Fritz Gustavo Allewelt

Abgefahren


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sechs Meter langen Tragflächen hatten ihren Platz auf beiden Seiten des Rumpfes. In gepolsterten Rungen, in Fahrtrichtung untergebracht, sollten sie die fast 3000 km lange Reise schadlos überstehen.

      Der Propeller musste nicht abgebaut werden, er passte mit seinem Umfang zwischen die seitlich des Fliegers stehenden Flächen.

      1992 war noch die D-Mark gültige Währung und ein „Navigationsgerät“ für den Straßenverkehr war für mich ein Fremdwort. Alles ging noch nach der guten, alten Karte. Um Punkt 11:00 Uhr wurde der Motor meines fahrbaren Zuhauses angelassen und die Räder begannen, sich Richtung Griechenland zu drehen.

      Feste Etappenziele waren nicht geplant, der Weg sollte das Ziel sein. Mit zivilem Brummen trieb der 75-PS Peugeot-Saugdiesel seine Besatzung dem Ziel entgegen.

      Die Marschgeschwindigkeit betrug 80 bis 90 km/h. Mit gebührendem Abstand floss das Aufmerksamkeit erregende Gespann, auf der rechten Seite der Autobahn im Lkw-Strom mit.

      Dass unser Gespann oft überholt wurde, störte mich überhaupt nicht, der Weg war das Ziel.

      Wir waren nicht das langsamste Fahrzeug.

      Brummis aus den osteuropäischen Ländern und der DDR fuhren teilweise noch langsamer. Selten gab es für mich eine Gelegenheit diese Fahrzeuge zu überholen. Kaum aus dem Windschatten heraus, war es, als hielt eine Geisterhand das Wohnmobil zurück.

      Ich stellte mich auf ein entspanntes Mitgleiten ein.

      Die Strecke am Harz vorbei ließen wunderbare Erinnerungen wach werden.

      1973 flog der Amerikaner Mike Harker mit einem Rogallo-Drachen von der Zugspitze. Dieser Flug war in Deutschland die Geburtsstunde des Drachenfliegens oder Hängegleitens, wie diese Sportart noch genannt wird.

      1976 wird in der Bundesrepublik Deutschland die Gurtpflicht auf Vordersitzen von Pkw eingeführt. Die Vereinigten Staaten feiern den 200. Jahrestag ihrer Unabhängigkeit. Mit dem Tod von Mao Zedong endet die Kulturrevolution in der VR China. Und ebenfalls 1976 schrieben Rudi und ich uns am Rammelsberg, an dessen Fuß die Stadt Goslar liegt, in die Harzer Drachenflugschule ein, um diese ursprünglichste Art des Fliegens zu erlernen.

      Der Rammelsberg hat immerhin eine Höhe von 600 Metern.

      Gerne erinnere ich mich an diese Zeit und an Jürgen, dem Besitzer und Leiter der Drachenflugschule. Ein außergewöhnlicher Mensch, der in kein Klischee passte.

      Der Harz gab einen ersten Vorgeschmack auf die Kassler Berge. Runterschalten bis auf den zweiten Gang! Die osteuropäischen Kollegen hängten den 75-PS-Saugdiesel nicht ab. Faktisch hätte ich sie hier überholen können, fand aber den wieder

      neu, bzw. zwangsläufig entdeckten Trend, „zurück zur Langsamkeit“, entspannend.

      Dazu trugen natürlich auch die Pausen für meine Reisegefährtin Dina bei.

      Die Kassler Berge meisterte das 75-PS Triebwerk klaglos. Die Kühlwassertemperatur blieb im grünen Bereich. Teilweise wurde ein Runterschalten in den ersten Gang unumgänglich.

      Bergab ging es nicht schneller! Hier musste die Fahrweise angepasst sein, der Anhänger hatte keine Auflaufbremse!

      Diese Art zu reisen ließ die Wahrnehmung der durchaus abwechslungsreichen und wunderschönen deutschen Landschaft entlang der Autobahn zu.

      Schnellfahrern und Rasern bleibt dieser beeindruckende visuelle Genuss versagt.

      Ich respektiere und liebe die Natur. Jede Minute gab es Neues zu sehen oder zu bewundern.

      Am zweiten Tag unserer Reise wurden wir von der Polizei vor der Raststätte Feuchtwangen mit noch anderen Fahrzeugen von der Autobahn herausgewunken.

      Ein freundlicher Beamter erklärte, dass es sich um eine allgemeine Verkehrskontrolle handele.

