Lilian Adams

Eva


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Aura dominiert“. Das muss man sich mal vorstellen! Das hat diese Tussi tatsächlich gesagt!

      Katharina war übrigens auch außer sich vor Wut. Ich hoffte, dass sie niemandem mehr diese miese Aura zumuten würde. Aber die gute Katharina war begeistert von der fantastischen Geschäftsidee, die ihr so unverhofft in den Schoß gefallen war. Sie begann, mit der Besichtigungsnummer zu werben. Jedes Mal, wenn sich nun jemand für ein „TraumHeim“ interessiert, bedeutet das für mich puren Stress. Ich habe Michael schon tausend Mal gesagt, er soll das abstellen, aber bisher nichts erreicht.

      Wer will denn schon sein Zuhause zur Schau stellen? Live, wie bei Big Brother! Ich zumindest hasse das. Trotzdem will ich deswegen keinen Familienkrach provozieren und halte den Mund, obwohl es mir manchmal schwerfällt.

      So oft kommen die Besichtigungen nicht vor, beruhige ich mich immer, wenn das Blut mal wieder in meinem Kopf zu rauschen anfängt. Katharina legt die Termine inzwischen immer auf einen Vormittag mitten in der Woche, um unser Familienleben nicht zu stören.

      Über die Grüße meiner „Schwieschwies“ freue ich mich. Normalerweise ignorieren sie mich gerne. Sonntags, wenn unsere lieben Gäste schon am gedeckten Tisch mit dem guten Geschirr sitzen, versuche ich extra lange in der Küche zu bleiben. Oft backe ich ihnen etwas besonders Aufwendiges und schaffe mir so einen guten Grund für meine lange Abwesenheit.

      In jedem Café wären meine Torten definitiv der Renner. Sie sehen toll aus und schmecken auch so. Aber daheim kann es passieren, dass alle zögern und nur eine papierdünne Kostprobe essen wollen. Irgendwer ist immer gerade auf Diät und schaut mit verkniffenem Mund und knurrendem Magen auf meinen Teller. Denn da liegt immer ein großes Stück meines jeweiligen Meisterwerkes.

      Das mache ich absichtlich, um die Gesellschaft ein bisschen zu ärgern. Meist ist es die hagere Katharina, die ihren leeren Teller mit der flachen, diamantgeschmückten Hand abdeckt und gequält verkündet, der Hosenbund spanne ein wenig, nächste Woche wieder gerne.

      Die Kettenreaktion erfolgt dann immer zuverlässig. Max und ich sind die einzigen, die herzhaft zugreifen. Edgar darf maximal ein schmales Stückchen Kuchen essen, dafür sorgt Katharina eisern. Woher wohl sein Kugelbauch kommt, der jeder Schwangeren im neunten Monat Konkurrenz machen könnte?

      Dass meine Gedanken schon wieder abgeschweift sind, merke ich erst, als Michael mich mit diesem besonderen Blick anstarrt. Mit den Fingern macht er zusätzlich Klavierübungen, eine seiner Angewohnheiten zur Stressbewältigung. Dabei hat er niemals ein Musikinstrument gespielt. Er ist hoffnungslos unmusikalisch und kann keinen Takt halten.

      Es dauert einen kleinen Moment, aber dann beschleicht mich ein vages Gefühl des Unbehagens. Ein Krümel hängt in meinem Hals und ich beginne zu husten. Schnell greife ich zu einem Glas, schütte etwas Mineralwasser hinein und leere es unter Michaels aufmerksamen Blicken in einem Zug. Ich fühle mich wie ein Wurm unterm Mikroskop. Er weiß, dass ich es nicht mag, wenn er mich so anstarrt.

      Michael räuspert sich und ich halte ihm das Glas entgegen. Aber er schüttelt den Kopf und holt hörbar Luft: „Ach übrigens!“

      Dann bricht er ab und überlässt es mir, nachzuhaken. Gedankenlos falle ich auf diesen alten Trick mal wieder herein und plappere los „übrigens was?“

      Michael nutzt sein Stichwort, saust in den Flur und kommt nur Sekunden später mit einer großen Kiste voller Erdbeeren zurück. Mühsam hievt er sie auf den Küchentisch.

      Grüße aus dem Erdbeerland

      Ich bin entsetzt. Ich weiß genau, was jetzt kommt. Wie ein Déja-vu schiebt sich folgendes Bild vor mein geistiges Auge.

      Ich stehe schwitzend in der Küche und koche Marmelade. Der Rest der Familie liegt an diesem brütend heißen Sonntag im Schatten auf dem Liegestuhl.

      In der Jetzt-Zeit kneife ich kurz, aber fest, die Augen zusammen und hoffe wider jede Vernunft, dass die Erdbeeren weg sind, wenn ich wieder hinsehe. Hex hex, versuche ich es mit dem bewährten Zauberspruch der Bibi Blocksberg und widerstehe nur knapp der Versuchung, die Arme auszustrecken und mit den Fingern zu schnalzen, denn das machen Magier doch immer.

