Holger Kraatz

Maier im Kaukasus


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davon gibt, wie viel dicke Luft er in seiner Laufzeit ansaugen musste.

      Das erste Slide deutet den Anwesenden an, worum es gehen wird:

      'Chancen für Bayern im Kaukasus und Zentralasien - Rohstoffsicherung von Öl und Erdgas'. Rechts darunter 'Der bayrische Wirtschaftsausschuss zu Brüssel, 6. September 2010'. Ganz links unten als Logo der bayrische Löwe und die weiß-blaue Flagge.

      - Meine Herren, bevor ich auf die Gründe eingehe, warum Herr Stahl Sie hierher gebeten hat, möchte ich kurz die Region vorstellen und die aktuelle Ist-Situation. Damit wären wir alle auf dem gleichen Stand.

      Da keiner Einspruch erhebt, geht Maier zurück zum Kartenständer und lässt die Sowjetunion und Southwest Asia herunter.

      - Mit Bildern fällt es leichter, die Zusammenhänge zu erklären, wenngleich es eine Region ist, die Sie sicher bereits gut kennen, so oft sie seit dem Georgienkrieg vom August Null Acht in den Medien erwähnt worden ist.

      Links, auf beiden Karten, also der Kaukasus mit Georgien, Aserbaidschan und Armenien, die eine Schlüsselrolle spielen als Transitland für die Bodenschätze Bakus und jenseits des Kaspischen Meeres, leider aber auch als Sicherheitsrisiko.

      Östlich davon, jenseits des Kaspischen Meeres, liegen Turkmenistan, darüber Usbekistan, und darüber das riesige und ölreiche Kasachstan. Neben Usbekistan, ein mittlerweile bedeutender Erdgasexporteur, befinden sich die Länder Tadschikistan und Kirgistan, die wegen ihrer wirschaftlichen Schwäche für uns nur eine Nebenrolle spielen werden.

      Stahl, der bisher vor seinem Stuhl stehen geblieben ist, setzt sich nun hin. Seine Augen wollen am Ständer haftenbleiben, an den Karten, die immer noch leicht hin- und herschwingen. Das neue Slide, und seine Neugier jedoch ziehen seine Aufmerksamkeit zur Beamerleinwand hinüber.

      - Hier sehen Sie zunächst die Zusammensetzung des Öl-Konsortium Kaukasus, kurz ÖKK, welches die größte Pipeline durch den Kaukasus finanziert hat, und das seit rund vier Jahren an der Ausbeutung des Öls vor Bakus Küste gut verdient. Am besten wird sein, ich zeige Ihnen zuerst das nächste Slide - eine Karte mit allen bestehenden, im Bau befindlichen und geplanten Pipelines dieser Region, für Öl und für Erdgas.

      Beim genauen Hinsehen auf die Vorschau macht Maier plötzlich einen verärgerten Eindruck.

      Schöne Stümperei! Die Karte ist von Null Sieben, nicht von 2010, da fehlen ja einige Leitungen. Die kann ich unmöglich zeigen!

      Sein Chef merkt als Erster, dass was nicht stimmt, doch er wartet noch ab.

      Was mach' ich jetzt? Dass Stahl das nicht aufgefallen ist. Oder hat er sich blind auf seine Researcher verlassen? Egal, wenn ich das Slide jetzt einblende, blamieren wir uns bis auf die Knochen.

      Nicht, dass das Fehlen von fünf geplanten Röhren sofort auffallen würde, aber dann sicher die bereits seit Dezember eröffnete Erdgasleitung von Turkmenistan nach China und noch mehr - die schon seit Ewigkeiten bestehende Ölleitung von Baku über Russland ans Schwarze Meer. Außerdem ist die 2007 unten rechts Maier sehr peinlich.

      - Meine Herren, ich will es anders angehen. Damit wir gleichzeitig Stimmverteilung in den Konsortien UND die Pipelines sehen können, lassen Sie mich schnell die relevanten Röhren auf der guten alten Landkarte einzeichnen. Dazu kann ich dann gleich was sagen.

      - Gute Idee, Herr Maier. Auch dass sie zu den Röhren gleich was sagen wollen.

      - Ja, einverstanden. So viel Zeit muss sein. Die Leitungen sind ja die Schlagadern der ganzen Region.

