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Dieser mit den Punkten (a) bis (g) markierte Prozess wird in Abbildung 7 verdeutlicht. [5]
Abb. 7 Struktur des Wertinterirorisationsprozesses
Zu den einzelnen Phasen des Interiorisationsprozesses von Wertungen (a) bis (g) liefern klassische und moderne Emotions- und Motivationstheorien viele Erkenntnisse, die sich zum Großteil direkt für die Gestaltung des Kompetenzlernens im Netz nutzen lassen. Jede der Stufen ist zudem mit einem großer allgemeinpsychologischer Bereich verbunden, den wir den folgenden weiterführenden Überlegungen voranstellen.
Zu (a): Das allgemeinpsychologische Thema ist die Entwicklungspsychologie der Emotionen und Motivationen, ihr phylogenetisches, ontogenetisches und aktualgenetisches Gewordensein, insbesondere in zentralen lebensgeschichtlichen Abschnitten wie frühe Kindheit, Adoleszenz oder in den Stufen des Erwachsenenalters .
Emotionen haben eine eigene Funktion für das Überleben des Individuums und der Art (ultimate Erklärungen), für die Auslösung und Differenzierung von lebenswichtigen Gefühlen und Handlungen (proximate Erklärungen) und für die Entwicklung jedes Einzelnen (distale Erklärungen). Phylogenetische Betrachtungen weisen vor allem auf die Universalität des Emotionsausdrucks in allen Kulturen hin und betonen den Selektionsvorteil, der sich aus emotionsgetragenen schnellen Reaktionen auf Umweltereignisse ergibt; sie betrachten die grundlegenden Handlungstendenzen, die sich aus – wie immer bestimmten – Basisemotionen ergeben etwa Annäherung aus Verlangen, Vermeidung aus Furcht, Gesellung aus Genuss / Vertrauen, Zurückweisung aus Ekel / Empörung, Ablehnung aus Ärger und freie Handlungen aus Freude. Die Einbeziehung verschiedener kultureller und individueller Entwicklungsstufen weitet das Bild ins Unüberschaubare.
Jede aktuelle emotional-motivationale Veränderung baut auf einem dichten Geflecht von Wissen und Werten auf, das durch die bio – psycho – soziale Evolution des Menschen verankert und durch vorangegangene Interiorisationsprozesse geprägt wurde. Günter Tembrock hat, fußend auf verhaltensbiologischen Ansätzen wie auf philosophischen Vorschlägen zu einer evolutionären Ethik bzw. Werttheorie den biologischen Hintergrund von Werten und Normen beim Menschen umrissen. Er geht von drei grundlegenden Dimensionen in allen Selbstorganisationsprozessen von Systemen aus, so auch in den Prozessen der biologischen und sozialen Evolution: Sie führen zu immer neuen Systemstrukturen, die im Prinzip sinnlich wahrnehmbar sind (ästhetische Dimension), sie führen zu immer neuen systeminternen Verbindungen und Zusammenhängen, die grundsätzlich gedanklich abzubilden sind (informationelle Dimension) und sie führen zu immer neuen offenen Entscheidungssituationen (Bifurkationen) die emergent, also schöpferisch-zufällig, bewertet und entschieden werden (ethische, allgemeiner wertende Dimension).
In ähnlicher Weise sind Werte als Ordner der Selbstorganisation charakterisiert. Nicht diese Dimensionen verändern sich im Lauf der menschlichen Entwicklung, sondern ihre Formen und Spielarten – wie das Modell von Siegfried J. Schmidt es sehr überzeugend nachzeichnet. Es entstehen immer neue Formen von Genuss- und Nutzenswertungen, von moralanalogem (gegenseitige Hilfe) und politikanalogem Werten (Rang- und Führungskämpfe) bei Tieren, es bilden sich mit der Entstehung des Menschen Genusswerte, ästhetische Werte, Nutzenswerte, ethische Werte, politische Werte u.a. heraus.
