Agnes M. Holdborg

Kuss der Todesfrucht


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er ihr büschelweise Haare ausriss, sie aufs Bett warf, ihr brutal die Kleider vom Leib zerrte, blieb sie vollkommen regungslos. Sie bettelte nicht. Weinte keine einzige Träne. Sagte kein Wort.

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       Sie trägt das Amulett nicht, auch nicht den Ring! Bestimmt liegt beides auf ihrem Nachtisch. Verdammt noch mal, Manuela, du, und deine Ordnungszwänge und festgefahrenen Lebensabläufe! Konntest du sie immer noch nicht ablegen? Das Amulett sollte dich doch schützen, auch oder sogar ganz besonders bei Nacht!

      Tief seufzend blickte Adol in Siras trübe Augen, die ihn seit geraumer Zeit einfach nur anstierten, während die Feuerdämonin an der ihm gegenüberliegenden Wand stand. »Ich hatte Manuela den Kuss der Todesfrucht zu ihrem Schutz geschenkt, aber sie trägt ihn nicht. Kannst du ihr nicht helfen «

      Sofort schreckte die extrem kleine, zierliche Person aus ihrer Lethargie. Schwarze Augen schickten rote Blitze. »Was soll das heißen, sie trägt ihn nicht? Und wie, in der Götter Namen, soll ich ihr deines Erachtens helfen, wenn Crinda mich, genau wie dich, mit seiner Höllenmagie an die Wand genagelt hat? Ich jedenfalls kann mich keinen Millimeter bewegen. Du etwa?«

      Resigniert senkte Adol den Blick. Der Gedanke an das, was er von Manuela wahrgenommen hatte, ließ ihn schier verzweifeln. »Nein, kann ich nicht. Und das Amulett trägt sie nicht, weil ...«, er suchte nach den passenden Worten, »... weil sie als Gewohnheitsmensch ihren Schmuck vor dem Schlafengehen immer ablegt. Mist! Ich hätte das in meinem Brief erwähnen sollen. Oder aber, ich hätte das alles persönlich machen müssen. Damals hielt ich es für eine gute Idee. Jetzt sitzen wir hier allerdings beide fest.«

      »Siehst du?«, schimpfte Sira weiter und schüttelte derweil ihr glänzendschwarzes kinnlanges Haar. »Wir sitzen hier beide fest. Wieso also denkst du, sollte ich ihr helfen können, he?«

      Aufs Neue erstaunte Adol die Art und Weise, wie dieses ausgesprochen hübsche Persönchen sich mit einem Male gebärden konnte. Nicht nur ihre mandelförmigen großen Augen glühten nun feuerrot, auch aus ihrem niedlichen Himmelfahrtsnäschen stoben Funken. Selbst seine Mutter wirkte nie so imposant in ihrer Wut. Na ja, vielleicht war er in dieser Hinsicht etwas voreingenommen. Insgesamt gab Sira ihm jedenfalls überdeutlich zu erkennen, was und wer sie war. Bereits seit geraumer Zeit hegte Adol jedoch den Verdacht, dass sogar noch weitaus mehr in ihr steckte. Das hatte er ja bereits bestätigt gesehen, indem Sira seinerzeit Manuela die Möglichkeit zur Flucht verschafft hatte.

      »Du hast ihr schon einmal geholfen«, antwortete er. »Schließlich hast du doch zusätzlich zu deiner Feuerdämonenkraft auch noch ...«

      »Psst!«, zischte sie. »Hältst du wohl die Klappe!« Im verschwörerischen Ton hauchte sie hinterher: »Mein, äh, Vater weiß nichts davon, und so soll es auch bleiben.«

      »Na, meinetwegen, da hast du wahrscheinlich recht. Aber tu doch bitte was. Wenn Crinda mir momentan auch fast alle Sinne blockiert, so weiß ich dennoch, dass Manuela in größter Gefahr schwebt und ohne das Amulett absolut schutzlos ist. Ich kenne ihre Träume, Sira. Daher weiß ich, dass jemand zu ihr kommen wird, und ich bin nicht da, um sie vor seinen Übergriffen zu schützen.«

      »Warum glaubst du das denn? Meines Wissens hat Manuela doch schon lange nicht mehr von Frederick geträumt.«

      Die Frage verblüffe ihn. Bevor er jedoch etwas erwidern konnte, sprühten ihm Siras Augenfunken erneut entgegen. »Ja, Adol, ich kenne seinen Namen, denn ich weiß mehr von Manuela, als du glaubst. Ich weiß, was er ihr angetan hat. Sie hat es mir erzählt.«

      »Ach ja«, gab er spitz zurück, »ihr seid ja so was wie beste Freundinnen, nicht wahr? Schleicht euch zusammen aufs Klo und so. Hast du ihr deswegen geholfen, von mir wegzukommen, weil ich deiner Meinung nach auch so ein Ungeheuer wie Frederick bin?«

      »Pah, an deiner krankhaften Eifersucht solltest du wirklich arbeiten! – Aber nein, ich halte dich keineswegs für ein Ungeheuer. Ganz im Gegenteil. Ich weiß, wie sehr du sie liebst. Das musst du mir glauben.« Da tauchte er mit einem Male auf, dieser warme Schimmer, der ihren Augen so eine mitfühlende Güte verlieh. »Manuela hat niemals schlecht von dir gesprochen, Adol, nur war sie damals total unglücklich. Das konnte ich sehen. Sie fühlte sich nicht richtig wohl an deiner Seite, und das, obgleich ihr euch liebt. Darum ...«

