Hoffnungen, Bedürfnisse, Interessen, Einstellungen, Meinungen, Haltungen, Ansichten, Überzeugungen, Vorurteile, Ablehnungen usw. enthalten. Sie können von einzelnen Menschen oder Menschengruppen (Individuen, Familien, Arbeitsgruppen, Gemeinschaften, Schichten, Klassen, Völker, Nationen, Staaten usw.) hervorgebracht werden und sich z.B. auf die Wertung von Genuss (hedonistische Werte), Nützlichkeit (utilitaristische Werte), Schönheit (ästhetische Werte), Moral (ethisch - moralische Werte), Politik (politisch - weltanschauliche Werte) usw. beziehen.
Die grundlegende Funktion von Werten Sie besteht in der Ermöglichung von Handeln in einer unüberschaubaren, hochkomplexen, selbstorganisativen Welt. Die Zukunft ist objektiv offen. Von ihr sind unter keinen Umständen vollständige Kenntnisse zu gewinnen. Werte ermöglichen ein Handeln unter der daraus resultierenden prinzipiellen erkenntnismäßigen Unsicherheit. Sie “überbrücken” oder ersetzen fehlende Kenntnisse, schließen die Lücke zwischen Kenntnissen einerseits und dem Handeln andererseits. Sie haben zuweilen den Charakter extrapolativen Scheinwissens, abergläubischer Gewissheit. Das reicht bis zum Glauben als bewertetem Nichtwissen.
Die systemische Erklärung von Werten Werte können besonders gut von den heute breit anerkannten Selbstorganisationstheorien, dem Konstruktivismus und der Synergetik, beschrieben werden. Die Synergetik fasst Werte als Ordnungsparameter (Ordner) individuellen und sozialen Handelns unter der dargelegten prinzipiellen kognitiven Unsicherheit. [5]
Kurzum: Es gibt kein kompetentes Handeln ohne Werte – Werte konstituieren kompetentes Handeln. Wenn wir verstehen, wie Werte angeeignet werden, verstehen wir, wie Kompetenzen angeeignet werden. Wenn wir verstehen, wie Kompetenzen angeeignet werden können wir beurteilen, welche netzvermittelten Lernmethoden sich zu diesem Zweck besser und welche sich weniger eignen. Das ist unser Ziel.
[1] Erpenbeck, J. (1984), S.305 ff
[2] Iwin,A.A. (1975).
[3] Baran,P.(1990), S.805
[4] Iwin, A.A. (1975)
[5] Haken, H.(1996), S.588
2.2.2 Wissen, Werte, Kompetenzen – ein Modell
Wissen im engeren Sinne und Werte haben wir aus guten Gründen begrifflich getrennt. Andererseits sind sie natürlich im alltäglichen Denken und Arbeiten unzertrennlich verbunden. Nur wenn wir wissenschaftlich denken, wissenschaftlich arbeiten, sind wir gezwungen, sie ziemlich scharf auseinander zu halten. Der wirkliche Zusammenhang wird über die menschliche Kultur gestiftet. Wir benutzen ein Modell von Siegfried J. Schmidt, um diesen Zusammenhang begreifbar zu machen.
Wenn wir Menschen über die Realität, über die Wirklichkeit reden, so reden wir immer auch über eine sprachlich verfasste, gedachte, beschriebene, analysierte, bewertete Wirklichkeit. Unsere sprachlichen Wirklichkeitsmodelle schieben sich wie ein gigantischer Apparat zwischen unser Wollen und unser Tun. Wenn wir über Realität und Wirklichkeit reden, dann immer von solchen Wirklichkeitsmodellen aus. Die Wirklichkeit selbst, die „Dinge an sich“ , sind für uns, wie Kant bleibend nachwies, gedanklich nicht erreichbar. Nimmt man diesen Standpunkt ein, so ergibt sich ein sehr einleuchtendes, weiterführendes Bild dessen, was wir Kultur nennen. Zugleich gestattet dieses Bild, die Rolle des Wertens und der Werte in kulturellen Prozessen zu beschreiben. Da diese Werte zugleich die Grundlage der menschlichen Kompetenzen, also der Dispositionen für das selbstorganisierte Handeln von Menschen, Gruppen, Teams, Unternehmen, Organisationen, Regionen usf. darstellen, muss hier eine enge Verbindung bestehen.
