Lilian Adams

Eva


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Charlottes Geldbeutel könnte ich mich auch anders kleiden. Aber ich kann doch nicht Michaels sauer verdientes Geld für einen Firlefanz ausgeben, den ich nur alle Schaltjahre mal brauche.

      An diesem Abend wurde es noch richtig anstrengend und vom falschen Lächeln taten mir bald die Mundwinkel weh, ich musste hier weg.

      „Schatz, sei mir nicht böse, aber ich habe wahnsinnige Kopfschmerzen. Ich muss mich hinlegen.“

      Michael wirkte enttäuscht. „Ach, du Arme, soll ich Dich nachhause fahren? Oder willst Du mit dem Bus…?“

      „Nein, es geht schon. Die Bushaltestelle ist ja gleich um die Ecke“ gab ich zurück.

      Charlotte musste natürlich auch dringend noch einen Kommentar abgeben.

      „Du Ärmste. Bestimmt überfordern dich das viele Kochen und die Arbeit mit den Kindern. Vielleicht solltet Ihr Euch auch eine Nanny nehmen. Dann klappt alles bestimmt besser und Du bist nicht mehr so erschöpft!“

      Trara- Tusch für Charlotte- tolle Idee. Dieses arrogante Biest wusste doch genau, dass Michael nicht gut verdient.

      Ich blieb souverän, lächelte ein letztes Mal in die Runde, wünschte allen viel Spaß, drehte mich herum und ließ endlich die Mundwinkel fallen. Geschafft!

      Soviel zum Thema Charlotte. Schnee von gestern. Jetzt stehe ich in der Küche und habe die Mission, alle Muffins in die Box zu packen, ohne auch nur einen zu probieren. Keinen einzigen werde ich essen. Wäre doch gelacht, wenn ich nicht diszipliniert sein könnte.

      Probehalber kneife ich mich in den Bauch, um abzuschätzen, wie lange ich wohl durchhalten muss. Sehr lange! Mein Rettungsring ist noch da. Er wird mich über sämtliche Weltmeere tragen, sollte ich je in Seenot geraten.

      Dabei ist Sommer. Die meisten Leute nehmen in dieser Jahreszeit ab, habe ich gelesen. Aber die Falte, die ich gerade zwischen Daumen und Zeigefinger ertaste, ist eher dicker geworden. Und mein Magen knurrt auch schon wieder. Das tut er häufig, wenn ich über meine Figur nachdenke. Sabotage! Egal, ich werde das Geräusch ebenso ignorieren wie Michaels Rufen.

      „Faules, wo ist meine Sporttasche?“ erreicht mich seine Stimme und holt mich aus meinen Tagträumen. Beim Blick auf die Uhr erschrecke ich, oh je, schon so spät. Ich sollte mich beeilen, wenn ich unser Haus mal wieder in ein „TraumHeim-Musterhaus“ verwandeln soll, bevor ich zur Arbeit fahre.

      Francesco, mein Chef, zahlt zwar echt mies, aber Unpünktlichkeit liegt mir nicht. Außerdem macht mir die Arbeit Spaß. Die quirlige Atmosphäre in seinem kleinen, gemütlichen Restaurant erinnert mich irgendwie an das „Chèz Claude“, obwohl der Vergleich natürlich weit hergeholt ist.

      Meine Erlebnisse in der Pizzeria, in der ich am Wochenende als „Küchenhilfe“ arbeite, interessieren Michael überhaupt nicht. Er liest lieber die Zeitung. Es ist ihm sowieso ein Dorn im Auge, dass ich dort aushelfe. Aus der großen Karriere, von der ich in meiner Kindheit geträumt habe, ist definitiv nichts geworden.

      Kein Wunder, wenn Michael mich kaum mehr wahrnimmt. Ich bin ja nur Hausfrau und Mutter mit kleinen Nebenjobs, die noch dazu unterirdisch bezahlt werden. Wenn man erst mal in der Teilzeitschiene drin ist, hat man den Fuß in der Falle.

      Wie soll ich da rauskommen? Außerdem habe ich viel zu viel mit Haushalt und Kindererziehung zu tun. Michael ist ein konservativer Mann, der sich eine Ehefrau wünscht, die die Traditionen wahrt.

      Anfangs habe ich mir nicht allzu viele Sorgen um dieses Thema gemacht. Hätte ich besser mal.

      Michael hat Weiterbildung um Weiterbildung gemacht, der Karriere wegen. Die gut dotierten Posten in der Bank, bei der er schon seine Ausbildung gemacht hat, sind allerdings bereits besetzt. Woanders arbeiten möchte er nicht. Er hat gerne sein Gewohntes. Also war das große Opfer, das ich für uns gebracht habe, unnötig.

      Mich hat es nie gestört, dass unser Haushalt damals recht vernachlässigt war. Wir waren ja beide sowieso nie da. Aber Michael hat das nicht so gut verkraftet. Seine Laune wurde täglich schlechter. Zugegeben, die ungemachte Wäsche, der Staub und das schmutzige Geschirr verwandelten unser Zuhause im Laufe der Zeit in ein Chaos.

