Qualitätsskala, die als Emotionen erlebbar sind und deren Veränderungen in Affekten kenntlich werden. Es ist ein System der Selbstbewertung. In dieser Funktion liefert es eindimensionale Situationscharakteristiken, vorzugsweise Bewertungen von Situationsänderungen bezüglich ihrer organismischen Bedeutsamkeit. Die darin begründete motivationale Kraft des Systems bleibt in ihrer Funktion während der Evolutionsgeschichte im Wesentlichen konstant. Da aber die kognitiven Strukturen und ihre Funktionen durch Selektionsdruck sich differenzieren, gewinnt dieses grob arbeitende System Einfluss auf die Differenzierungsrichtungen kognitiver Prozesse und Leistungen – bis in deren feinste begriffliche Verästelung. Indem es die Richtung der Verhaltensdynamik lenkt, durch seine Bewertungsfunktion das zu Lernende selektiert und auf diesem Wege die inhaltliche Auslegung des zu Behaltenden (d.h. des Gedächtnisses) bestimmt, bleibt es die Motivbasis des Verhaltens in der Evolutions- wie in der sozialen Geschichte des Menschen. Seine Differenzierungsfähigkeit wächst mit der Differenzierung kognitiver Strukturen, wächst gleichsam in sie hinein…“ [14]
Dieses Resümee macht in einem klar
warum sozial erarbeitete Regeln, Werte und Normen nur handlungswirksam werden können, wenn sie zu eigenen Emotionen und Motivationen interiorisiert wurden,
was diese Interiorisation bedeutet, nämlich die Projektion von kognitivem Inhalt – Empfindungen, Wissen, Handlungsergebnisse - auf die polar ausgebildete Qualitätsskala und die Verkopplung von kognitivem Inhalt und wertender Auslegung im Gedächtnis,
wieso es so viel schwerer ist, Werte emotional – motivational zu interiorisieren, als Kognitionen, Erkenntnisse gedächtnismäßig zu speichern.
[1] Erpenbeck, J., Weinberg, J. (1993)
[2] Klages, H. (1988), S.18
[3] Klages,H., Hippler,H.-J. Herbert, W. (1992)
[4] Kosellek,R.(1979), S.17ff
[5] Holzkamp-Osterkamp (1981)
[6] Ruse,M.(1984); Tembrock,G. (1994), S.26ff; Vollmer,G.(1986), 51 ff; Vollmer,G. (1995)
[7] Zum Wertungscharakter von Emotionen vgl. Simonov,P.(1986); Greenspan,P.S.(1993)
[8] Ciompi,L. (1982); Ciompi,L.(1992), S.76 ff
[9] Ebeling, W., Feistel, R.(1982); Ebeling, W. (1990), S.436 ff.
[10] Septum ist eine Scheidewand im Gehirn
[11] Hippocampus ist die zentrale Schaltstation des limbischen Systems
[12] Vgl. Klix, F. (1993), S. 98
[13] ebenda, S. 102
[14] ebenda, S. 106
2.2.5 Wertaneignung unter allgemeinpsychologischer Betrachtung
Interessanter Weise ergibt die allgemeinpsychologische, vor allem an unterschiedlichen Emotions‑ und Motivationstheorien (S-R-Theorien, Erwartungswerttheorien, Attribuierungstheorien, Dissonanztheorien, intentionalen Theorien, sozialen Theorien) orientierte Darstellung individueller Wertinteriorisation ein analoges Bild.
Folgende Phasen lassen sich unterscheiden [1]:
(a) Orientierungsphase 1 Ausgangspunkt ist dort die Existenz bereits interiorisierter oder “bloß gelernter” Werte (z.B. hedonistischer, utilitaristischer, ästhetischer, ethischer, politischer usw., als Individual-, Gruppen-, Schichten-, Klassen-, National- u.a. Werte gefaßt) die zuvor in verschiedenen sozialen Prozessen von Praxis, Arbeit, Spiel, wissenschaftlicher oder künstlerischer Tätigkeit, Unterricht usw. gewonnen wurden.
(b) Orientierungsphase 2 Das Individuum sieht sich ständig vor individuelle Entscheidungssituationen (IE), aus sozialen Entscheidungssituationen (SE; in Arbeit, Freizeit, Familie, Organisationen usw.) herrührend, gestellt. Es muss sich unter Freiheit und Selbstverantwortung zu instrumentellem und/oder kommunikativem (zeichenvermitteltem) Handeln entscheiden. Im Mittelpunkt stehen hier solche Entscheidungssituationen, die nicht rein kognitiv - “algorithmisch”, allein unter Zuhilfenahme des bereits akkumulierten Wissens, auch nicht unter Rückgriff auf bereits interiorisierte Werte als "Entscheidungsleitlinien", gelöst werden können. Das führt zu beträchtlicher kognitiver Dissonanz [2] , zur Labilisierung und Instabilität des inneren Zustandes durch Ungewissheit [3] zu einem inneren Widerspruch. Der ausgelöste emotionale Spannungszustand ist die entscheidende Voraussetzung jeder Interiorisation: Je größer das emotionale Gewicht, desto tiefer werden die zur Auflösung der Dissonanz führenden Werte später im "Grund der Seele" verankert.
(c) Unzufriedenheitsphase Da die Entscheidungen unter der Unzufriedenheit kognitiver Dissonanz, Labilisierung und Instabilität gefällt werden müssen,löst sich die Verklammerung von bereits in Form von Emotionen und Motivationen interiorisierten Werten und zugehörigem theoretischem‑ und Handlungswissen und es werden situationsadäquate neue Werte gleichsam probehalber entwickelt.
(d) Lösungsphase 1 Führt die getroffene Entscheidung und entscheidungsgemäße Handlung, meist im Rahmen sozialer Kooperation und Kommunikation, in Form einer tatsächlichen oder geistigen Handlung ausgeführt, zum Erfolg, d.h. wird das Handlungsergebnis zunächst individuell, später auch in sozialer Kommunikation als erfolgreich eingeschätzt, kommt es zu einer neuen komplexen Abspeicherung von Wissen, Entscheidung, Handlungsergebnis, zusammen mit den zum Handlungserfolg führenden Werten. Aufgrund der vorangegangenen Dissonanz und Labilisierung verankert der Handlungserfolg diese Werte tief im emotionalen Grund. Genau in diesem Fall sprechen wir von einer Interiorisation der Werte.
(e) Lösungsphase 2 Die Einschätzung einer physischen oder kommunikativen Handlung als erfolgreich setzt eine entsprechende Wertkommunikation in der unmittelbaren Bezugsgruppe des Handelnden voraus.
Die Interiorisation der neuen Werte ermöglicht neue Handlungsantizipationen und ein ihnen entsprechendes neues physisches und kommunikatives Handeln bei vergleichbaren sozialen und individuellen Entscheidungssituationen unter kognitiver Unsicherheit, wie sie ursprünglich zur emotionalen Labilisierung und der darauf aufbauenden Interiorisation neuer individueller Werte führten.
Abb. 6 Stufen des Interiorisationsprozesses
(g) Beendigungsphase Die interiorisierten Werte werden schließlich sozial kommuniziert - bis hin zur Entstehung eines "sozialen Mittelwertes" in Form von Normen- und Wertesystemen,