      Beide Touristenflieger sind dafür, während Kleingarten nur dasitzt und mit seiner Uhr spielt.

      Beim wichtigsten Slide geschludert. Das kostet Minimum 'ne Kiste Barolo, Freunde!

      - Herr Stahl, sind Sie als mein direkter Vorgesetzter überhaupt damit einverstanden, dass ich in wenigen Augenblicken zwei politische Landkarten bayrischen Eigentums mit dicken Stiften 'erweitere'? Ich meine, danach werden unterm Strich einige Städte verschwunden sein.

      Stahl zögert mit seiner Antwort nicht-

      - Machen Sie nur, es ist ja der Sache dienlich.

      Nach einer kurzen Pause allerdings, Maier hat gerade mit einem Plopp die Kappe des schwarzen Stifts abgezogen-

      - Und wenn unser Projekt - erfolgreich ! - zu Ende gebracht sein wird, werde ich sie Ihnen auch nicht vom Gehalt abziehen.

      Na also, geht doch.

      Maier strahlt und will gerade mit dem Stift ansetzen, da-

      - Sie beide machen es ja spannend!

      Kleingarten lässt von seiner Uhr ab und will zu Wort kommen. Er betrachtet zunächst Stahl, dann Maier, und sieht mit verdächtigenden Blicken zu den anderen beiden hinüber, fragt mit sehr ernstem Ton-

      - Oder wissen die anderen Herren etwa bereits Bescheid, worum es geht?

      Was Maier so nicht erwartet hatte - Kleingarten hat erneut in sauberem Hochdeutsch gesprochen, nur leicht bayrisch eingefärbt. Doppler schüttelt den Kopf und fügt dem gelassen hinzu-

      - Es ist doch gut, dass Sie alle nichts davon wissen. Selbst ich, der der Quelle am nächsten liegt, bin von Herrn Stahl noch nicht eingeweiht worden. Ich hoffe jedoch sehr, dass wenigstens er weiß, worum es geht.

      Stahl erwidert Dopplers Blick mit einem Lächeln, denn ganz so stimmt es ja nicht, dass er von nichts weiß. Kleingarten bleibt unbeeindruckt, er verzieht keine Miene - des Ministers Versuch, die erste Anspannung aufzulockern, ist gescheitert. Stahl versucht es anders.

      - Herr Maier, machen sie hin, damit sich die Spannung hier bald auflöst.

      - Gut! Unter Druck arbeite ich am besten.

      Maier nimmt den Zeigestab neben dem Kartenständer in seine Rechte und klopft damit zweimal auf die Beamerleinwand.

      - Auf der Beamerleinwand zu Ihrer Linken sehen Sie die Besitzverhältnisse im ÖKK. Sie können sich die Zahlen schon einmal ansehen, ich komme gleich darauf zurück.

      Besitzverhältnisse ÖKK:

      25% - VP (Großbritannien)

      20% - Centrifugge (USA)

      20% - SACCOR (Aserbaidschan)

      10% - Statusoil (Norwegen)

      9% - TüPetro (Türkei)

      5% - USSOil (USA)

      3% - Entier (Frankreich)

      3% - Dagip (Italien)

      3% - Itouchi (Japan)

      2% - GeoStream (Georgien)

      100%

      Maier beginnt, die erste Leitung auf die untere Karte einzuzeichnen.

      - Die Ölleitung des ÖKK, die BTC (Baku-Tiflis-Ceyhan), verläuft von Baku aus Richtung Westen, knapp vorbei an der Krisenregion Bergkarabach, hinein nach Georgien, wo sie südlich von Tiflis weiter nach Westen führt und rund 150 km später nach Süden abbiegt in die Türkei, nach Erzurum. Von dort schließlich ans Mittelmeer, in die Hafenstadt Ceyhan, wo das Öl in Tanker gepumpt wird - für den Verkauf an den Westen.

      Lassen Sie mich noch ein paar Details dazu erwähnen, um ein Gespür für die Größenordnungen zu bekommen.

      Länge der Strecke: knapp 1800 km, vergraben in mindestens einem Meter Tiefe

      Baukosten: damals rund 4 Mrd. US-Dollar

      Kapazität: 50 Mio. Tonnen pro Jahr, entspricht etwa 1 Mio. Barrel pro Tag

      Bauzeit: 3,5 Jahre

      Erstes Öl: Mai 2006

      Transportkosten: