Caroline Bloom

Confiteor Deo


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Nächte, scharfe Weiber, Party ohne Ende!« Ihm fiel auf, dass Henry eine gewisse Herausforderung in seine Stimme gelegt hatte, fast als wolle er ihn damit fragen, warum er nie mit von der Partie gewesen war. Henry war schon immer der Sonnyboy der Clique gewesen, sorglos und unbekümmert. »Hast du etwa schon vergessen, was letztes Schuljahr passiert ist?« »Nein, aber muss ich deshalb ins Kloster ziehen?« fragte ihn sein Zimmergenosse und lümmelte sich aufs Bett. Tom schüttelte nur den Kopf, es war ihm unbegreiflich, dass scheinbar alle einfach weiter machten, als wäre nichts passiert und er fragte sich, wieso ihm selber das nicht gelang. »Was ist mit Alex?« fragte er dann und deutete auf das dritte, noch leere Bett im Zimmer. »Kommt noch.« sagte der andere und erhob sich dann mit einem Ruck: »Ich gehe jetzt Mittagessen, kommst du mit?« Gemeinsam verließen die beiden Jungen den Schlafraum und begaben sich ins Erdgeschoss.

      Auch Georg und Constanze hatten das Erdgeschoss fast erreicht, als sie von den beiden Jungen überholt wurden. »Hallo Herr Schubert!« grüßten die beiden und drosselten augenblicklich das Tempo. »Herr Zilm, Herr Sturm, Sie wissen doch genau, dass im Schulgebäude nirgends gerannt wird!« »Ja, Herr Schubert. Entschuldigung!« Mit gesenkten Köpfen standen die beiden vor ihm. Ob es an ihrer offensichtlichen Zerknirschung lag oder daran, dass Constanze dabei war, jedenfalls sagte Georg: »In Ordnung, ich werde heute nochmal ein Auge zudrücken.« Die beiden wechselten einen raschen Blick, während Georg nun auf Constanze wies: »Dies ist übrigens eine neue Lehrerin...« Er geriet ins Stottern, Constanze hatte sich ihm bisher nur mit ihrem Vornamen vorgestellt, und sah seine Kollegin hilflos an. »Ich bin Frau Taubert.« sagte sie und fragte sich, ob sie den Schülern die Hand anbieten sollte, ließ es dann aber. »Guten Tag.« sagte der größere von beiden und der andere setzte hinzu: »Ich hoffe, Sie leben sich hier schnell ein.« »Vielen Dank.« Die beiden Jungen verschwanden durch die Tür in den Speisesaal und die Lehrer folgten ihnen. »Normalerweise gibt es bei derlei Regelverstößen, wie Rennen im Schulgebäude, Lärm, Unpünktlichkeit und ähnlichen kleineren Vergehen rote Punkte. Ich habe heute nochmal ein Auge zugedrückt, aber solltest du so etwas sehen, dann zögere bitte nicht, diese Vergehen zu bestrafen. Es ist nun mal Gesetz an dieser Schule und die Schüler wissen das. Diese Punkte werden jeden zweiten Sonntag aus der Schulakte wieder gelöscht. Bekommt ein Schüler innerhalb dieser beiden Wochen drei rote Punkte, entscheidet der Klassenleiter, ob sie in eine gelbe Karte umgewandelt werden, oder ob das nächste Heimfahrwochenende sofort gestrichen wird. Bei größeren Verstößen, zum Beispiel Handys im Unterricht, Rauchen außerhalb der Pausen oder den Raucherbereichen, unerledigte oder zu spät abgegebene Hausarbeiten gibt es sofort eine gelbe Karte. Bei zwei gelben Karten wird das Heimfahrtwochenende gestrichen.« erklärte ihr Georg schnell, dann fügte er hinzu: »Rechne damit, dass die Direktorin dich kurz vorstellen wird. Du musst nicht viel sagen, nur, aus welcher Stadt du kommst, dass du ein Instrument spielst, solche Sachen halt.« Constanze nickte ihm zu, dann ließen die beiden sich am Lehrertisch nieder.

