Agnes M. Holdborg

Kuss der Todesfrucht


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räusperte sich vernehmlich. Er schüttelte seine pechschwarze Mähne und warf Adol einen warnenden Blick aus himmelblauen Augen zu. Ein Blick, der seinem Halbbruder unverkennbar deuten sollte, für sich selbst zum Stiefvater sprechen zu können. »Densos, du hast mir versprochen, Sira und mir zu helfen, allein schon meiner Mutter zuliebe!« In seiner Stimme schwang blinde Wut.

      Manuela wusste von Adol, dass Densos nicht viel von Tamarell hielt, war dieser doch das Ergebnis eines außerehelichen Fehltrittes seiner Frau Demira mit einem Halbmenschen. Allein Densos‘ Liebe zu Demira hatten sie und auch Tamarell dieses Fiasko überleben lassen, nicht aber Tamarells Vater. Nichtsdestotrotz stand Tamarell auf Densos‘ Hierarchieleiter deutlich höher als Manuela selbst, obwohl Tamarell ›nur‹ ein kleiner Götterbote war, noch dazu mit menschlichem Einschlag. Manuela aber war in Densos‘ Augen nichts weiter als eine gewöhnliche Sterbliche und damit seines Sohnes Adol unwürdig.

      Der erneute Druck seiner Hand spendete Manuela Trost, gab ihr die Gewissheit, dass Adol sie verstand. Außerdem brachte es derzeit wirklich nichts, über Densos’ Feindseligkeit nachzudenken, zumal sie hier mit ihren Gedanken nun wahrlich nicht allein war. Nur gehörte es nicht gerade zu ihren Stärken, sich im Geiste Kinderreime oder andere Unsinnigkeiten vorzubeten, um sich damit vor den anderen mental zu verschließen. Wenn es ihr doch einmal gelang, sah sie sich kaum noch dazu in der Lage, das Geschehen um sich herum wahrzunehmen.

      Trotzdem versuchte sie, neben ›Fischers Fritz‹, ›Freude schöner Götterfunken‹ und dem Ärger über die angebliche Verlobung ihre Aufmerksamkeit beizubehalten.

      »Es ist nicht meine Schuld, Adol, dass er Sira zurückgeholt hat. Ich habe meinen Teil der Vereinbarung eingehalten. Crinda ist ein Höllenschwein, das weißt du!« Unterdessen richtete Densos sein Augenmerk ausnahmslos auf Adol. Tamarell und Manuela würdigte er keines Blickes, genau wie sie es von ihm erwartet hatte.

      Dieses abweisende Verhalten, verbunden mit seinen Worten, brachte ihm offenbar die Missbilligung seiner Frau Demira ein. Nach Manuelas Dafürhalten glich diese hübsche zarte Person mit ihren goldblonden Locken und großen azurblauen Augen einem Rauschgoldengel.

      Nun allerdings erschien Demira alles andere als engelsgleich. Aufgebracht zischte sie ihren Gatten an: »Jetzt reicht es, Densos, und zwar ein für alle Mal! Deine halbherzigen Vereinbarungen haben die Liebste eines meiner Söhne in Gefahr gebracht. Meinst du allen Ernstes, Tamarell, Adol, Manuela oder ich würden dir glauben, wenn du behauptest, du hättest dich intensiv um die Angelegenheit gekümmert?«

      Auf einmal brauste Wind auf, wirbelte die glänzenden Staubpartikel umher, die bis dahin träge im Licht der einfallenden Sonnenstrahlen geschwebt hatten, und blies zudem allen Anwesenden kräftig ins Gesicht.

      »Lass deine Wetterspielchen, Demira!«, polterte Densos.

      »Lass deine Wetterspielchen, Demira!«, äffte sie ihn nach. »Nein, ich lasse gar nichts mehr, du starrsinniger alter Bock! Du wirst dich auf der Stelle um Tamarells Belange kümmern, verdammt noch mal! Ich habe es satt, meinen Fehltritt seit Ewigkeiten immer und immer von dir vorgehalten zu bekommen. Und wenn du nicht aufhörst, Tamarell und Manuela wie Aussätzige zu behandeln, dann werde ich hier und noch dazu vor aller Götterwelt auf dem Erhabenen Berg ausposaunen, wie es überhaupt zu meinem sogenannten Fehltritt kommen konnte, Densos, du ungnädigster und hohlköpfigster Traumbegleiter aller Zeiten!«

      Während dieses Wutausbruchs vibrierte die Luft, ähnlich einer elektrostatischen Entladung. Manuela konnte nicht umhin, einen spitzen Schreckensschrei auszustoßen.

      »Oh, Manuela, das tut mir unendlich leid«, säuselte Demira daraufhin. Nichts war mehr von den gerade noch glühenden Augen, der Zornesröte und wilden Grimasse auf ihrem zauberhaften Gesicht zu sehen. Erneut drehte sie sich ihrem Ehemann zu. »Siehst du? Du hast sie verschreckt, du Trottel!«

      Niemals hätte Manuela damit gerechnet, dass dieser riesige autoritäre Mann einlenken würde. Doch genau das tat er.

