Lilian Adams

Eva


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Von wegen schnell. Es dauert ewig, bis ich einen Parkplatz finde. Die günstigen Parkzonen sind wie immer schon belegt und ich muss direkt in die Innenstadt fahren, wo es wirklich unverschämt teuer ist. Trotzdem löse ich ein Ticket für zwei Stunden. Ich verbummele oft die Zeit und Michael regt sich jedes Mal fürchterlich auf, wenn ich mit einem Protokoll nach Hause komme.

      Jetzt beeile ich mich, in die Buchhandlung zu gelangen, denn wie ich schon aus Erfahrung weiß, werde ich hier sicherlich eine ganze Weile bleiben. Wenn ich mich in Bücher vertiefe, sind ruck zuck ein paar Stunden vorbei. Zielstrebig laufe ich sofort zu den Neuerscheinungen, die auf einem kleinen Tischchen aufgebaut sind. Ich bin so ziemlich über alles informiert, was in diesem Geschäft so abläuft, erstens, weil ich sehr oft hierherkomme und daher das Sortiment gut kenne und zweitens, weil ja meine beste Freundin seit Kindertagen hier arbeitet. Inzwischen hat sie den Laden von ihrem ehemaligen Chef übernommen, weil der sich mit knapp siebzig Jahren endlich zur Ruhe setzen wollte.

      Da kommt Marie schon auf mich zugelaufen und strahlt mich an. Diese Frau hat einfach ein sensationelles Lächeln drauf. Ich könnte wetten, dass sie damit jeden Kunden dazu bringen kann, ein von ihr empfohlenes Buch zu kaufen.

      Momentan verschenkt sie ihr Strahlen allerdings an mich. „Eva, schön, dich zu sehen“, sagt sie und greift direkt nach einem Buch aus dem großen Stapel. „Guck mal da rein. Das hier ist der Hammer! Der ultimative Knaller. Das musst du unbedingt lesen, ist wie für dich gemacht.“ Sie hält mir einen dicken Wälzer hin und schon hat sie mich an der Angel.

      Marie kennt meine große Leidenschaft für Ratgeber. Wenn sie mich ein bisschen ärgern will, macht sie sich über diese Marotte manchmal lustig. Aber meistens ist sie voll die gute Buchhändlerin und liest alle Neuerscheinungen, die in den Laden geliefert werden, und die mich interessieren könnten, gleich mal quer, um mich optimal beraten zu können.

      Ich greife zu und blättere in dem fetten Buch mit dem imposanten Namen „Der ultimative Lebensratgeber für die Frau von heute“. Der Titel ist ganz schön angeberisch, finde ich, aber wenn Marie das Buch empfiehlt, ist es bestimmt gut und ich werde es deshalb auf jeden Fall auch kaufen. Schließlich habe ich viel Geld gespart, weil ich meine Haare neulich selbst geschnitten habe, statt Geld beim Friseur zu lassen. Daher kann ich jetzt in unser Familienglück investieren!

      Marie kennt mich besser als irgendwer sonst, die würde mir keinen Mist verkaufen. Ich würde sie so gerne öfter sehen. Marie ist Single und arbeitet seit ihr der Laden gehört den ganzen Tag. Abends, wenn sie dann endlich Zeit hätte, habe ich keine mehr. Schließlich habe ich eine Familie, die mich braucht.

      Marie fordert mich auf, in aller Ruhe in dem Werk zu stöbern. Ich lasse mich dazu in einen der bequemen Sessel fallen, die hier überall rumstehen, damit die Kunden auch in die Bücher reinschnuppern können. „Bis später“, raunt Marie mir zu und schon ist sie auf dem Weg zu einer älteren Dame, die etwas hilflos vor einem Regal steht.

      Es fällt mir schwer, die Uhr im Auge zu behalten, denn das Buch ist wirklich der Hit. Ich will gar nicht mehr aufhören zu lesen und ich kann mir vorstellen, dass ich darin Tipps finden könnte, die mir wirklich weiterhelfen statt nur in der Theorie gut zu klingen. Rasch zahle ich, verabschiede mich von Marie und haste mit dem schweren Wälzer in meiner Stofftasche aus dem angenehm kühlen Laden.

      Wettlauf gegen die Amtsgewalt

      Als ich reichlich spät in Sichtweite meines Autos komme, sehe ich bereits eine Politesse die Straße entlanglaufen. Sie hat solch eine auffallende rote Haarfarbe und einen dermaßen dicken Hintern, dass man sie gar nicht übersehen kann. Dummerweise hat sie aber auch einen gewaltigen Vorsprung und mein Parkschein ist bereits abgelaufen. Ich gebe Gas und versuche die Gute einzuholen. Die schlendert gemütlich von Auto zu Auto. Ihren Computer hat sie bereits in der Hand, um schneller die Daten der Verkehrssünder eintippen zu können. Ich ärgere mich, dass ich ihr, wie so viele andere Autofahrer auch, den Job leicht mache, weil wir es nicht schaffen, rechtzeitig zurück zu sein.

