteil für uns ziehen?

      Stahl geht sofort darauf ein.

      - Guter Punkt, Herr Doktor, wir sollten auf alles vorbereitet sein. Lassen Sie mich den Anfang machen:

      Die Türkei und Aserbaidschan werden geschlossen auftreten, weil sie wirtschaftlich eng zusammenarbeiten. Darüber hinaus sind sie auch eng verzahnt, weil, ähm ......... Herr Maier, können Sie hierzu etwas ergänzen?

      - Richtig, die Türkei kann sehr gut mit Aserbaidschan und umgekehrt, weil sie viele Gemeinsamkeiten haben - was nicht immer zu Freundschaft führen muss, aber in diesem Fall schon:

      Als Turk-Völker haben sie die gleichen Wurzeln, und bis auf wenige Ausnahmen eine identische Schrift. Grundlage ist für beide das lateinische Alphabet. Auch ist deren