Agnes M. Holdborg

Kuss der Todesfrucht


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Wo war Adol? Warum half er ihr nicht?

       Adol, so hilf mir doch!

      Dämonen der Nacht

      Alles war penibel vorbereitet. Jedes Wort, jede Geste hatte Adol sich genauestens zurechtgelegt.

      Es würde nicht einfach werden, Crinda davon zu überzeugen, sich mit ihm zu verbünden. Adol hoffte, ihn mittels seiner Liaison mit einer Menschenfrau für den Plan gewinnen zu können. Seine Liebe zu Manuela sollte als Vorwand für sein angebliches Zerwürfnis mit Densos dienen, schließlich hatte er sich deswegen tatsächlich häufig mit seinem Vater gestritten. Nun wollte er vorgeben, er hätte sich endgültig mit Densos überworfen und würde aus diesem Grunde dessen Sturz vom Thron planen. Für dieses Vorhaben bräuchte er unbedingt einen Verbündeten. Wer wäre da besser geeignet als Densos‘ Erzfeind Crinda? Das sollte als Begründung dafür genügen, dass Adol ungefragt in Crindas Reich eindrang, und das sollte ihm zudem die Gelegenheit geben, Sira aufzuspüren und zu befreien.

      Noch ein letztes Mal ging er alles gedanklich durch, bevor er die Feuerberge betrat. Einen Ort, den Adol abgrundtief verabscheute, bedeutete er doch Hitze, Gestank und, trotz der vielen Feuer, vor allem Dunkelheit. Ein wahrlich unwirtlicher Ort für einen Schöngeist wie ihn. Doch nun, da er hier war, stellte er sein Naserümpfen ein, setzte stattdessen eine freundlich interessierte Miene auf, als einer der Wachmänner ihm den Weg versperrte. »Wo willst du denn hin? Hast du dich verlaufen, Süßer?«

      Der Kerl stand keckernd einige Meter von Adol entfernt. Trotzdem konnte er den fauligen, abstoßenden Geruch wahrnehmen, den der Feuerdämon beim Sprechen ausdünstete.

      Obgleich es ihm schwerfiel, ließ er sich nichts von seinem Ekel anmerken. »Ich habe etwas mit Crinda zu bereden!«, erwiderte er mit autoritärer Stimme. »Er würde es euch übel nehmen, wenn er mitbekäme, dass ihm ein lukratives Angebot durch die Lappen geht.«

      Versteckte Drohungen waren die beste Finte gegen solch schlichte Dämonen wie diese Wachleute. Damit konnten sie einfach nicht umgehen. Das Auf- und Abwägen von Für und Wider machte sie schier verrückt. Adol konnte die sich überschlagenden Gedanken in den Augen der Dämonenmänner regelrecht wirbeln sehen. So wunderte es ihn nicht, dass ihm ohne weitere Nachfrage Einlass gewährt wurde. Natürlich untersuchten sie ihn auf Waffen, und zwar erfolglos, bevor sie ihn in Crindas innerstes Reich geleiteten. Einer wahrlichen Höllenmaschinerie, wie Adol fand.

      Er war schon einmal hier gewesen. Doch das war lange her. Damals hatte er als Knabe seinen Vater Densos zu Crinda begleitet, tief hinein in die Feuerberge. Das Verhältnis der beiden Regenten war seinerzeit schon äußerst angespannt gewesen, ein Zusammentreffen deswegen eher selten vorgekommen. Dennoch trafen sie sich hin und wieder, um dadurch die Grenzen sauber zu halten und einen einigermaßen pfleglichen Umgang miteinander zu üben. Irgendetwas musste diese bereits angeschlagene Beziehung noch einmal erheblich beeinträchtigt haben, gelinde ausgedrückt! Adol hatte nie erfahren, was der Grund für die heftige Verfeindung gewesen war.

      Jetzt jedenfalls lief er durch ein heißes, stickiges Labyrinth von Gängen und passte im wahrsten Sinne des Wortes höllisch auf, dass er sich nicht die Gliedmaße an den glühenden Felsen verbrutzelte. Das gelang ihm leider nicht vollständig, denn manche der fiesen Finstergestalten, die ihm entgegenkamen, nutzten die sich bietende Gelegenheit, ihn zur Seite zu schubsen. Ganz offenkundig freuten sie sich diebisch über das zischende Geräusch, das seine Haut machte, wenn er irgendwo anstieß.

      Endlich stand Adol vor Crindas Gemächern. Ein bulliger Dämon musterte ihn mit seinen gelben Augen aufs Genaueste.

      Das mulmige Gefühl, welches Adol ob des durchdringenden Blickes dieses Kerls beschlich, verhieß nichts Gutes. Gutes. Grimmig schüttelte er diesen unguten Eindruck wieder ab, denn er wollte unbedingt an seinem Vorhaben festhalten. Als sich das Tor wie ein gähnender Schlund auftat und ihm grelle Flammen entgegenschlugen, wusste er jedoch, dass all die sorgfältige Planung umsonst gewesen war.