      Wobei, in dem Fall könnte sich dieser Umstand durchaus günstig für mich auswirken, denn die Politesse hat viel zu tun und ist schwer damit beschäftigt, Beweisfotos anzufertigen und allerhand Knöllchen unter die Scheibenwischer zu klemmen.

      Ich schöpfe Hoffnung, bin mir aber im Klaren, dass das Rennen noch nicht entschieden ist, denn mein Auto steht sozusagen am anderen Ende des Horizonts. Der Schweiß läuft mir schon den Rücken hinunter, denn mein Einkauf ist bleischwer und ich habe das Gefühl, dass meine Arme gleich über den Gehweg schleifen.

      Die Sandalen drücken. Sie sind wohl eher Sitzschuhe und nicht dafür gemacht, Wettläufe zu veranstalten. Bestimmt werde ich später eine große Blase am Fuß entdecken.

      Aber ich gebe nicht auf. Schließlich habe ich satte vier Euro für den Parkschein bezahlt. Das ist viel Geld und berechtigt mich doch wohl, mal ausnahmsweise ein, zwei Minütchen länger stehen zu bleiben.

      Ist das anstrengend! Kurz überlege ich, ob ich nicht einfach bremsen und mir in der Eisdiele, an der ich gerade vorbeihechte, eine kühle Erfrischung genehmigen soll. Aber ich entscheide mich dagegen. Laufen soll ja auch gut für die Figur sein, also renne ich weiter und schaffe es, die Dame abzudrängen und sogar zu überholen.

      Ich drücke auf die Fernbedienung meines Türöffners und gerade als sie ihre Nase Richtung Ablage streckt, packe ich meinen Parkschein und knülle ihn zusammen. Gewonnen! Mit großer Willenskraft schaffe ich es, nicht die Hand zur Faust zu ballen und gen Himmel zu strecken.

      Diese Geste auszuführen wäre aber sowieso schwierig geworden, denn meine Arme zittern vom vielen Schleppen. Stattdessen grinse ich und sage freundlich: „Guten Tag!“ Die Ordnungshüterin schaut mich irritiert an. Wahrscheinlich wird sie nicht so oft gegrüßt und weiß deshalb nicht, wie sie diese Geste einordnen soll.

      Dann verzieht sie ihr Gesicht zu so was wie einem angedeuteten Lächeln und nickt mir zu. Höchst zufrieden lasse ich mich auf den Sitz fallen, kurbele erst mal die Fensterscheibe runter, damit ich wieder zu Atem komme und mache mich auf den Heimweg.

      Dort lasse ich mich erschöpft auf die Couch fallen, schnappe mir eine große Tüte Chips und greife nach dem Ratgeber. Das Ding ist echt spannend. Zu spannend, denn ich achte nicht auf die Zeit und lasse mich doch glatt von Michael beim Lesen erwischen.

      Mein Mann sieht mich grinsend an und ich hoffe, dass er den Titel meiner Lektüre nicht gelesen hat. Dann lockert er seine Krawatte, reckt sich, bis die Knochen knacken und stellt seinen riesigen Aktenkoffer mitten in den Weg. Die Schuhe kickt er unter den Wohnzimmertisch, er selbst lässt sich neben mich aufs Sofa plumpsen. „Na, Faules, was liest du denn da Interessantes?“

      An dieser Stelle sollte ich wohl erwähnen, dass mein Mann es schon seit Jahren furchtbar lustig findet, mich ganz liebevoll „Faules“ zu nennen. Diese Angewohnheit ist ein ziemlich ärgerliches Überbleibsel von einem feuchtfröhlichen Abend kurz nach unserer Hochzeit, an dem ich mich bei ihm beschwerte, er habe mir das „Glück“ genommen, worauf er antwortete, dafür würde er mich künftig immer „Faules“ nennen.

      Ich musste daraufhin furchtbar lachen, woran natürlich nur die Bowle schuld war, denn witzig war und ist das sicher nicht, aber in dem Moment wurde mein Spitzname geboren. Wenn mich jemand anders als Michael jemals so nennen sollte, werde ich ihn deshalb auf jeden Fall umhauen, das ist klar.

      Immer noch versucht mein Mann, einen Blick auf den Buchtitel zu erhaschen und ich tue alles, damit ihm das auch jetzt nicht gelingt. Nach kurzer Zeit gibt er auf und beginnt stattdessen, mich zu piesacken. „Faules, meinst du denn nicht, es gäbe noch was Sinnvolleres zu tun, als die Zeit mit Lesen zu verplempern?“ Er weiß, wie er mich ärgern kann. Der Gute hat Glück, dass ich ihm sein altmodisches Machogehabe meistens nicht übelnehme. Heute aber verstehe ich überhaupt keinen Spaß! Ich bin in Kampfstimmung und funkele ihn deshalb zornig an. Aber Michael ist ebenfalls noch nicht am Ende. „Morgen kommen wieder Leute, um sich das Haus anzusehen. Mein Vater meinte, ich solle mal nachhaken, was die Fenster machen?“ Er zuckt die Schultern, runzelt die Stirn und sieht mich fragend an. Nein, Michael hat definitiv keine Ahnung von unserer kleinen Auseinandersetzung. Ich überlege kurz,