      „Du glaubst doch nicht im Ernst an Hexen“, schimpfe ich mich innerlich aus und öffne widerstrebend die Augen. Michael sieht mich jetzt ganz liebevoll mit seinem speziellen, charmanten „kleiner-Junge-Grinsen“ an, zuckt die Schultern und murmelt „wie gesagt, ich soll dich ganz lieb von meinen Eltern grüßen. Sie waren gestern im Erdbeerland und haben ein bisschen über die Stränge geschlagen.“

      Ich spare mir die Antwort. Mein Blick aber hat einen solch schlagkräftigen Ausdruck, dass mindestens eine Bewährungsstrafe anstünde, sollte ihn ein Richter je zu Gesicht bekommen.

      „Du weißt doch, wie Mama ist“, plappert Michael weiter. Das weiß ich in der Tat. Aber ich beschließe, den Mund zu halten. Meine Ehe ist mir wichtig. Ich bin eindeutig kein Bewunderer meiner vornehmen Schwiegermutter. Genauer gesagt halte ich Katharina für eine raffsüchtige, habgierige und egoistische Person. Es fällt mir schwer, mich im Zaum zu halten.

      Schnell drehe ich mich um und laufe zum Waschbecken. Ich drehe den Wasserhahn auf und halte meine Handgelenke unter das erfrischend kalte Wasser. „Und was geht mich das an?“ Dabei bemühe ich mich sehr um einen gelassenen Tonfall. Es ist sowieso eine eher rhetorische Frage, denn ich kenne die Antwort darauf schon. „Mama schafft es nicht, das ganze Obst zu verarbeiten. Sie war drauf und dran, es wegzuwerfen und hat fast geweint, weil das eine solche Lebensmittelverschwendung wäre.“ Fassungslos sehe ich meinem Mann in die Augen. Offensichtlich ist er gerade wieder zum Kind geworden. „Ich habe meiner Mutter gesagt, dass du gerne ein bisschen Marmelade kochst“, fährt er ungeachtet der Blitze weiter in das Gewitter. „Das ist doch kein Problem für dich, sogar die Gläser habe ich dir mitgebracht“, beendet er seinen Vortrag und seine Stimme klingt wie die des Dorfpfarrers bei der Weihnachtsbotschaft.

      Ich atme tief ein, halte die Luft so lange an, wie ich nur kann und atme dann wieder aus. Ich verharre in dieser Position, bis der Atemreiz so groß wird, dass ich zu husten anfange. Michael klopft mir kurz auf den Rücken und läuft dann erneut in den Flur. Nur Sekunden später kommt er mit einem großen Korb voller Einmachgläser zurück, den er neben die Beeren stellt.

      Ich erinnere mich noch zu gut an meine miesen Erfahrungen aus dem Vorjahr. Zögerlich greife ich deshalb nach einem Glas, öffne es und schnuppere vorsichtig daran. „Pfui Kuckuck“, murmele ich und schraube den Deckel schnell wieder zu. Die Spinne an der Decke ist auch noch da, stelle ich fest, als ich wieder einmal die Augen verrolle und gen Himmel blicke. Die Gläser standen garantiert den ganzen Winter über im Keller und haben einen eklig modrigen Geruch angenommen. Normalerweise ist Katharina sowas von etepetete, aber ihr Geruchssinn lässt definitiv zu wünschen übrig.

      „Ich mache das nur, wenn du mir hilfst!“, versuche ich das Erdbeerruder herumzureißen und ernte einen gönnerhaften Blick meines Mannes. „Würde ich ja gerne, Schatz, aber ich muss doch mit Max zum Schulfest. Oder soll er ganz alleine hin gehen?“

      Ich überlege kurz. Die Schulfeier habe ich komplett vergessen! Michael hat schon letzte Woche versprochen, dort vorbei zu schauen, weil ich später noch arbeiten muss. Max war sehr enttäuscht, dass sich seine Mutter keine Zeit für seinen Projekttag nehmen und lieber zum Sport gehen will. So ein Unsinn! Und ich soll das wegen Michaels Eitelkeit auch noch so stehen lassen.

      Es ist mir schwergefallen, die Situation nicht aufzuklären, aber ich habe dann doch darauf verzichtet und Max stattdessen zur Wiedergutmachung versprochen, mit ihm ins Kino zu gehen. Wie blöd von mir. Ich muss mich unbedingt ändern, so geht das nicht weiter, schließlich bin ich auch schon dreimal sieben alt und kann selbst entscheiden, wo und wann ich arbeite. Michael sollte stolz sein, dass er eine Frau hat, die ihn unterstützt! Nur fehlt mir bei dieser Hitze im Moment echt die Kraft, in die Schlacht zu ziehen. Deshalb verschiebe ich das Ganze wohl besser in die Zukunft.

      Die Erdbeerschlacht ist also verloren.

      Aber Max für die Maßlosigkeit meiner „Schwieschwies“ büßen zu lassen, geht nicht. Das kann ich unserem einzigen