Werner Sauter

Kompetenzentwicklung im Netz


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Folie7

      Abb. 7 Struktur des Wertinterirorisationsprozesses

      Zu den einzelnen Phasen des Interiorisationsprozesses von Wertungen (a) bis (g) liefern klassische und moderne Emotions- und Motivationstheorien viele Erkenntnisse, die sich zum Großteil direkt für die Gestaltung des Kompetenzlernens im Netz nutzen lassen. Jede der Stufen ist zudem mit einem großer allgemeinpsychologischer Bereich verbunden, den wir den folgenden weiterführenden Überlegungen voranstellen.

      Zu (a): Das allgemeinpsychologische Thema ist die Entwicklungspsychologie der Emotionen und Motivationen, ihr phylogenetisches, ontogenetisches und aktualgenetisches Gewordensein, insbesondere in zentralen lebensgeschichtlichen Abschnitten wie frühe Kindheit, Adoleszenz oder in den Stufen des Erwachsenenalters .

      Emotionen haben eine eigene Funktion für das Überleben des Individuums und der Art (ultimate Erklärungen), für die Auslösung und Differenzierung von lebenswichtigen Gefühlen und Handlungen (proximate Erklärungen) und für die Entwicklung jedes Einzelnen (distale Erklärungen). Phylogenetische Betrachtungen weisen vor allem auf die Universalität des Emotionsausdrucks in allen Kulturen hin und betonen den Selektionsvorteil, der sich aus emotionsgetragenen schnellen Reaktionen auf Umweltereignisse ergibt; sie betrachten die grundlegenden Handlungstendenzen, die sich aus – wie immer bestimmten – Basisemotionen ergeben etwa Annäherung aus Verlangen, Vermeidung aus Furcht, Gesellung aus Genuss / Vertrauen, Zurückweisung aus Ekel / Empörung, Ablehnung aus Ärger und freie Handlungen aus Freude. Die Einbeziehung verschiedener kultureller und individueller Entwicklungsstufen weitet das Bild ins Unüberschaubare.

      Jede aktuelle emotional-motivationale Veränderung baut auf einem dichten Geflecht von Wissen und Werten auf, das durch die bio – psycho – soziale Evolution des Menschen verankert und durch vorangegangene Interiorisationsprozesse geprägt wurde. Günter Tembrock hat, fußend auf verhaltensbiologischen Ansätzen wie auf philosophischen Vorschlägen zu einer evolutionären Ethik bzw. Werttheorie den biologischen Hintergrund von Werten und Normen beim Menschen umrissen. Er geht von drei grundlegenden Dimensionen in allen Selbstorganisationsprozessen von Systemen aus, so auch in den Prozessen der biologischen und sozialen Evolution: Sie führen zu immer neuen Systemstrukturen, die im Prinzip sinnlich wahrnehmbar sind (ästhetische Dimension), sie führen zu immer neuen systeminternen Verbindungen und Zusammenhängen, die grundsätzlich gedanklich abzubilden sind (informationelle Dimension) und sie führen zu immer neuen offenen Entscheidungssituationen (Bifurkationen) die emergent, also schöpferisch-zufällig, bewertet und entschieden werden (ethische, allgemeiner wertende Dimension).

      In ähnlicher Weise sind Werte als Ordner der Selbstorganisation charakterisiert. Nicht diese Dimensionen verändern sich im Lauf der menschlichen Entwicklung, sondern ihre Formen und Spielarten – wie das Modell von Siegfried J. Schmidt es sehr überzeugend nachzeichnet. Es entstehen immer neue Formen von Genuss- und Nutzenswertungen, von moralanalogem (gegenseitige Hilfe) und politikanalogem Werten (Rang- und Führungskämpfe) bei Tieren, es bilden sich mit der Entstehung des Menschen Genusswerte, ästhetische Werte, Nutzenswerte, ethische Werte, politische Werte u.a. heraus.

      Wir hatten die Abspeicherung von Emotionen anlässlich unterschiedlicher Lerntheorien schon berührt. Das muss vertieft werden. Es geht um die dauerhafte, resultierende Verankerung von individuellen und sozialen Wertungen als Emotionen und Motivationen im menschlichen Gedächtnis. Nur dann stehen sie für die Entscheidung und Handlung des Einzelnen bereit, nur dann sind sie als Wertekerne von Kompetenzen, von Dispositionen für selbstorganisiertes Handeln verfügbar. Es geht also um den Prozess der Interiorisation (Internalisation) von Werten.