      Nachdem der Beamte die Fahrzeugpapiere und die Fahrerlaubnis kontrolliert hatte, überprüfte er noch visuell das Reifenprofil, Beleuchtung und Blinker.

      „Wir müssen noch eine Wägung vornehmen, dazu fahren Sie bitte langsam mit den Vorderrädern auf diese Waage.“

      „Ich habe einen Wägebericht dabei, vor einer Woche war ich auf einer öffentlichen, amtlich anerkannten Waage.“

      „Zeigen Sie mal her. Ja, das ist o.k., Sie sind aber haarscharf dran. Wo wollen Sie hin?“

      „Nach Griechenland!“ antwortete ich, mit dem Unterton eines Entdeckers. „Dort möchte ich mit dem Wasserflugzeug fliegen.“

      Wir standen neben dem Trailer und der Beamte hatte noch viele Fragen zu Griechenland und dem Wasserfliegen.

      Mit einem gut gemeinten Rat, sich noch in Deutschland eine Vignette für Österreich zu kaufen und diese vollständig in die Windschutzscheibe einzukleben, da sie nur dann gültig sei, entließ er uns, die Griechenlandfahrer.

      Der Wägung des Trailers war ich noch mal entgangen.

      Während der bisherigen Reise ließen sommerliche Temperaturen erahnen, was wir südlich der Alpen zu erwarten hatten. Ein tolles Gefühl, ich war mit mir und der Welt zufrieden. Die separate Dusche im Wohnmobil sorgte während der Pausen für eine wohltuende Erfrischung.

      Die Landschaft veränderte sich zusehends, der Voralpenraum rückte näher.

      Für Flachländler und Küstenmenschen ist dieser Anblick immer wieder atemberaubend.

      Deutlich war zu erkennen, dass die ersten alpinen Giganten, die einem am nächsten sind, dunkle Farben in ihrem Erscheinungsbild hatten, sie waren nah.

      Je weiter sie entfernt sind, desto bläulicher und konfuser ist ihr farbliches Erscheinungsbild.

      Diese natürliche Begebenheit in Bezug auf Entfernung und Farbe macht sich die Malerei zunutze.

      Auf der letzten deutschen Tankstelle vor dem Grenzübergang Kufstein kaufte ich eine Vignette und klebte sie ordnungsgemäß in die Windschutzscheibe. Da ich nicht wusste, wie es mit den Ver- und Entsorgungsstationen in Italien aussah, versorgte ich mich hier noch mit Frischwasser, ließ das Grauwasser ab und leerte die Fäkalienkassette. Übrigens, während der Pausen auf den Raststätten wurde eifrig über die Fracht auf dem Trailer spekuliert und gerätselt.

      „Ist das ein Hubschrauber?“

      „Das kenne ich, habe ich mal auf dem Starnberger See gesehen, damit fliegt die Polizei Kontrolle.“

      Alles nur Gerede, obwohl man nichts wusste, musste den anderen was erzählt werden. Man machte sich wichtig und wurde bewundert.

      Das wenige, mitgenommene Bargeld ging für das Tanken in Deutschland drauf.

      So war es geplant.

      Aus Sicherheitsgründen sollte auf der weiteren Tour die Bankkarte ihren Dienst tun. Fast jede italienische Raststätte hatte einen Bankautomaten, an dem man problemlos Geld in

      der Landeswährung abheben konnte.

      Das wusste ich noch von den Fahrten zum alpinen Drachenfliegen in der Nähe von Bassano del Grappa und in Santa Maria di Castellabate, südlich von Neapel, in Campania.

      Vier riesige Tabbert-Wohnwagen, mit dicken Mercedes-Limousinen als Zugwagen, wurden gerade von einer Gruppe österreichischer Zöllner kontrolliert. Kein einfacher Job, dachte ich mir, denn die dunkelhäutigen Frauen und Männer der Gespanne redeten wild gestikulierend auf die Zöllner ein.

      Ich wurde zügig durchgewunken und setzte meine Fahrt Richtung Brenner fort. Griechenland, wir kommen, ging es mir gut gelaunt durch den Kopf. Strahlend blauer Himmel, teilweise schneebedeckte Bergkuppen und Außentemperaturen von 26 Grad sorgten für eine nicht überzogene Erwartungshaltung.

      An der Autobahnabfahrt Zillertal, Mayrhofen, wurden Erinnerungen an unglaublich schöne alpine Drachenflüge wie z. B. von der Höhenstraße, dem Penken oder dem Ahorn wach. Das waren unauslöschliche Erinnerungen.

      Das fragwürdige Gefühl im Sessellift mit dem sechs Meter