Miriam Frankovic

Kira und der Kunsträuber


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„Könnt ihr nicht mal Deutsch reden?“

      „Wenn jemand von etwas inspiriert ist, heißt das, dass er eine Anregung bekommen hat“, erklärte mein Vater ihm.

      „Anregung, was ist das zum Beispiel?“ fragte Cangoo verständnislos. Auch das Krokodil sah meinen Vater so an, als ob er von einem anderen Planeten käme.„Eine Anregung ist eine Idee, eine Art Geistesblitz. Man sieht, liest oder hört etwas, das einen so begeistert, dass man sofort Lust bekommt, selbst etwas zu schaffen.“

      „Wenn schon“, murrte Cangoo unwillig. „Dann bin ich dauernd inspi... miert.“

      „Ja, zum Fressen“, neckte Pferdfreund ihn. „Aber sonst kriegst du doch nichts auf die Reihe.“

      „Hört auf, ihr zwei!“ rief ich. Ich wusste, dass Cangoo sich nichts mehr ersehnte, als eines Tages berühmt und von allen bewundert zu werden. Aber da er am liebsten berühmt geworden wäre, ohne etwas dafür zu tun, hatte der Ruhm bisher noch auf sich warten lassen. Um so mehr beneidete Cangoo den bildschönen Schimmel Pferdfreund, der schon eine Menge Filme gedreht hatte und sogar in Hollywood eine Berühmtheit war.

      „Du bist zum Beispiel total blöd“, blökte Cangoo Pferdfreund an. Denn er ärgerte sich darüber, dass Pferdfreund immer so tat, als ob er etwas Besonderes wäre. Und dass alle anderen das auch zu glauben schienen, erzürnte ihn fast noch mehr.

      Pferdfreund wollte gerade etwas erwidern, als mein Vater wieder das Wort ergriff. „Hört endlich auf zu streiten!“ wies er die beiden zurecht. „Im Moment gibt es etwas viel Wichtigeres zu bereden.“

      „Was denn?“ fragte Noko schüchtern und robbte etwas näher an meinen Vater heran.

      „Kiras elften Geburtstag“ sagte mein Vater. „Der ist nämlich übermorgen.“

      GEBURTSTAGSVORBEREITUNGEN

      Als ich am nächsten Morgen, einen Tag vor meinem Geburtstag, die Augen aufschlug, stand Albert an meinem Bett und sah mich mit seinen großen Kulleraugen, die vom vielen Lesen schon ganz rund waren, nachdenklich an.

      „Was machst du denn schon hier?“ fragte ich und rieb mir den Schlaf aus den Augen. Im Zimmer war es nicht besonders hell, und durch die Fensterscheibe sah ich dichte Schneeflocken durch die Luft wirbeln.

      „Dich zu einem Spaziergang überreden“, sagte Albert.

      „Bei dem scheußlichen Wetter?“

      „Schnee ist nicht scheußlich, sondern schön, sogar im April“, erwiderte Albert und fügte hinzu „In vielen Teilen der Welt gibt es Leute, die alles dafür geben würden, einmal Schnee zu sehen, weil sie gar nicht wissen, wie es aussieht, wenn die Straßen und Plätze so weiß wie Puderzucker sind.“

      „Aber ich habe doch noch gar nichts gefrühstückt“, wandte ich schwach ein.

      „Das macht gar nichts“, sagte Albert. „Wir beide frühstücken nämlich heute in der Stadt. Und anschließend laufen wir ein bisschen an der Steilküste entlang. Du wirst sehen, die frische Luft wird dir gut tun und aufs Meer zu gucken auch.“

      „Meinetwegen“, sagte ich, obwohl ich eigentlich weder Lust hatte, spazieren zu gehen, noch aufs Meer zu gucken. Denn das Meer war im Winter immer ziemlich grau und aufgepeitscht. Aber ich kannte Albert. Wenn er sich einmal etwas in den Kopf gesetzt hatte, ließ er nicht eher locker, bis er erreicht hatte, was er wollte.

      Ich konnte ja nicht ahnen, dass die anderen Albert nur beauftragt hatten mich abzulenken, weil sie über meine Geburtstagsüberraschung reden wollten, ohne dass ich davon Wind bekam. Das erfuhr ich erst viel, viel später, als das gefährliche Abenteuer, von dem ich jetzt noch nichts ahnte, schon längst seinen Lauf genommen hatte.

      „Sie sind weg“, flötete Watahulu und sah die anderen voller Tatendrang an.

      „Dann lasst uns jetzt endlich darüber diskusieren, was wir Kira zum Geburtstag schenken“, trötete Cangoo.