Alles, was wir erkennen, können wir nur in Form von Identität und Unterschied erkennen. Wir nehmen die Identität von „Dingen“ nur wahr in Abgrenzung von anderen Dingen, von der Umgebung. Dabei sind die Dinge nicht „naturgegeben“, sondern stets Produkte einer geistigen Operation, einer „Invariantenbildung“ im menschlichen Denken und Handeln. [1] Die entsprechend entworfene „Realität“ ist in der Tat eine Wirklichkeitskonstruktion um handeln zu können, nicht ein Wirklichkeitsabbild. Das Schmidt’sche Kulturkonzept, das uns zum Verhältnis von Wissen, Werten und Kompetenzen führen soll, beruht auf einer spezifischen „Distinktionstheorie“. [2] Distinktionen sind Verschiedenheitsfeststellungen an umfassenderen Identitäten. Sie können in zwei Formen auftreten: Als Differenzen konstatieren sie Verschiedenheiten an Identitäten (z.B. das Bügeleisen, als immer identischer Gegenstand, kann im Sinne einer Differenz heiß oder kalt sein); als Unterscheidungen bewerten sie die konstatierten Differenzen (nur das heiße Bügeleisen ist nützlich). Wenn man Distinktionen als Bestandteile eines – stets sozial entwickelten – Wirklichkeitsmodells deutet, betritt man den Bereich des menschlichen Handelns, Erfahrens und Denkens. Im Handlungs- und Kommunikationsprozess werden immer weitere Operationen der Differenzbildens, Unterscheidens und Benennens vorgenommen.
Analytisch kann man nun die Resultate dieser Operationen in zwei grundlegende Bereiche trennen. Die Gesamtheit der wertneutralen Differenzen konstituiert ein sozial erarbeitetes Wirklichkeitsmodell (W), eine sozusagen „wertfreie“, auf Wissen im engeren Sinne gestützte Beschreibung dessen, wie die Wirklichkeit oder Wirklichkeitsausschnitte gedacht werden. Ein solches Wirklichkeitsmodell ist die Voraussetzung jeden sinnvollen Handelns.
Davon ausgehend können Handlungen in wertenden Unterscheidungsakten zum Beispiel als mehr oder weniger genussvoll (hedonistisch), nützlich oder schädlich (utilitaristisch), Schönes oder Hässliches hervorbringend (ästhetisch), moralisch oder unmoralisch (ethisch), soziale Strukturen, sozialen Fortschritt fördernd oder hemmend (politisch) unterschieden und beurteilt werden. Die Gesamtheit der die Differenzenseiten bewertenden Unterscheidungen spannt ein sozial erarbeitetes Kulturprogramm (K) auf. Während das Wirklichkeitsmodell die Basis des Handelns darstellt, ist das Kulturprogramm ein Ordner des Tuns, des Handelns.
Wirklichkeitsmodell und Kulturprogramm bedingen einander: Differenziert wird nur, was verhaltens- und handlungsmäßig wichtig ist, gehandelt werden kann nur angesichts bewerteter, kulturell eingebetteter Differenzen. Wirklichkeitsmodell und Kulturprogramm entwickeln sich aufeinander bezogen. Sie bilden einen Wirkungszusammenhang (W&K).
Während zahlreiche Wirklichkeitsmodelle vielen Menschen gemeinsam und oft unstrittig sind, unterscheiden sich die Kulturprogramme oft radikal. Sie sind die kulturelle Identität stiftenden Bestandteile des Wirkungszusammenhangs W&K.
Abb. 4 Wirkungszusammenhang W & K
Nicht was Unternehmen und was ihre wesentlichsten Aktivitäten sind, ist beispielsweise umstritten, sondern was ein gutes und erfolgreiches Unternehmen ausmacht und wie dieses optimal am Markt agieren, also welcher Unternehmenskultur es folgen sollte.
Was Lernen ist und welche Lernorte, Lernprozesse, Lernresultate es gibt, lässt sich heute ziemlich widerspruchslos umreißen; welche Lernorte, Lernprozesse und Lernresultate jedoch die wichtigsten, zukunftssichernden sind, wie wir sie also bewerten und dementsprechend eine künftige Lernkultur gestalten müssen, ist weitgehend offen und wird sehr kontrovers diskutiert.
Wirklichkeitsmodell und Kulturprogramm sind durch das geistige, physische und kommunikative Handeln des Menschen unauflöslich miteinander verwoben. Zwischen dem Wirklichkeitsmodell und dem Kulturprogramm vermittelt ein ständiger, die Unterscheidungsseiten entwertender Erkenntnisprozess und ein die Differenzseiten hervorhebender Wertungsprozess. Die Resultate des ersteren sind