Holger Kraatz

Maier im Kaukasus


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Sunniten die Mehrheit bilden, stellt kein Hindernis dar. Beispielhaft für die gute Zusammenarbeit ist der kleine Zipfel Aserbaidschan zwischen Armenien und der Türkei, der längst eingewoben ist in die türkische Wirtschaft.

      Alle sehen auf die Karte und suchen die Autonome Republik Nachitschewan. Selbst Kleingarten macht Anstalten, sich nach vorne zu beugen.

      - Und einen gemeinsamen Feind haben sie auch: Armenien. Dieses kleine christliche Land, so groß wie Belgien, macht es sich wahrlich nicht leicht in dieser Region, vor allem wegen der wohl noch lange ungeklärten Lage in Bergkarabach. Dazu will ich kurz noch was sagen, um die Region besser zu verstehen.

      Maier wartet kurz, und, weil Kleingarten kaum die Augen verdreht-

      - Schon im sich anbahnenden Zusammenbruch der Sowjetunion häuften sich Pogrome mit Dutzenden Toten sowohl in Armenien wie auch in Aserbaidschan, die gegen die jeweils andere Minderheit im eigenen Land gerichtet waren. Es folgten Ausreisewellen der Minderheiten, und die daraus folgende katastrophale Flüchtlingssituation heizte den Konflikt weiter an. Die Armenier haben im Winter '91/92 schließlich angegriffen und das überwiegend armenisch besiedelte Gebiet Bergkarabachs besetzt, sowie den Korridor Latschin zwischen Armenien und Bergkarabach, wodurch sie den Aserbaidschanern insgesamt rund ein Fünftel ihres Staatsgebiets wegnahmen. Die Kämpfe dauerten bis zum Waffenstillstand im Mai '94 und forderten circa 25000 Tote, ethnische Säuberungen und Vertreibungen liefen parallel auf beiden Seiten ab. Seit 1988 verließen 300000 Armenier Aserbaidschan, mehr als die doppelte Anzahl Aserbaidschaner verließ Armenien, eine Katastrophe für beide Länder. Der Waffenstillstand steht immer wieder durch Grenzscharmützel auf der Kippe und Armenien rüstet immer weiter auf, genau wie Aserbaidschan, wie der Wirtschaftsminister vorhin erwähnte.

      Maier richtet seine Hand kurz auf Doppler.

      - Die Armenier rechtfertigten den Überfall schließlich mit dem Gefühl zunehmender Diskriminierung durch die Aserbaidschaner in Bergkarabach. Dieses Berggebiet wurde damals durch Stalin aus Kalkül den Armeniern weggenommen und den Aserbaidschanern zugeschlagen, obwohl eine armenische Mehrheit dort lebte. Ein Mittel, um Zwiespalt zwischen den beiden Völkern zu schüren und somit über beide Gruppen leichter regieren zu können. 'Teile und herrsche' ging leider auf und funktionierte jahrzehntelang.

      Die Besetzung hat das aserbaidschanische Turkvolk natürlich aufs Äußerste gedemütigt, und auch die Grenze zwischen Armenien und der Türkei ist seitdem gesperrt. Die Beziehungen zwischen Armenien und der Türkei sind wegen des Streits um die türkische Anerkennung des Genozids von 1915-1917 noch immer emotional aufgeladen.

      Stahl macht Anstalten, doch Maier kommt ihm zuvor, er ist fertig.

      - Danke, Herr Maier, das genügt. Die Aserbaidschaner werden sich also mit der Türkei absprechen, das ist sicher. Und um auf Ihre Frage zurückzukommen, Herr Doktor: Harte Verhandlungen ja, Intrigen nein. Ich glaube nicht, dass sich die Mitglieder im ÖKK gegeneinander ausspielen werden, man braucht sich gegenseitig und es hat die letzten Jahre gut funktioniert. Die bestehenden Verhältnisse sind akzeptiert.

      Großbritannien und Norwegen besitzen mit ihren 35% mehr als ein Drittel der Stimmen, an ihnen vorbei gibt es nur schwer eine Entscheidung. Diese wiederum wollen die andere Größe Aserbaidschan und Türkei mit ihren 29% nicht vor den Kopf stoßen, aus Gründen der stabilen Zusammenarbeit untereinander. Vergessen Sie nicht, dass die Pipeline zum Großteil durch Aserbaidschan und die Türkei verläuft - ein erstrangiges Druckmittel im Fall der Fälle. Wie gesagt, man braucht sich.

      Kleingarten wird unruhig, wie einer, der etwas nicht versteht. Er setzt an und wird dabei wieder lauter.

      - Sie reden hier immer nur von den großen vier. Dass Georgien nicht von der Partie ist, leuchtet mir ja noch ein, die müssen erst wieder auf die Beine kommen. Aber was ist mit den Franzosen, Italienern und Japanern? Scheiden die etwa von vorn' herein aus?

