Werner Sauter

Kompetenzentwicklung im Netz


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Für unsere Fragestellung hier ist jedoch entscheidend, dass Emotionen und Motivationen, also verinnerlichte Werte, nicht Gegenstand, sondern nur Vehikel bei der Vermittlung von Wissen im engeren Sinne sind. Sie kommen erst beim konstruktivistisch - selbstorganisationstheoretischen Lernen ins Spiel.

      Greifen wir ein beliebiges Beispiel aus dem Blended-Learning- Learning Programm einer Bank heraus. In einem spezifischen Programm für Bankmitarbeiter lauten die ersten beiden Schritte:

      1. „Wissensvermittlung: Fachinhalte werden mit Hilfe [des Programms] vom Lerner erarbeitet, zum Beispiel Lesen der Lernhefte, Bearbeiten der Fallstudien, Üben mit den Fragen aus ‚Test it’.

      Hier ist tatsächlich Wissen im engeren Sinne gefragt! Erst in weiteren Schritten der Wissensanwendung und Wissensvertiefung kommen dann Kompetenzen wie Selbstsicherheit, Selbständigkeit und Eigeninitiative ins Spiel.

      Aber was sind Werte? Und wie werden sie vermittelt? Ohne das zu begreifen, kann es unserer Ansicht nach keine praktikable Darstellung von Kompetenzentwicklung und Kompetenzmanagement geben, kann Kompetenzentwicklung im Netz nicht verstanden und beschrieben werden.

      2.2 Was „sind“ Werte und wie werden sie vermittelt?

      Wir versuchen, zunächst ein breit akzeptierbares Wertverständnis aufzubauen, bevor wir uns der zentralen „Drehscheibe“ der Kompetenzentwicklung, der Wertaneignung (Interiorisation) zuwenden.

      2.2.1 Wertverständnis

      Ehe wir auf die Frage antworten, was Werte „sind“, gilt es, mit einem weit verbreiteten Urteil, ja Vorurteil aufzuräumen. Die folgende Abbildung zeigt eine ziemlich typische Unternehmenssicht.

      Abb. 2 Typische Unternehmenssicht von Werten

      Werte sind hier ausschließlich in der oberen Etage der normativen Leitlinien, Visionen und Grundsätze angesiedelt. Sie erscheinen als etwas Hehres, Entrücktes, aber auch schnell Veränderbares. Also auch als etwas, worauf man in der „niedrigen“, alltäglichen Praxis nicht unbedingt zu achten braucht. Auch in unserem sonstigen Leben denken wir oft ausschließlich an hehre Ideale, wenn wir über Werte sprechen: Eine saubere Umwelt, gute Entlohnung, Rechtssicherheit, soziale Sicherheit, Arbeit, Gesundheit, Partnerschaft, Demokratie, Freizeit, Bildung, Freunde, Wohlstand usw.

      Damit ist klar, dass Werte unser gesamtes Denken und Handeln durchdringen, dass es großer Anstrengungen bedarf, sie für bestimmte analytische, algorithmische Entscheidungsprozesse auszuschließen. Jeder Mensch wertet in nahezu jedem Augenblick seines Handelns. Er richtet sich, oft mehr ahnend als wissend, danach, welchen Genuss oder Nutzen, welches ethische Gefühl oder welche politische Bestärkung ihm sein Handeln zu vermitteln vermag. Ohne Werte wäre der Mensch nur ein wissensgesteuerter Automat.

      Davon ausgehend können wir einige Essentials formulieren, welche die Bedeutung von Werten umreißen, und ihre große Bedeutung für unser Verständnis von Kompetenzen sichtbar machen. Es sind dies:

       Die allgemeinste Bestimmung von Werten Werte sind Bezeichnungen dafür, “was aus verschiedenen Gründen aus der Wirklichkeit hervorgehoben wird und als wünschenswert und notwendig für den auftritt, der die Wertung vornimmt, sei es ein Individuum, eine Gesellschaftsgruppe oder eine Institution, die einzelne Individuen oder Gruppen repräsentiert.” [3] Werte sind damit stets das geistig-symbolische Resultat von Wertungsprozessen (= Wertungen), also Wertungsresultate.

       Die Struktur von Werten Sie verknüpft das Beziehungsfeld Subjekt der Wertung, Objekt der Wertung, Grundlagen der Wertung (wozu auch alle Kenntnisse und bisherigen Werte gehören) und Maßstäbe der Wertung mit Prädikaten zu Wertaussagen. [4]

Folie3

      Abb. 3 Struktur der Werte

       Die Fülle von Werten Wir knüpfen hier an die Feststellung an, jeder Mensch werte in nahezu jedem Augenblick seines Handelns und stellen fest, dass zu dieser Fülle alle sprachlich gefassten oder sprachlich