      Kapitel 6

      »An unsere neuen Schüler ein herzliches Willkommen, an alle anderen Willkommen zurück!« eröffnete die Direktorin wenig später ihre Rede: »Ein neues Schuljahr beginnt und wie immer möchte ich ein paar einführende Worte sagen. Die Schüler, die schon länger bei uns sind, wissen das meiste schon, aber auch für sie ist zumindest eine Neuigkeit dabei und mit der werde ich auch gleich beginnen. Wir haben seit diesem Schuljahr eine neue Lehrerin, sie heißt Constanze Taubert.« Sie drehte sich zu der jungen Lehrerin um, die sich nun anmutig erhob: »Möchten Sie ein paar Worte sagen?« »Guten Tag, ich bin Frau Taubert und werde sicherlich ein paar von Ihnen in Musik und Deutsch unterrichten. Ich komme aus M. und spiele seit vielen Jahren Klavier, werde hier aber die Gesangsstunden übernehmen.« Frau Amberg nickte der jungen Kollegin wohlwollend zu und diese ließ sich sichtlich erleichtert wieder auf ihren Stuhl sinken. »Der Hausmeister hat mich gebeten, euch zum wiederholten Male darauf hinzuweisen, dass die Schuhe, vor allem wenn es draußen schlammig ist, gründlich zu reinigen sind, bevor ihr das Schulgebäude betretet. In den Gängen und den Klassenräumen wird nicht mit Sachen umhergeworfen. Weder mit Bällen, noch mit Frisbees und auch nicht mit nassen Tafelschwämmen. Es hinterlässt hässliche Flecken an den Wänden und das Reinigen ist sehr aufwendig. Wer unter euch trotzdem unbedingt meint, seine Frustration an unschuldigen Schulinventar auslassen zu müssen, wird zur Verantwortung gezogen. Die Tages- und Stundenpläne hängen, wie jedes Jahr, am schwarzen Brett vor dem Speisesaal aus. Herr Schubert, Sie würde ich bitten, die Andachten bis Sonntag Abend zu übernehmen, Herr Zilm, Sie übernehmen die Tischgebete. Frau Paschke, der Chor hat doch sicherlich ein paar Motetten im Repertoire, die zu den Andachten gesungen werden können?« Die zierliche Frau mit den blonden Haaren, die neben Constanze saß, nickte lebhaft und sagte dann: »Alle Chormitglieder finden sich bitte um halb vier im Konzertsaal ein, zu einer kurzen Probe!« »Dann wäre ja erst einmal alles geklärt.« stellte Frau Amberg zufrieden fest: »Dann wünsche ich Ihnen allen einen gesegneten Schuljahresbeginn.« Als sie sich gesetzt hatte, erhob sich Henry, es folgte ein Rascheln, als alle Schüler mit gefalteten Händen die Köpfe senkten. »Alle guten Gaben, alles was wir haben, kommt, o Herr, von dir. Dank sei dir dafür!« »Amen.« murmelte es vielstimmig, bevor die Stille des Saales in dem Klappern von Geschirr und Stimmengewirr unterging. »Was machst du nach dem Mittagessen?« fragte Georg seine junge Kollegin. »Ich wollte ein bisschen in den Park gehen, um den Kopf frei zu kriegen.« entgegnete diese ebenso leise. »Möchtest du dabei Gesellschaft, oder wärst du lieber allein? Um halb vier muss ich bei der Chorprobe sein. Der Chor besteht nämlich nicht nur aus Schülern, es sind auch einige Lehrer dabei.« »Offen gestanden wäre ich lieber ein bisschen allein, aber die Probe würde ich mir gern anhören. Vielleicht darf ich irgendwann auch mal mitsingen.« »Welche Stimmgruppe bist du denn?« schaltete sich Frau Paschke plötzlich ins Gespräch: »Ich bin übrigens Lisa.« Sie streckte ihrer neuen Kollegin die Hand hin. »Constanze, aber die meisten nennen mich Conny. Das letzte Mal, dass ich in einem Chor gesungen habe, ist eine Weile her, aber damals war ich Sopran.« »Das hatte ich vermutet, deine Sprechstimme liegt ja schon relativ hoch.« bestätigte ihr Lisa: »Komm doch einfach nachher mit in die Probe, dann können wir hören, wie du dich stimmlich in den Chor einfügst.« »Gern.« sagte Constanze aus vollstem Herzen, sie hatte damals gern im Chor gesungen und diese Art von Gemeinschaft hatte ihr in den letzten Jahren gefehlt.

      Kapitel 7

      »Was hältst du von unserer neuen Lehrerin?« fragte Alex Fischer seinen Freund Henry Zilm. Er stand am Fenster und beobachtete, wie die junge Lehrerin langsam durch den Park schritt. »Sie scheint ganz in Ordnung zu sein.« Henry zuckte die Achseln, was ging ihn die Neue an. Er hatte gerade seine restlichen Sachen im Schrank verstaut und schob den Koffer unter sein Bett, als Tom, der Dritte im Bunde, das Zimmer betrat. »Spionierst du der neuen Lehrerin hinterher?« fragte er spöttisch, Alex trat hastig vom Fenster weg: »Ach Quatsch! Aber ich finde sie nett.« »Du magst sie doch nur, weil sie hübsch ist.« »Also entschuldige mal, aber ich mag niemanden, nur weil er hübsch ist!« »Ach. Und wie war das nochmal mit Frau Willmer?« zog Henry ihn auf: »Ja, Frau Willmer. Natürlich, Frau Willmer. Alles, was Sie wollen, Frau Willmer.« Alex wurde rot. Frau Willmer war bis letztes Jahr an dieser Schule gewesen, die Jungen hatten sie in Deutsch gehabt. Sie war groß und schlank gewesen, mit rot-blonden Locken und einem hübschen Gesicht. Sie hatte seelenvolle Augen gehabt, erinnerte sich Alex, genau wie die Neue. Aber er hütete sich, dass laut zu sagen, seine Kameraden verspotteten ihn ohnehin schon genug, auch wenn er wusste, dass es nicht böse gemeint war. Er ließ sich auf sein Bett fallen und blätterte scheinbar interessiert in einem Buch, war mit den Gedanken aber ganz woanders. Seine Kameraden mussten ihn dreimal ansprechen, bevor er reagierte. »Hallo, Dornröschen, aufwachen. It's showtime!« »Was?« »Die Chorprobe beginnt in fünf Minuten!« »Oh...sorry, aber das Buch war so spannend.« »Ja, klar.« bemerkte Tom ironisch, während Henry ein falsches Hüsteln hören ließ, was merkwürdigerweise wie Taubert klang.

      Die Ruhe im Park hatte Constanze gut getan, nun freute sie sich auf die Chorprobe. Lisa hatte sie gebeten, etwas früher zu kommen, um ihre Stimme zu testen und sie war hocherfreut gewesen. Constanzes klarer und reiner Sopran würde für den Chor eine echte Bereicherung sein. Nach und nach füllte sich der Probenraum mit Schülern und Lehrern, Constanze erkannte