      Das Letzte, was Adol zu Gesicht bekam, war Crindas grinsende Fratze und Siras entsetzte Miene. Dann durchflutete ihn ein brennender Schmerz, tauchte ihn in feurige Dunkelheit.

      ~~~

      »Du hast also wirklich geglaubt, du könntest mir entkommen, Manu-Schatz?«

      Nicht in der Lage, ihm zu antworten – nicht in der Lage, zu glauben, dass er vor ihr stand, starrte Manuela ihn fassungslos an. Gerade noch hatte sie gespürt, wie die Krallen seiner Tigerpranke messerscharf in ihr Fleisch schlugen. Obwohl der sengende Schmerz auf ihrem Rücken sie fast verrückt gemacht hatte, hatte sie gehofft, einfach nur in ihrem üblichen Albtraum gefangen zu sein und sich auf den rettenden Baum flüchten zu können. Wenngleich auch diese Situation stets zu ihren Ungunsten ausgegangen war, hatte Adol sie ja letzten Endes immer daraus befreit.

      Als sie jetzt allerdings in die babyblauen Augen des ihr gegenüberstehenden Mannes blickte, wurde ihr bitter bewusst, dass dies mitnichten ihr Traum war und sie nicht daraus gerettet werden würde. Adol schien, nein, er war tatsächlich Welten entfernt. Dafür stand nun dieser Mistkerl in voller Größe vor ihr, und zwar nicht als Tiger wie in so vielen Traumnächten, sondern als echter lebendiger Mann – ihr Ehemann – Frederick!

      »Was ist, Manu-Schatz

      Gott, wie sie seine Betonung auf das Wort ›Schatz‹ hasste. Wie ihr dabei die nackte Angst mit eiskalten Schaudern den Rücken hinabrieselte und somit noch mehr lähmte.

      »Du bist noch immer so erbärmlich wie früher, Manu. Wenn du dich nur sehen könntest – mit dem aufgesperrten Maul und diesen Glubschaugen.«

      Weiterhin unfähig zu sprechen, nahmen altgewohnte Verhaltensmuster von Manuela Besitz. Seine Worte drangen zwar zu ihr durch, tröpfelten an ihr Ohr, fanden dort aber kaum Einlass, denn sie hatte bereits ihren inneren Schutzschild hochgefahren. Genau wie damals! Genau wie immer! Hatte sie sich seiner körperlichen Gewalt zwar nie entziehen können, so wollte sie doch in all den Jahren seiner Tyrannei wenigstens nichts von dem hören, was er ihr an den Kopf warf. Daran konnte er sie nicht hindern – daran nicht!

      Vielleicht war sie einfach zu früh in diese Ehe mit Frederick geschlittert. Sie konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie und warum alles so gekommen war. Letztlich war es auch egal. Dieses Nichtzuhören jedenfalls wurde im Laufe der Zeit zu dem Einzigen, das ihr ganz allein gehörte, so verrückt es auch im Nachhinein für sie klang. Das war ihr kleiner Triumph über ihn!

      Sein schöner Mund, der sie im ersten Jahr der Beziehung so begehrlich, fordernd, ja, feurig geküsst hatte, verzog sich nun auf die ihr entsetzlich bekannte Weise zu einem zynischen Grinsen. Manuela wunderte sich, wie schnell sie wieder auf ihn reagierte. So wusste sie schon im Vorhinein, dass er sie entgegen seines ruhigen Grinsens anbrüllen würde. Sie wurde nicht enttäuscht.

      »Manuela, du hörst mir gefälligst zu, wenn ich mit dir rede!«

      Die Wucht des Schlages mit seinem Handrücken, die durch den breiten Platin-Ehering am Finger seiner rechten Hand noch verstärkt wurde, flutete ihr Sein. Erst in diesem Augenblick wurde ihr richtig klar, dass er tatsächlich vor ihr stand. Frederick, ihr totgeglaubter Ehemann – Frederick, ihr Peiniger!

      Verflucht!, war das Erste, was sie dachte, weil sie sich nicht auf seinen Schlag hatte vorbereiten können. Ihre Gedanken überschlugen sich, ergaben weder Zusammenhang noch Sinn: Wie ist das möglich? Ist das ein Traum? Wo ist Adol? Hilfe!

      Schmerz flammte auf. Sein Schlag in ihr Gesicht ließ sie Blut schmecken. Bevor sie in ihrem Inneren nach Klarheit suchen konnte, zerrte er sie bereits an den Haaren hinter sich her. Eine ihr nur allzu vertraute Methode, eine seiner schlimmsten! Selbst als sie strauchelte, hinfiel, unterdessen mechanisch mit den Beinen strampelte, schleifte er sie erbarmungslos ins Schlafzimmer – in das blütenweiße eheliche Schlafzimmer.

      Aber das Haus gehörte der Bank, sollte versteigert werden! Hatte sich nicht sogar schon ein junges dynamisches Paar dafür interessiert oder es gar gekauft? Diese Geistesblitze wollten ihr sagen, dass sie nur träumen konnte. Trotzdem befand sie sich unverkennbar in einer Art