Hannah Albrecht

Eine von Zweien


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stellte das dritte Team mit Beth. Die beiden Damen passten wie die Faust aufs Auge zusammen. Entsprechend ihrer Grundeinstellung und ihrer Sichtweise des Lebens, waren Beth und Kathrin die Ersten, die auf der Bank das Spiel beobachten durften. Georg und ich waren in Kampfesstimmung. Wir waren bereit, Max in seine Schranken zu weisen. Wir hatten vor, haushoch zu gewinnen. Georg machte den ersten Aufschlag und los ging es! Max´ Hauptanliegen war es, gut auszusehen, was uns unsere Mission sehr viel leichter machte. Das erste Spiel gewannen wir mit eindeutigem Punktestand und trafen dann auf die beiden ausgeruhten Gegnerinnen von der Bank. Beth spielte den Aufschlag. Es war sehr merkwürdig, gegen sich selbst zu spielen. Wir beide merkten, dass wir genau wussten, was die Andere plante. Ich wusste genau, wenn Beth vorhatte, einen kurzen Ball ans Netz zu spielen, und konnte früh genug vor Ort sein, um den Ball zu retten. Andersherum war es genau so. Es gab hier eine Verbindung, die nicht nur uns auffiel. Kathrin und Georg machten sich ihren Spaß daraus, uns gegeneinander anzustacheln. Es war ein ehrgeiziges, langes und sehr lustiges Spiel. Am Ende machte Georg den entscheidenden Punkt, der uns erlöste. Wir waren völlig erledigt und konnten nur noch zur Bank krauchen.

      „Familie tut dir sichtlich gut.“ Georg wies mit rotem Kopf Richtung Beth. „Wir haben dich, glaube ich, noch nie so ausgelassen erlebt. Weder bei der Arbeit, noch beim Sport.“

      Kathrin, Max und Tina stimmten zu. „Sonst bist du ehrgeizig und ohne Freude, es war richtig schön, dich so zu sehen“, setzte Kathrin noch dazu.

      Beth und ich sahen uns an, und zum ersten Mal hatte ich das Gefühl, nicht so ganz allein auf dieser Welt zu sein. Wir redeten noch ein wenig mit den Anderen. Es war nett, nicht gleich nach Hause zu rennen. Ich genoss es. Auf dem Rückweg redeten wir beide nicht viel. Wir waren müde und geschafft und froh, bald unsere Füße hochlegen zu können.

      „Ich habe noch eine Frage ...“, unterbrach Beth die Stille. „War das heute ein normaler Tag mit deinen Freunden?“

      „Beth, das sind nicht meine Freunde. Das sind Arbeitskollegen, mit denen ich ab und zu mal Tennis spiele. Wir reden nicht viel, konzentrieren uns auf das Spiel und gehen wieder nach Hause. So mache ich das zumindest.“

      „War es heute anders?“ Beth musterte mich von der Seite.

      „Ja, ein wenig. Wir haben uns noch kurz unterhalten, das hat sich wohl von den anderen Treffen unterschieden, wenn du das einen Unterschied nennen willst.“

      Ich hatte keine Ahnung, worauf sie hinaus wollte. Ich war auch einfach zu geschafft, um sie zu durchschauen. Was mir ja schon schwer fiel, wenn ich mit meiner Energie auf der Höhe war. Aber Beth ließ nicht locker. War ja auch nicht anders zu erwarten.

      „Lissi, hast du Freunde?“

      „Was meinst du damit, ob ich Freunde habe? Menschen, mit denen ich mich treffe, um Dinge zu tun, Sport zu machen und einkaufen zu gehen? Dann kann ich sagen: ja, ich habe Menschen, mit denen ich mich zum Sport treffe!“

      „Und, mit wem redest du? Ich meine, nicht übers Wetter? Ich meine, so wie früher, als du dich mit deinen Mädels getroffen hast, und ihr stundenlang einfach herumgesessen habt und nichts anders getan habt, als miteinander zu reden?“

      „Beth, es kann schon sein, dass ich das früher getan habe. Aber jetzt muss ich arbeiten, habe meinen Sport, und dann ist noch Ben da. Da ist kein Raum für solche Dinge.“

      Beth nickte und drehte sich zu ihrer Tür. „Lissi, ich komme dann morgen rüber, oder wenn du willst, komm du. Ich glaube, ich habe eine Ahnung, warum ich hier bin und was unser Plan sein wird. Ich wünsche dir noch einen schönen Abend.“

      Ich nickte zurück und ging in meine Wohnung. Ich kann es nicht genau sagen, aber ich glaube schon, dass ich ein wenig neugierig war. Was hatte sie herausbekommen und wie?

      Kapitel 4

      Ich telefonierte mit Ben, als Beth am nächsten Morgen an der Tür klingelte.