      Aber Michael kam immer nur nach Hause und legte sofort jammernd die Füße hoch, statt mit anzupacken. Irgendwann wurde ich schwach und kündigte schweren Herzens meine Arbeit. Maître Claude wollte es nicht glauben und rief noch monatelang an, um mich umzustimmen.

      Leise höre ich nun den Klang der elektrischen Zahnbürste aus dem Bad. Michael hat also aufgegeben, „Faules“ zu schreien und putzt stattdessen lieber Zähne. Gut so! Geht doch!

      Ich spüre, dass ich jetzt ausgeglichen genug bin, meinen Mann zu begrüßen, ohne allzu miesepetrig daherzukommen.

      Mit einer Weihnachtsmannserviette tupfe ich mir den Schweiß von der Stirn. Wo kommt denn dieses Teil jetzt her, mitten im Sommer, überlege ich.

      In der Küche ist es brütend heiß, doch ein Fenster zu öffnen macht wenig Sinn, solange noch die Sonne scheint. Das beschert mir nur Ungeziefer im Haus.

      Wie konnte ich nur auf die Idee kommen, die Muffins selbst zu backen? Alle anderen Mütter sind sicherlich tiefentspannt mit Flip-Flops und Strohhut zur Bäckerei gelaufen und haben sich die Kuchenstücke für den Basar dort besorgt. Im Prinzip wäre es sowieso sinnvoller, die zwölf Euro, die für die Teile maximal in die Kasse kommen, gleich zu spenden. Bis man das Geld für die Zutaten rechnet, die Papierförmchen, die Energie für den Backofen, nicht zu vergessen die Zeit, die man investieren muss, wäre das effizienter, zumal meistens die Hälfte der Kuchen übrigbleibt.

      Doch statt mich zu weigern und einfach einen Schein in die Sammelbüchse zu stecken, stehe ich hier und kann kaum atmen vor Hitze.

      Selbst in der Nachbarschaft ist kein Mucks zu hören. Wer konnte, hat sich schon längst ins Schwimmbad verzogen oder sich einen schattigen Platz im Garten gesucht. Typisch für mich, die falsche Entscheidung zu treffen.

      Um mich abzulenken, summe ich den Refrain eines Lieds vor mich hin, das mir schon den ganzen Tag im Kopf herum spukt. Ich singe leidenschaftlich gerne. Doch obwohl ich einigermaßen musikalisch bin, verziehen meine Familienmitglieder immer gequält die Gesichter, wenn ich ein Lied mitsinge. Deshalb trällere ich mittlerweile nur noch herum, wenn ich alleine bin.

      Manchmal, wenn ich gute Laune habe, summe ich schon in den frühen Morgenstunden leise vor mich hin, wenn ich die Zeitungen austrage. Das ist mein schlechtbezahlter Nebenjob Nummer zwei.

      Überall sind dann die Fensterläden noch geschlossen und es ist mucksmäuschenstill auf den Straßen. Laura hat mir zu Weihnachten ihr altes IPOD geschenkt, vollgepackt mit Musik. Oft höre ich über Kopfhörer die ganze Liste. Zwar nicht mein Geschmack, aber besser als die Stille. Die ist manchmal echt gruselig. Aber gewöhnlich schaffe ich mein Pensum in kaum zweieinhalb Stunden und so lange halt ich das „Gedudel“ schon aus.

      Mein Wecker klingelt um halb vier. „Die Leute wollen schließlich mitbekommen, was in der Welt passiert“, tröste ich mich immer, wenn ich es kaum schaffe, aus meinem kuschelig warmen Bett zu hüpfen. Im Winter ist es schwierig. Dann ist auch jeder Schritt über die noch nicht vom Schnee geräumten Straßen ein richtiges Abenteuer. Jetzt, im Sommer, mag ich das Gefühl eigentlich ganz gerne, putzmunter unterwegs zu sein, während alle anderen noch schlafen.

      Laura

      „Mama, wie siehst du denn aus?“ Laura steht in der Tür und schlägt fassungslos die Hand vor den Mund. Als ich mich umdrehe, und unserer Tochter ins Gesicht schaue, trifft mich fast der Schlag. Nur mit Mühe widerstehe ich dem Drang, auf meinen Zeigefinger zu spucken und ihr die Pampe abzuwischen. Lauras strahlendblaue Augen sehen aus wie ein schwarzes Loch.

      Ich beiße mir auf die Unterlippe, bis es weh tut, um ja nichts zu sagen. Wie sehr ich diese rabenschwarze, billige Wimperntusche hasse. Das Zeug klumpt und lässt Laura richtig billig aussehen. Ständig rede ich mit Engelszungen auf sie ein, sich doch bitte etwas dezenter zu schminken. Vergebliche Liebesmühe! Warum rede ich mir den Mund fusselig, es nützt ja doch