      „Es heißt diskutieren, mit „t“. Wann geht das endlich in deinen Quadratschädel rein?“ raunzte Pferdfreund Cangoo an.

      „Habt ihr zwei eigentlich nichts Besseres zu tun, als euch den ganzen Tag zu streiten?“, mischte mein Vater sich ein.

      „Streiten, zoffen, zanken, zetern“, krächzte Mintz, der es sich im Brotkorb auf dem Frühstückstisch gemütlich gemacht hatte und ein paar Brotkrümel mit seinem Schnabel aufpickte. Pferdfreund und Cangoo schwiegen beschämt. Im Grunde wussten sie, dass Kiras Vater Recht hatte und dass es ziemlich dumm war, wenn man sich Zeit damit vertrieb, indem man sich den ganzen Tag nur angiftete. Aber sie konnten einfach nicht anders.

      „Also, ich möchte jetzt Vorschläge hören“, sagte mein Vater ungewohnt energisch. „Schließlich wird Kira morgen elf, und das ist ein ganz besonderes Alter, so wie jedes Alter ein ganz besonderes Alter ist.“

      „Stimmt nicht zum Beispiel“, rief Cangoo. „Elf ist besser als jedes andere Alter auf der Welt.“

      „Das sagst du doch nur, weil du selbst elf bist“, sagte Pferdfreund von oben herab. „Und weil du glaubst, dass du was Besonderes bist. Aber das bildest du dir bloß ein.“

      Bevor Cangoo, dem schon die Zornesröte ins Gesicht schoss, darauf etwas entgegen konnte, ergriff Watahulu, der Streit nicht ausstehen konnte, das Wort. „Wie wär’s, wenn wir eine Überraschungsparty für Kira organisieren? Ich könnte ihr zum Beispiel eine schöne Melodie auf der Trompete vorspielen.“

      „Zum Beispiel ist mein Wort“, rief Cangoo empört. „Das darf nur ich benutzen“.

      „Du hast echt einen Knall“, sagte Pferdfreund und zuckte mit den Schultern. Mein Vater beachtete die beiden nicht weiter und sagte. „Ich finde die Idee mit der Überraschungsparty gar nicht so schlecht.“ Noko kratzte sich nachdenklich am Kopf. „Ich dachte, Kira mag keine Parties.“

      „Stimmt“, krächzte Mintz. „Mag sie nicht, kann sie nicht leiden, steht sie nicht drauf, findet sie doof.“

      „War ja auch nur so eine Idee“, sagte mein Vater und sah sich in der Runde um. „Wer hat einen besseren Vorschlag?“

      „Eine Gespensterführung auf einem Gruselschloss?“ grummelte Timbu.

      „Bloß nicht“, meinte Noko und begann schon bei dem Gedanken daran, vor Angst am ganzen Körper zu schlottern. Denn Noko sah mit ihren vielen spitzen Zähnen zwar ziemlich gefährlich aus, so dass die meisten Leute und Tiere einen großen Bogen um sie machten. Aber im Grunde ihres Herzens war sie furchtbar schüchtern und romantisch veranlagt. Und etwas Schlimmeres als ein Gruselschloss mit knarrenden Türen und wie von Geisterhand aufspringenden Fenstern, auf dem furchteinflößende Gespenster ihr Unwesen trieben, konnte sie sich kaum vorstellen.

      „Ich könnte dafür sorgen, dass Kira eine kleine Rolle in meinem nächsten Film bekommt“, sagte Pferdfreund und strich sich mit der Vorderpfote eine widerspenstige Locke aus der Stirn.

      „Ich glaube, Kira ist zu schüchtern, um in einem Film mitzuspielen“, entgegnete mein Vater, wie mir Watahulu später berichtete.

      „Was heißt zum Beispiel schüchtern?“ wollte Cangoo wissen.

      „Schüchtern ist genau das Gegenteil von dem, was du bist“, krächzte es aus dem Brotkorb.

      „Genau. So ein Großmaul wie dich gibt es kein zweites Mal“, pflichtete Pferdfreund Mintz bei.

      „Sorg du lieber mal dafür, dass ich eine große Filmrolle kriege“, sage Cangoo und sah Pferdfreund vorwurfsvoll an.

      „Vergiss es“, entgegnete dieser. „Du hast einfach null Talent.“ Schäumend vor Wut griff Cangoo nach einer Orange im Obstkorb und zielte damit gerade auf Pferdfreunds Kopf, als es an der Tür klingelte. „Ich mache schon auf.“ Watahulu warf den beiden Streithammeln einen mahnenden Blick zu und ließ kurz darauf Niklas herein.

      „Hi“,