      Diese Gelegenheit lässt der Doktor nicht vorüberstreichen.

      - Herr Kleingarten, was glauben Sie, warum die Amerikaner gerade auf uns setzen und eben nicht auf die Franzosen, Italiener und Japaner - und das, obwohl wir in der Region dann neu wären?

      Kleingarten weiß darauf keine Antwort, wirft zum Erstaunen der anderen keinen Kommentar ein wie 'Sie werden es mir sicher gleich sagen.' und wartet auf Dr. Schönlebens Antwort.

      - Gerade weil wir in der Region dann neu wären! Die Briten und Norweger sind für die Amis schon groß genug, und Aserbaidschan und die Türkei wären für sie kaum beeinflussbar, und noch weniger mit plötzlichen 49% der Stimmen.

      Genauso wenig beeinflussbar wären Frankreich, Italien und Japan, ganz alte Hasen im Geschäft und erfahren in dieser Region. Da sind wir Bayern doch ideal, als gutmütiger Lapp für die Amis.

      Der Doktor setzt ein Pokerface auf und schliesst seine Erklärung ab mit einer bayrischen Unabhängigkeitserklärung.

      - Sobald wir aber drin sind, ha!, müssen wir schnell sein. Und raus aus der amerikanischen Abhängigkeit.

      Stahl sieht zufrieden aus, wie die Konferenz läuft, ebenso der Wirtschaftsminister. Maier dagegen muss sich am Pult festhalten, weil er ahnt, dass es die nächsten Wochen in sich haben werden. Er ist in Gedanken versunken.

      Also Liebe vergeht, Barrel besteht. Damit werden die Amerikaner bestimmt rechnen, dass wir sie bald nicht mehr brauchen wollen. Eigentlich gar nicht so schlimm, das nimmt ihnen den Druck von den Schultern und vielleicht können sie auch mal von uns profitieren, als starker Partner.

      Kleingarten ist nicht überzeugt. Ihm gefällt nicht, dass alles so einfach sein soll.

      - Mir gefällt nicht, dass alles so einfach sein soll - die Amis hauen auf den Tisch und die Briten spuren? Und was ist, wenn ein noch Unbekannter auftaucht, oder mir nix dir nix die Russen oder Iraner anklopfen und uns die Anteile vor der Nas'n wegkaufen? Immerhin sind die beiden Mitglied im Erdgas-Konsortium und somit gehört denen ein Teil vom Korridor, durch den auch die Ölleitung vom ÖKK geht. Politisch wäre es für beide doch ein Geniestreich, einen westlichen Investor draußen zu halten und obendrein noch die Amerikaner zu beerben.

      - Herr Kleingarten, haben Sie noch nie gepokert und gewonnen? Gerade Sie?

      Geschickt, wie der Doktor das anstellt, er spielt mit Kleingartens Ego. So leicht würde das Stahl und Doppler nie fallen wie dem Doktor, der als Sunnyboy in dieser Konstellation Narrenfreiheit genießt. Er will Kleingarten jetzt selbst aktiv ins Boot holen, auf seine Hilfe und Kraft nicht verzichten, und setzt noch einen oben drauf.

      - Gerade Sie? Sie san doch der Oberbazi von uns!

      Maier richtet sich auf und will die ganze Stimmung aufsaugen, denn er spürt, dass gleich ein großer Schritt auf dem Weg nach Turkmenistan geschafft sein wird, die Insbootholung Kleingartens. Dieser fühlt sich tatsächlich geschmeichelt, denn Oberbazi ist das größte Kompliment, was man einem Bayern machen kann. Es bleibt ihm nichts anderes übrig, als zufrieden zu grunzen.

      - Wir werden den Schatz heben, Herr Kleingarten, da lassen wir nix mehr anbrennen!

       11

      Maier will den Moment ausnutzen und springt, ohne was zu sagen, einfach zum nächsten Slide, auf der eine 20-Jahres-Kalkulation aufgestellt ist, für eine Beteiligung am ÖKK (Aserbaidschans Offshore-Ölfelder und Kaukasus-Ölpipeline), mit jeweils zu erwartenden Gewinnen, und wann sich das Geschäft amortisieren würde, Worst-Case, Best-Case usw.

      I: 20%ige Beteiligung am ÖKK

       Eine 20-Jahres Kalkulation (Überschlagsrechnung ohne Einbeziehung von dt. Steuern)

       Als Miteigentümer aserb. Offshore-Ölfelder, Plattformen, BTC-Pipeline und Öl-Terminal Ceyhan.

      Annahmen:

       Konstante Fördermenge: 1 Mio. Barrel/Tag (Niveau von 2009)

       Ölquelle kann noch 20 Jahre auf diesem Niveau ausgebeutet werden.

       Geschätzter