Werner Sauter

Kompetenzentwicklung im Netz


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       Seine erste These besagt dann dass „Fühlen und Denken – oder Emotion und Kognition, Affektivität und Logik im weiten Sinn – in sämtlichen psychischen Leistungen untrennbar zusammenwirken.“ [5] Die Wissenschaft gehe grundsätzlich von einer Rückführung der ganzen Affektvielfalt auf bloß positive und negative Gefühle im Sinne von Lust und Unlust aus (ganz analog dem nachfolgend erläuterten hedonalgischen Differenzial!), zumindest aber immer eindeutiger von einer kleinen Zahl von genetisch verankerten so genannten Grundgefühlen wie Neugier / Interesse, Angst, Wut, Freude, Trauer, bei einigen Autoren zusätzlich Schreck, Ekel und Scham. Die enorme Zahl von Nuancen dagegen ergibt sich aus der kognitiven und kulturellen Abwandlung von Grundgefühlen, wobei der Kognitionsbegriff allerdings ebenso wenig einheitlich verwendet wird und von den „kognitiven Neurowissenschaften“ auch auf den Bereich des Emotionalen ausgeweitet wird. Ciompi benutzt deshalb, wie auch hier vorgeschlagen, einen engen Kognitionsbegriff, wonach Kognition definiert wird als „die Fähigkeit, sensorische Unterschiede wahrzunehmen und weiter zu verarbeiten.“ [6]

       Die zweite These besagt, dass Affekte im definierten Sinne „alles Denken und Verhalten nicht nur andauernd begleiten, sondern zu einem guten Teil auch regelrecht leiten.“ Emotionale, „affektive Wertungen teilen die begegnende Wirklichkeit aufgrund der Erfahrung in potenziell Angenehmes und Unangenehmes, Harmloses und Gefährliches etc. ein; und weitgehend unbewusste Operatoren sorgen auf dieser Basis dafür, dass Aufmerksamkeit und Gedächtnis, Denken und Verhalten sich diesen Wertungen selbstorganisatorisch anpassen. Alles in allem stellen Affekte … die bei weitem wirksamsten Komplexitätsreduktoren dar über die wir verfügen.“ [7] Dies entspricht der Anschauung, Werte als Ordner selbstorganisierten Handelns im Sinne der Synergetik zu beschreiben.

       Ciompis dritte These bildet in gewissen Sinne den Kern aller unserer Überlegungen, formuliert sie doch, warum ohne emotional – motivationale Verankerung, ohne Interiorisation (Internalisation) von Werten kein Kompetenzerwerb und kein kompetentes Handeln möglich sind „Meine dritte These besagt, dass situativ zusammengehörige Gefühle, Wahrnehmungen und Verhaltensweisen sich im Gedächtnis zu funktionellen Einheiten im Sinne von integrierten Fühl-, Denk- und Verhaltensprogrammen (abgekürzt FDV – Programmen) verbinden, die sich in ähnlichen Situationen immer wieder neu aktualisieren, differenzieren und gegebenenfalls auch modifizieren.“ [8]

       Die vierte These erklärt, dass emotionale Energien das kollektive Denken und Handeln ganz ähnlich wie das individuelle wecken, steuern und organisieren.

       Und die fünfte These fasst zusammen: „Affekte sind die entscheidenden Motoren und Organisatoren aller psychischen und sozialen Entwicklung.“ [9] Theorien sozialer Systeme, die individuelle Werte, Emotionen, Motivation und Kompetenzen marginalisieren, führen zu einem untauglichen Sozial- und Weltverständnis.

      2.2.4.2 Prozesse des Wertewandels

      Philosophen, Psychologen, Politiker, Soziologen, Manager und Pädagogen stehen vor den beiden zentralen Fragen:

      - Wie ist der Prozess sozialen Wertewandels begreifbar, wie überlagern oder ersetzen neue Werte die alten, wie werden sie sozial erarbeitet; wie individuell verarbeitet und angeeignet. Das heißt: Wie werden sie zu freiwillig akzeptierten handlungsleitenden Emotionen und Motivationen des Einzelnen interiorisiert (internalisiert).

      - Wie sind die psychischen “Mechanismen” individuellen Wertwandels beschaffen, auf deren Basis sich solche Aneignung vollzieht. Das heißt: Wie vollziehen sich die dazu notwendigen psychischen Abläufe der Interiorisation (Internalisation).