Lilian Adams

Eva


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sind, kostet er verzückt.

      Eigentlich sollte ich mich schon lange wieder in die Küche bewegt haben, aber ich stehe immer noch da und starre vollkommen entrückt diesen Traummann an.

      Nebenbei registriere ich, dass die Gäste mein neues Dessert genießen. Das ist einer dieser Momente, die nie vorbeigehen sollten.

      Gerade wurde dem Restaurant der erste Stern verliehen. Daran war ich mit meinen mutigen Vorschlägen nicht ganz unschuldig.

      Ich wage noch einen Blick in die wunderschönen Augen des Gastes und mein Herz schmilzt wie Vanilleeis in heißen Himbeeren. Meine Beine fühlen sich an wie Käse-Sahne-Torte, in der man die Gelatine vergessen hat. Wie ferngesteuert reiße ich mich endlich zusammen und wünsche höflich einen guten Appetit.

      Wie ich zurück in die Küche komme, weiß ich hinterher gar nicht, so „geflasht“ bin ich.

      „Vergiss es, so ein toller Mann ist mit Sicherheit vergeben!“, versuche ich mich selbst zur Raison zu bringen. Aber wie einen Wünschelrutengänger zum Wasser, zieht es mich in seine Richtung. Und so laufe ich zum Vorhang, der den Küchenbereich vom Service trennt und schaue IHM beim Genießen zu.

      Sein Teller ist inzwischen leer, bis auf den Fruchtspiegel, aber der Mann mit den sympathischsten Augen westlich des Urals, kratzt immer noch sorgfältig die restliche Soße vom Teller. Dabei entsteht ein fieses Quietschgeräusch, das jedem anderen megapeinlich wäre. Er hingegen zuckt nur die Schultern und grinst ein hinreißendes schiefes Lächeln, das mich endgültig umhaut.

      Dann legt sich plötzlich eine Hand auf meine Schulter und ich erschrecke fürchterlich. Ich war so mit Schwärmen beschäftigt, dass ich meinen Chef nicht mal bemerkt habe.

      Verlegen mache ich mich auf den Weg zurück zur Küche, als mich Maître Claude zurückhält

      „Die Gäste von Tisch fünf möchten sich gerne persönlich bei Ihnen bedanken. Also los Frau Glück, holen Sie sich die verdienten Lorbeeren ab!“ Mit diesen Worten schiebt er mich in den Gastraum.

      Verlegen trete ich an den Tisch, lächele und höre mich sagen: „Wie schön, dass Ihnen mein Dessert geschmeckt hat!“ Mein Blick schweift hinüber zu der streng aussehenden Frau, die mir hoheitsvoll zunickt. Sie sieht nicht aus, als würde sie öfter mal einen leckeren Nachtisch genießen, so hager wie sie in dem gut sitzenden Chanelkostüm wirkt.

      Ganz anders der Mann zu ihrer Linken. Obwohl er sitzt, wirkt er riesig. Er hat einen dunkelroten Kopf und das Hemd spannt so sehr über seinem Bauch, dass ich mich wundere, dass die Knöpfe nicht vor lauter Erschöpfung nur so davonspringen. Ob das wohl seine Eltern sind, frage ich mich still und lächele, als der dicke Mann laut polternd zu reden beginnt

      „Welch wunderschönes Fräulein! Und kochen kann sie auch noch!“

      Dann mischt sich der nette junge Mann ein und meint: „Ich hoffe Sie sind nicht vergeben, denn ich habe mich soeben unsterblich verliebt. Sie müssen die gute Fee aus dem Märchen sein, denn sonst könnten Sie niemals solche Leckereien produzieren!“

      Dabei schaut er mir fragend in meine blauen Augen, als könne er darin eine Antwort finden.

      Er grinst wieder dieses schiefe Lächeln, das mich vorhin schon so verzaubert hat und da ist es um mich geschehen. Er ist es, erkenne ich. Der Mann meiner Träume, mein Seelenverwandter.

      Gegenwart

      Die Zeitschaltuhr piepst und ich zucke zusammen. So abrupt aus meinen Träumen gerissen zu werden, tut echt weh!

      Zack, schon bin ich wieder Aschenputtel! Auch ohne Stäbchenprobe sehe ich, dass die Muffins noch nicht perfekt gebräunt sind. Aber sie duften bereits verführerisch. Der Geruch zieht mich erneut in die Vergangenheit.

      Unsere Hochzeitstorte habe ich nämlich selbst gebacken und verziert. Und die war so lecker mit dem lockeren Biskuitteig und den verschiedenen raffinierten Füllungen, dass ich nur beim Gedanken daran schon Pfützen in den Mund bekomme.

      Aber heute werde ich heldenhaft auf alles Süße verzichten.

