Miriam Frankovic

Kira und der Kunsträuber


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zog seine Stirn nachdenklich in Falten. „Ein Fahrrad?“

      „Langweilig, öde, doof, überflüssig“, krähte Mintz und spuckte einen Sonnenblumenkern aus, der in hohem Bogen in Cangoos Richtung flog. „Es muss schon etwas ganz Besonderes sein“, meinte Niklas. „Nichts zum Anziehen oder für die Schule.“

      „Ein Buch?“ flötete Watahulu.

      „Super Idee“, krächzte es vom Kopf meines Vaters, auf den Mintz gerade zum Landeanflug angesetzt hatte. „Buch, Schmöker, Schinken, Wälzer. Das findet Kira toll.“

      Cangoo, der immer noch nicht lesen konnte und deshalb mit Büchern auf Kriegsfuß stand, verzog missmutig das Gesicht. „Muss das sein zum Beispiel?“

      Einen kurzen Augenblick herrschte Stille. Die Idee mit dem Buch kam zwar bei den meisten gut an. Andererseits wussten alle, dass ich schon viele Bücher hatte. Und dass ein Buch dann eigentlich doch nicht so etwas Besonderes war.

      „Ich hab’s“, grummelte Timbu und griff mit der Pfote in den Honigtopf, der vor ihm auf dem Tisch stand. „Wir schenken ihr eine Reise.“

      „Aber wir waren doch gerade erst in Australien“, wandte mein Vater ein.

      „Doch nicht so eine Reise“, sagte Timbu und schleckte sich genüsslich den Honig von der Pforte. „Wir schenken ihr eine ganz besondere Reise. Eine Bilderreise.“ Watahulu schlenkerte anerkennend mit dem Rüssel, und auch Noko nickte zaghaft. Selbst Cangoo hatte diesmal nichts einzuwenden. „Und was für eine Bilderreise?“ fragte er Timbu, denn er verstand nicht genau, was Timbu mit einer Bilderreise meinte.

      „Eine Bilderreise mit Tierbildern“, erwiderte Timbu. „Also eine Ausstellung mit Bildern, auf denen Tiere zu sehen sind.“

      Mein Vater nickte zustimmend. „Kira liebt Bilder. Und Tiere auch. Ich finde, das ist eine grandiose Idee.“

      „Grandios?“ fragte Cangoo genervt. „Was heißt das denn zum Beispiel schon wieder?“

      „Toll, super, krass, cool“, klärte Mintz ihn auf.

      Wie Watahulu mir erst viele Wochen später berichtete, diskutierten er und die anderen an dem Tag noch stundenlang darüber, was für eine Art von Bilderreise sie mir schenken sollten. In welches Land, in welche Stadt und in welches Museum die Reise gehen sollte. Wo die besten Tierbilder hingen. Und wer der berühmteste Maler war. Mit dem wichtigsten Tierbild. Oder wenigstens mit einem berühmten Bild, auf dem ein Tier zu sehen war. Und was das Allerwichtigste war: der Maler sollte Tiere mögen und sie nicht essen.

      Da Cangoo und die anderen im Gegensatz zu meinem Vater, der ja selbst Maler war, nicht viele Maler kannten –manche von ihnen sogar gar keine- verkleinerten sie sich mit Hilfe von Alberts Zauberformel, um im Internet etwas über berühmte Maler herauszufinden, die Tiere mochten. Mein Vater ließ sie gewähren, obwohl er insgeheim schon jemanden im Kopf hatte, der in Frage kam. So kam es, dass alle den ganzen Vormittag lang damit beschäftigt waren, auf Webseiten über berühmte Maler herumzuspazieren. Da unsere Australienreise noch nicht allzu lange zurücklag, dachte mein Vater, dass es nicht schlecht wäre, wenn wir dieses Mal in Europa blieben. Zwar konnten Cangoo und die anderen übers Internet sekundenschnell in alle Orte der Welt surfen. Aber auch wenn Albert emsig daran arbeitete, bisher hatte er leider immer noch keine Formel entwickelt, mit deren Hilfe Menschen durchs Internet reisen konnten. Mein Vater, Niklas und ich würden also entweder fliegen oder mit dem Zug fahren müssen. Und da wir wegen der Schule nur in den Sommerferien weg konnten, musste meine Geburtstagsüberraschung also perfekt vorbereitet werden.

      Am frühen Abend kehrten alle bis auf Mintz erschöpft von ihren Webseiten zurück und versammelten sich in unserem Wohnzimmer, wo Cangoo sich gleich auf einen Sessel fläzte. Wie er mir später anvertraute, war Niklas extra mit mir weg gegangen, damit ich auch weiterhin nichts von den Geburtstagsvorbereitungen mitbekam.