Zu (b): Das allgemeinpsychologisches Thema ist hier das Verhältnis von Emotionen, Motivationen und Konfliktverarbeitung bzw. von Emotion und der Regulation von Beziehungen. [6]
Labilisierung basiert immer auf kognitiven Konflikten, die durch die Wahrnehmung von Veränderungen oder zunächst unlösbaren, widersprüchlichen Problemlagen hervorgerufen werden. Gleichwohl sind sie in den seltensten Fällen durch analytische Schritt-für-Schritt-Lösungen aus der Welt zu schaffen. Solche Konflikte und ihre psychische Wahrnehmung werden unterschiedlich beschrieben. Etwa als kognitive Ungleichgewichte oder Störungen [7] . Oder als Unvereinbarkeit von externen, extern-internen oder allein internen Informationen. Dies führt zu einer Reizsituation und zu verschiedenen Konfliktformen wie Zweifel, Perplexität (alternativlose Verwirrung), Widersprüchlichkeit, gedankliche Inkongruenz, Verwirrung und Irrelevanz. Gerade solche Konflikte führen, wenn sie nicht verdrängt werden, zum Lernen und zwar nicht nur zu einer kognitiven, sondern vor allem zu einem emotional-motivationalen. [8] Konstruktivistisch werden Konflikte als Störungen und Barrieren eines kognitiven Konstruktionsprozesses beschrieben. Vor allem betont man dort, ganz im Sinne der Ermöglichungspädagogik, dass nur ein positives Lernklima, eine Anpassung an die Lernervoraussetzungen, ein breites und variables Lernangebot und eine indirekte, unspezifische Unterstützung Konflikte positiv für kognitives wie emotional-motivationales Lernen zu nutzen gestatten. [9]
An solche Ergebnisse knüpfen pädagogische Lerntheorien an, denen es nicht nur um die Stoffvermittlung, sondern auch um die emotional-motivationale Verankerung von Wissen und damit zugleich um das Lernen entsprechender emotional-motivational verankerter Fach- und Methodenkompetenzen geht. Für unser Anliegen maßgeblich ist die Arbeit von Sonja Draschoff „Lernen am Computer durch Konfliktinduzierung“. [10] Zunächst weist sie nach, dass schon in Zeiten des klassischen E-Learning von konstruktivistisch orientierten Wissenschaftlern die Forderung nach interaktiveren, konflikthaltigeren E-Learning-Programmen aufkam – was eigentlich erst mit der Entfaltung der Web 2.0 – Instrumente wirkungsvoll realisiert werden kann. Eigene Programmentwicklungen nahmen die Konfliktinduzierung auf, und „es bestätigte sich die Erwartung, dass die Arbeit mit dem neugestalteten Lernprogramm ein allgemein aktiveres Problemlösungsverhalten und konfliktreichere Lernprozesse bewirkt, die sich auch in einem – im Vergleich mit der Kontrollgruppe – emotionaler getönten Erleben der Aufgabenbearbeitung offenbaren.“ [11] Dass dabei auch Emotionen und Motivationen „mitgelernt“ und somit Kompetenzen erworben werden ist offensichtlich. Dass konflikthaltiges, Reflexionen anregendes Lernen zeitaufwendiger als ein bloßes Stofflernen ist, dass personenbezogene Einflussvariablen wie Stressbewältigungsfähigkeit, geringe Ängstlichkeit und wenig Selbstzweifel sich auch für die computergestützte Kompetenzentwicklung als förderlich erweisen, sind wichtige Resultate für die Benutzung von Social Software beim Kompetenzlernen. Dem „Plädoyer für die Integration interaktiver, konfliktinduzierender Lernprogramme in den Bildungskontext“ kann man auch vom Standpunkt einer Kompetenzentwicklung im Netz nur voll zustimmen. [12]
Zu (c): Das allgemeinpsychologische Thema ist hier das Verhältnis von Emotionen, Motivationen und Gedächtnis. [13]
Wir hatten die Abspeicherung von Emotionen anlässlich unterschiedlicher Lerntheorien schon berührt. Das muss vertieft werden. Es geht um die dauerhafte, resultierende Verankerung von individuellen und sozialen Wertungen als Emotionen und Motivationen im menschlichen Gedächtnis. Nur dann stehen sie für die Entscheidung und Handlung des Einzelnen bereit, nur dann sind sie als Wertekerne von Kompetenzen, von Dispositionen für selbstorganisiertes Handeln verfügbar. Es geht also um den Prozess der Interiorisation (Internalisation) von Werten.
Manfred Holodynski und Wolfgang Friedlmeier haben diesen für uns so zentralen Prozess auf der Basis neuester neurobiologischer und psychologischer Einsichten umfassend beschrieben. [14] Sie betrachten Emotionen als ein funktionales psychologisches System bei der Auswahl und der Erreichung von bedürfnisbefriedigenden Handlungszielen. Dieses Gesamtsystem kann natürlich nicht auf ein Hirnareal beschränkt sein. Insofern ist es