      Sich verlegen räuspernd rutschte er wie ein ertapptes Kind auf dem Thron herum. » Auf dem Erhabenen Berg? Das würdest du nicht wirklich tun, oder?«, gab er kleinlaut zurück.

      »Fordere mich nicht heraus, Densos, denn ich bin derzeit äußerst übellaunig. Denke daran – und an die Zukunft!«

      Was immer Demiras Zukunftsdrohung zu bedeuten hatte, sie saß ganz offensichtlich. Zusammen mit der weiteren Drohung, alles – was auch immer – auf dem Erhabenen Berg zum Besten zu geben, bewirkte sie Wunder und schien Densos zu besänftigen.

      Schwer seufzend drehte Densos den Kopf in Richtung seines Stiefsohnes. »Ich hatte wirklich eine Vereinbarung mit Crinda getroffen, Tamarell, ab...«

      »Tzz tzz tzz!«

      Er ignorierte seine Gattin und sprach weiter: »Aber ich gebe Demira insofern recht, als dass ich mir hätte denken sollen, dass Crinda sich nicht daran hält. Er ist ein verschlagener, widerlicher Kerl, jedoch nicht dumm. Sira ist schließlich seine Tochter. Er hält sie für sein Eigentum. Ich hätte wissen müssen, dass er sie nicht nur für ein paar schöne Träume hergibt.« Densos kratzte sich den sorgfältig gestutzten graumelierten Bart. »Es wird schwierig werden, sie zu befreien, aber ich habe schon eine Idee.«

      Erst als Manuela ihre mentale Schutzmauer wieder ein Stück weit öffnete, konnte sie Densos’ weiteren Worten folgen und wurde sich dabei der Tragweite seines Schlachtplanes bewusst.

      »Das wird Crinda sich nicht bieten lassen. Das bedeutet Krieg«, rutschte es ihr heraus.

      »Ja«, entgegnete Tamarell grimmig, »das bedeutet Krieg. Aber Crinda hat es nicht anders gewollt. Und Densos‘ Taktik hat was, das muss ich neidlos anerkennen.«

      Manuela war mit dieser sogenannten Taktik überhaupt nicht einverstanden. Allein der Gedanke daran, ihr geliebter Adol würde zu diesen Feuerdämonen spazieren, sozusagen in die Höhle des Löwen, versetzte sie in Angst und Schrecken. Da half es ihr auch nicht, dass Adol unter einem relativ guten Vorwand zu Crinda gehen würde. Er sollte nämlich vorgeben, seinen ihm vermeintlich verhassten Vater Densos quasi feilzubieten, um somit einen Pakt mit Crinda zu schließen. Unterdessen würde er sich in den Feuerbergen nach Sira umsehen und nach einer Gelegenheit, sie zu befreien.

      Das Ganze war Manuela nicht geheuer. Sie hatte Crinda, den Clanführer der Feuerdämonen, ja bereits kennen und verabscheuen gelernt. Was also würde geschehen, wenn diese Kreatur Adol auf die Schliche käme? Wäre Crinda wirklich so dumm, den Köder einfach so zu schlucken? Würde er eingehen auf Adols Vorschlag, Densos eine Falle zu stellen – Crindas und Adols gemeinsame Falle? Würde Crinda nicht Lunte riechen? Selbst wenn es Adol aufgrund dieser Finte gelingen würde, Sira zu befreien, was käme danach? Der befürchtete Krieg wäre unabwendbar.

      Krieg!, überlegte sie panisch. Ich kann doch gar nichts. Ich kann nicht kämpfen oder so etwas. Wie soll ich da denn helfen?

      »Du?«, gab Adol ungewohnt schroff auf ihre gedachte Frage zurück. Selbst, als er sie nach ihrer Flucht aufgespürt hatte, war sein Tonfall gegenüber dem jetzigen regelrecht milde gewesen. »Du wirst in deiner Welt bleiben, bis alles vorüber ist! Du glaubst doch nicht wirklich, dass ich dich hierbehalte, wenn Crinda seine Schergen auf uns hetzt?«

      »Aber ...«

      »Kein Aber!« Die Antwort donnerte mit Urgewalt durch die Halle, wurde sie doch gleichzeitig von vier Götterwesen gegen Manuela geschmettert.

      »Aber«, fuhr trotzig fort und hob warnend die Hand, als Adol den Mund aufmachte, »ich will dich nicht alleinlassen. Es gab eine Zeit, da dachte ich, es sei besser für mich, ohne dich zu leben. Das kann ich nicht mehr. Bitte, Adol.«

      Innerhalb dieser paar Sätze wandelte sich ihr Trotz in Verzweiflung, so schnell, dass sie ihre Tränen nicht zurückhalten konnte. Genauso schnell hob Adol sie daraufhin auf seine Arme, brachte sie in ihre Welt und Zeit zurück.

      Dort versuchte sie wieder, ihn von diesem Plan abzubringen und davon zu überzeugen, sie nicht alleinzulassen.

      Er jedoch ergriff ihre Hände, küsste jeden Knöchel und bedachte sie dabei mit brennendem