      Ja, unsere Hochzeit. Eine Mischung aus steifer Förmlichkeit und ausgelassener Party. Ich muss sagen, an diesem Tag habe ich mich WIRKLICH gefühlt wie Cinderella. Ein über und über mit Perlen besticktes, strahlendweißes, bodenlanges Kleid mit einer „Hammer“- Korsage. Meine Vorzüge waren echt gekonnt in Szene gesetzt. Michael stand sogar kurz der Mund offen, als ich in die Kirche schwebte.

      Um mich zu überraschen, hatte er ein Oldtimercabriolet gemietet. Es war mit wunderschönen Frühlingsblumen geschmückt. Wir fuhren zu einem alten Bauernhof, wo wir feierten. Der Weg dorthin war leider nicht allzu weit, denn ich wäre gerne ewig so weitergefahren. Ich habe mich gefühlt wie die Queen persönlich und habe Passanten, an denen wir vorbei fuhren, in etwa genauso huldvoll zugewinkt.

      Um das Buffet hatten sich Maître Claude und das Team gekümmert, weswegen es wahre Begeisterungsstürme auslöste. Michaels Eltern liefen den ganzen Abend mit stolz geschwellter Brust umher, auch wenn sie ursprünglich eine andere Favoritin als Ehefrau für ihren einzigen Sohn im Sinn hatten.

      Ein Gast, den wir gar nicht kannten, wahrscheinlich einer von Edgars Geschäftspartnern, hatte anscheinend sein Hörgerät vergessen.

      „Habt ihr ein Glück, so eine fähige Schwiegertochter zu bekommen“ brüllte er Edgar an. „Und Michael erst! Jeden Tag solche Köstlichkeiten serviert zu bekommen, da könnte man direkt neidisch werden!“ Die Antwort seiner Frau fiel nicht gerade liebevoll aus. Sie knuffte ihn in die Seite und keifte „dir schmeckt wohl mein Essen nicht mehr, seit ich deine Kalorienzahl ein bisschen reduziert habe?“

      Ich stand zufällig in der Nähe und konnte mir nur mit Mühe das Grinsen verkneifen.

      Leider nahm sowohl Edgars als auch Katharinas Begeisterung für mich schnell ab. Spätestens, als ich mit Laura schwanger wurde. Innerhalb kürzester Zeit war meine hübsche Figur pfutsch und ich verwandelte mich in ein keuchendes Walross mit dicken Füßen, die in keine Schuhe mehr passten.

      Katharina sieht heute immer noch aus wie damals. Sie hat immer noch dieselbe hagere Figur, denselben verkniffenen Gesichtsausdruck und dieselbe Art, ihr Missfallen auszudrücken. Wahrscheinlich, so vermute ich mal, bin ich nicht standesgemäß genug für ihren Thronfolger und Erben.

      Ich habe mich inzwischen fast daran gewöhnt, dass wir wohl keine Freunde mehr werden, denn Charlotte, Michaels Sandkastenliebe und die Tochter eines Geschäftspartners, war immer deren erste Wahl. Aber Michael hat sich nun mal für mich entschieden, Basta!

      Nach Lauras Geburt hatte ich keine Zeit mehr, mich groß um meine Bedürfnisse zu kümmern. Ich war froh, wenn der kleine Schreihals mal ruhig war und ich ein paar Minuten schlafen konnte. Laura und Michael haben von Anfang an meine komplette Aufmerksamkeit gebraucht. Spätestens, als unser Max die Familie komplett gemacht hat, war ich nur noch zu Hause. Ich glaube, ich habe sie alle total verwöhnt, nein ich weiß, dass es so ist. Selbst schuld also.

      Zumindest sagt mein Ratgeber in Sachen Familienharmonie, dass nicht einer alleine für den kompletten Haushalt und die Kindererziehung zuständig sein sollte. Aber ich musste ja alles an mich reißen. Charlotte hat zum Beispiel nicht auf ihre Karriere verzichtet, obwohl sie auch eine Tochter hat.

      Ich habe Charlotte übrigens erst vor kurzem getroffen, als ich mit Michael bei einer politischen Veranstaltung war. Er hat darauf bestanden, dass ich mitkomme und ich habe ihm den Gefallen getan, obwohl ich überhaupt nicht die passenden Kleider für so was „Offizielles“ besitze. Mit meinem rosa Strickjäckchen über dem bunten Sommerkleid bin ich unter all den Kostümträgerinnen auch ziemlich aufgefallen.

      Michael war das, glaube ich, egal. Ich weiß gar nicht, ob er es überhaupt gemerkt hat, zumindest hat er nichts gesagt.

      Charlotte, die in ihren hochhackigen Pumps und dem taillierten Business- Hosenanzug aussah, als nähme sie maximal zwei Salatblätter am Tag zu sich, trug mit ihrem gönnerhaften: „Ach, Deine Köchin“ nicht gerade zu meinem Wohlbefinden bei. Zumal sie ständig