      „Kleinen Moment noch, komm rein, ich telefoniere nur noch zu Ende.“

      Ben hatte nur kurz angerufen, um zu erzählen, wie es bei seiner Konferenz lief und wie nett es gestern mit seinen Kollegen war. Er war drauf und dran gewesen, ins Detail zu gehen, aber ich konnte ihn vorher noch abwürgen. Ich hatte gerade keinen Kopf für diese Dinge. Er hatte auch nachgefragt, wie es bei mir lief. Aber ich hatte keine Lust gehabt, ihm alles zu berichten. Wo sollte ich auch anfangen? Er hatte Beth zwar getroffen, aber zu erklären, wer sie war und was mir gerade passierte, das wäre zu viel verlangt. Für mich, um es zu erzählen, und für ihn, es zu begreifen. Ich hoffte, glaube ich, immer noch, dass der Spuk bald vorbei sein und er gar nichts davon mitbekommen würde.

      Als ich aufgelegt hatte, sah ich, wie Beth es sich auf dem Sofa bequem gemacht hatte. Ich setzte mich dazu und war gespannt, was sie mir zu sagen hatte. Ich glaube zumindest, dass ich gespannt war. Vielleicht war ich auch einfach nur angespannt. Ich versuchte mich durch ein Lächeln und einen tiefen Atemzug selbst zu beruhigen.

      „Na dann, was sind deine Erkenntnisse über mich?“, sagte ich betont selbstsicher mit ironischem Nachhall. Ich versuchte, das nervöse Zucken meines Augenlids unter Kontrolle zu bringen.

      „Ich bin zu dem Entschluss gekommen, dass dein Verstand bzw. du selbst dir verboten haben zu leben. Ja, du hast oberflächlich alles betrachtet, was man sich wünschen kann. Aber wie sieht es aus, wenn ich ein bisschen tiefer grabe? Fangen wir bei deinem Job an. Bitte beantworte mir folgende Frage: Was magst du an deinem Job?“

      Nicht schon wieder, was wollte sie denn jetzt schon wieder? Wollte ich ihr nicht die Fragen stellen und sie mit ins Boot holen, um herauszufinden, wo sich unsere Wege getrennt hatten. Gut, ich werde ihre Fragen beantworten. Vielleicht kann ich dann auch gleich meine beantwortet bekommen. Also los!

      „Was ich an meinem Job mag: dass ich gebraucht werde, dass ich gut bin in dem, was ich tue, und dass ich Komplimente für meine Schnelligkeit bekomme. Und eigentlich mag ich alle meine Kollegen.“

      „Und du hast das Gefühl, der Job erfüllt dich und bringt dich in deinem Leben weiter?“

      Diese pseudospirituelle Sichtweise lag mir überhaupt nicht: brachte mich mein Job weiter? Wo sollte er mich denn hinbringen? Nein, er brachte mir Geld und eine Aufgabe, mehr kann man ja wohl von einem Job nicht verlangen. Nur sehr wenigen Menschen bringt der Job noch mehr als das.

      „Er bringt mir Geld und eine Beschäftigung und Firmenreisen und Anerkennung.“

      Sie schaute mich musternd an, sie überlegte, ob sie mir die nächste Frage stellen wollte oder nicht. Entgegen meiner Hoffnung öffnete sie ihren Mund und stellte die Frage.

      „Erinnerst du dich, als du mit Lukas in der Höhle hinten im Garten gesessen bist und ihr euch als kleine Kinder geschworen habt ...“

      „… nie so zu enden wie die Erwachsenen, nie herumzulaufen wie die grauen Männer bei Momo?! Ja, ich erinnere mich. Ja, aber nicht alle schaffen es und haben die Kraft als Erwachsene, nicht in diesen Sog mit hineingezogen zu werden.“

      Was sollte der Quatsch? Als Kind hat man Träume und Vorstellungen, die nicht immer der Realität entsprechen.

      „Lukas hat sich bis heute an eure Absprache gehalten. Weißt du, was er jetzt macht?“

      Mir blieb die Luft weg. An Lukas hatte ich wirklich seit Jahren nicht mehr gedacht. Ich hatte mir nie erlaubt, diese Frage zu stellen, ich wollte mir nie erlauben, diese Frage zu stellen. Er gehörte in die Vergangenheit. Ich hatte ihn komplett aus meinem Leben verbannt, und ich war mir immer sicher, so würde es bis zu meinem Tod auch bleiben.

      „Nein, Beth, ich weiß nicht, was er jetzt macht und wo er ist. Ich hatte mich damals dazu entschlossen, ihn aus meinem Leben zu streichen, und das war’s. Wenn es dir nichts ausmacht, würde ich es auch gerne dabei belassen.“

      Sie ignorierte mich und sprach einfach drauf los.

      „Soweit ich weiß, leitet er eine Agentur in München und ist sehr erfolgreich. Er hat den Ruf, sehr innovativ und gegen die Norm zu arbeiten.