      „Also, was habt ihr gefunden?“ fragte mein Vater, während er zusammen mit Watahulu den Kaffeetisch deckte und eine Menge an köstlichen Sahnetorten und Kuchen auftischte.

      „Viel. Aber nicht das Richtige“, murmelten alle im Chor. Mein Vater zog erstaunt eine Augenbraue hoch. Dann sah er sich suchend um. „Wo steckt eigentlich Mintz?“

      „Der schwirrt gerade irgendwo auf einer italienischen Website herum“, erklärte Pferdfreund ihm. Dann sagte er im Ton eines gelehrten Professors: „Es gibt Tausende und Hunderttausende von Malern. Auf der ganzen Welt. Welche, die noch leben und welche, die schon längst gestorben sind. Aber die sind auf so vielen verschiedenen Webseiten verstreut, dass wir unmöglich nachgucken konnten, wer von denen Vegetarier ist und wer nicht.“

      Cangoo sah Pferdfreund sauer an, denn für heute reichte es ihm wirklich mit Fremdwörtern. „Was ist zum Beispiel ein Vega...Vege... Dingsbums?“

      „Ganz einfach“, erklärte Watahulu ihm geduldig. Ein Vegetarier ist jemand, der kein Fleisch isst, also keine Tiere.

      „Genau“, krächzte es in diesem Moment aus Richtung des Computers, und eine Sekunde später kam Mintz aufgeregt herausgeflattert. „Und so jemanden habe ich gerade gefunden. Er war Maler und sehr berühmt. Sein Name ist Leonardo da Vinci.“

      AM HAFEN

      „Freust du dich eigentlich auf deinen Geburtstag morgen?“ fragte Niklas und schlenkerte mit den Beinen gegen die Kaimauer, auf der wir nebeneinander saßen.

      „Mmh“, machte ich und sah dabei zu, wie die Wellen leise gegen eines der Boote plätscherten, mit dem die Fischer morgens immer raus fuhren. Der Hafen war voll von diesen kleinen Kuttern, und es roch nach Fisch und salziger Meeresluft. Es hatte inzwischen aufgehört zu regnen. Die Sonne kämpfte sich langsam durch die Wolken und warf ein paar Strahlen aufs Meer, das in dem hellen Licht gleich viel freundlicher aussah. Mir kam es auch so vor, als ob es seit morgens viel wärmer geworden war.

      „Für April ist es ziemlich warm. Findest du nicht auch?“ meinte Niklas, als hätte er meine Gedanken erraten.

      „Mmh“, machte ich wieder und überlegte, ob ich noch etwas sagen sollte. Aber wie meistens, wenn Niklas bei mir war, fiel mir nichts ein. Eine Weile lang sagten wir beide nichts und sahen einfach nur aufs Meer und auf die Fischerboote mit ihren Netzen, die auf dem Wasser leicht hin- und herschaukelten. „Cool, dass du am 13. Geburtstag hast“, meinte Niklas auf einmal, ohne mich anzusehen.

      „Wieso?“

      „Na ja, die meisten Leute behaupten doch, dass der 13. Unglück bringt. Aber ich finde, es ist ein Glückstag.“

      „Echt?“ fragte ich.

      „Echt“, sagte Niklas und nickte zur Bestätigung noch einmal. „Am 13. Geburtstag zu haben, das ist etwas ganz Besonderes, Kira. Das bedeutet, dass du noch eine Menge Glück haben wirst.“ Er sah mich kurz von der Seite an und blickte dann schnell wieder aufs Meer.

      Ich stellte mir vor, wie es wohl wäre, wenn plötzlich ein riesiger Wal angeschwommen kommen würde und Niklas und mich auf seinem breiten, glitschigen Rücken weit mit ins Meer hinausnehmen würde. „Woran denkst du gerade?“ fragte Niklas und sah mich wieder an. Ich merkte, wie ich rot anlief. „An Wale.“ Dass ich mir gerade vorgestellt hatte, der Wal würde uns aufs Meer hinaustragen, behielt ich aber lieber für mich.

      „Wusstest du, dass ein Blauwal über 30 Meter lang werden kann und bis zu 200 Tonnen schwer?“, fragte Niklas.

      „Wie viel ist noch mal eine Tonne?“

      „1000 Kilo. Also wiegt ein Blauwal ungefähr 200.000 Kilo. Das ist so viel wie dreißig ausgewachsene Elefanten.“

      „Dann muss er aber ganz schön viel fressen“, meinte ich.

      Niklas nickte. „Hauptsächlich Plankton, kleine Fische und Krebse. Ich habe mal gehört, dass ein Blauwal im Sommer ungefähr 40 Millionen kleiner Krebse verschluckt. Am Tag.“

      „Am Tag?!“ Ich wusste zwar, dass der