      »Darum hast du ihr geholfen?«

      »Hab ich doch gar nicht, verflixt noch eins! Manuela war erheblich raffinierter, als ich dachte. Sie machte einen auf interessiert und hat mir viele unverfängliche Fragen gestellt, glaubte ich jedenfalls. Dabei hat sie mit ihrer Beobachtungsgabe offensichtlich eins und eins zusammengezählt. Tja, und dann ist ihr wohl aufgefallen, dass ich ab und zu ...« Sira senkte die Lautstärke. »Na, du weißt schon. – Deine Manuela hat mich schamlos ausgenutzt, Adol. Ich bin immer noch ziemlich sauer auf sie. Nur weil ich diesen kleinen Augenblick nicht aufgepasst habe, als sie ... Tja, jedenfalls war das die Gelegenheit für Crinda, mich zu ihm zurückzuholen.«

      »Ach, und aus diesem Grunde willst du ihr jetzt nicht helfen?«

      »Wo denkst du hin? Du solltest mich allmählich besser kennen. Selbstverständlich möchte ich was tun. Aber zurzeit geht es einfach nicht, verstehst du?«, flüsterte sie ihm kaum hörbar zu. »Du musst dich gedulden, bis ich – ähm – bis ich halt wieder kann.« Auf einmal erhob sie die Stimme. Sie brüllte geradezu durch den kleinen kellerartigen Raum: »Dein katastrophaler Befreiungsplan hat mir nichts als weitere Scherereien eingebracht, Adol! Wenn du nicht Tamarells Bruder wärst, dann ...«

      »Was würdest du dann tun, Tochter?« Crindas bissige Stimme durchschnitt die stickige Luft des Raumes wie ein heißes Messer die Butter, und im gleichen Moment stand er zwischen den beiden.

      Hat sie wohl gespürt, dass er kommt? Außerdem fragte sich Adol nun schon zum wiederholten Male, wieso die Feuerdämonenmänner im Gegensatz zu ihren Frauen derart hässlich waren. Mit der schuppigen, modrig grünschimmernden Haut, den schrägen gelben, wimpernlosen Augen und den überaus zahlreichen und zudem unregelmäßigen, spitzen Zähnen. Er fand, dass all diese Merkmale sie abstoßend aussehen ließen, wohingegen die Frauen ihm durchaus reizvoll erschienen. Siras Haut schimmerte zwar auch grünlich, wirkte aber gleichzeitig wie aus Samt und Seide, und ihr Mund war eher lieblich zu nennen. Kein Wunder, dass die Dämonenfrauen ihren Männern regelmäßig davonliefen, schoss es Adol durch den Kopf. So war schließlich auch Sira bei Tamarell gelandet. Adol konnte ganz und gar verstehen, dass sein Bruder sich in sie verliebt hatte.

      Crinda allerdings stellte in Adols Augen ein ganz besonders ekelhaftes Exemplar dar, besaß der als Clanführer noch dazu einen fiesen langen schlangenartigen Schwanz, der aus dem rückwärtigen Schlitz seines kaftanähnlichen schwarzen Gewandes herausragte und bedrohlich hin- und herschwang. Adol war bekannt, dass Crinda dieses Ding sowohl als Peitsche als auch als Lasso nutzte. Über mehr wollte er lieber nicht nachdenken.

      »Was wohl, Vater, he?«, gab Sira in gleicher Tonart zurück und zuckte danach mit ihrem Kinn Richtung Adol. »Der Typ da geht mir schon seit langem auf die Nerven, genau wie Tamarell. Ich hab die Schnauze gestrichen voll von denen, ihrem Traumgesülze, Zeitengehopse und Botengetue. Du hättest mich gar nicht mit Gewalt zurückholen brauchen, ich wäre nämlich ...«

      »Wärst du nicht!«, blaffte Crinda dazwischen. »Halte mich doch nicht für blöde! Dein Tamarell hat alles versucht, um dich zu befreien, und du hast alles versucht, um wieder zu ihm zu gelangen. Glaubst du, ich spüre eure gegenseitige Liebe nicht? Bäääh!«

      Bei dem Wort ›Liebe‹ verzog er angewidert das Gesicht und verhalf seiner Äußerung durch ein kräftiges Würgegeräusch par exellence zu mehr Bedeutung. »Ob Ortos dich jetzt noch will, ist fraglich. Ich könnte mir vorstellen, dass er es mit einer benutzten Schlampe, wie die Menschen sie auf ihren Straßen herumziehen lassen, nicht mehr tun will.«

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      Frederick war groß, grob und grausam – und er genoss es sichtlich in vollen Zügen. Anstatt sich jedoch zu wehren, ließ Manuela weiterhin alles willenlos über sich ergehen, ließ ihn agieren, sie erniedrigen, ihn sich in sie hineinpumpen, ja, sogar dabei würgen. – Es war ihr egal! Ohne Adol war ihr sowieso alles